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Kommentar Zuverlässigkeit von PolizistenWir haben ein Problem

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Wie schaffen wir es, dass die Polizei überall mehrheitlich demokratisch gesinnt ist? Diese Aufgabe darf nicht allein Politikern überlassen bleiben.

Im Zwielicht: die Polizei selbst Foto: dapd

E s ist eine Razzia, die kommt wie bestellt. Gerade erst, an diesem Mittwochabend, kommen in Kiel die Innenminister Deutschlands zu ihrer Frühjahrskonferenz zusammen. Am Donnerstag sitzen sie dort den ganzen Tag beieinander. Sie wollen über die Sicherheit in Deutschland reden, über die Situation in der Polizei und darüber, welche gemeinsame Aufgaben die Behörden vor sich haben. Und was passiert dann, kurz vor Beginn des Ministertreffens, am Mittwochmorgen in Mecklenburg-Vorpommern? Eine Razzia in 14 Objekten, vier Festnahmen von aktiven und ehemaligen SEK-Polizisten.

Die Vorwürfe: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, gegen das Waffengesetz, Betrug. Die Männer sollen ab 2012 staatliche Munition entwendet und bei einem von ihnen gehortet haben: Marko G., der auch Kopf einer norddeutschen Preppergruppe war, sich auf einen „Tag X“ vorbereitet hatte, der Prepper-Chatgruppen administrierte, inzwischen von Behördenvertretern und Sicherheitspolitikern als rechtsextrem eingestuft wird und Kontakte zum Bundeswehrsoldaten André S. alias Hannibal in Süddeutschland unterhielt.

Eine Razzia fast so, als wäre sie pünktlich serviert worden – als Debattenvorlage für Tagesordnungspunkt 34, der als einer unter rund 70 Tagesordnungspunkten heute auch schnell mal wieder zu kurz kommen könnte: die „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ bei der Polizei. Gut, dass heute darüber geredet wird. Mal schauen, wie viele Minuten das dauert.

Zuverlässig? Tja. Deutsche Polizeibehörden haben ein Problem, nicht erst seit Ende 2018 bekannt wurde, dass eine Frankfurter Anwältin mit türkischem Migrationshintergrund einen mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Drohbrief erhalten hatte, der persönliche Daten enthielt, die mutmaßlich aus Polizeicomputern in Frankfurt am Main stammten. Lorenz Caffier, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern (CDU), hat das Problem mit der Zuverlässigkeit schon viel länger – und zwar inzwischen im Endstadium.

Bundesanwaltschaft vertraute Landespolizei nicht

Caffier, der den am Mittwoch festgenommenen Marko G. einst für seine besondere Schießfertigkeit auszeichnete, muss einräumen: Da lief das mit der Zuverlässigkeitsüberprüfung damals wohl eher mittelmäßig.

Wie nahe das Problem Caffier und damit seinem gesamten Bundesland gerückt ist, zeigte bereits 2017 der Umstand, dass die Bundesanwaltschaft seiner Landespolizei nicht vertraute, als sie mit umfangreichen Ermittlungen auch gegen einen weiteren Polizisten aus dem Prepper-Milieu in Mecklenburg-Vorpommern ermittelte. Der Vorwurf damals wie heute: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – mögliche rechtsterroristische Pläne.

Caffiers Problem zeigt sich auch dadurch, dass eine Sonderermittlungsgruppe des Landeskriminalamts in Mecklenburg-Vorpommern nur abgeschottet ermitteln konnte, weil es fürchten musste, die Ermittlungen ansonsten zu gefährden. Und es zeigt sich durch den Umstand, dass schließlich am Mittwoch auch ein Schießstandbetreiber und Waffenhändler durchsucht wurde, bei dem sich das Sondereinsatzkommando (SEK) in Mecklenburg-Vorpommern in der Vergangenheit immer wieder ausbilden ließ – mit Fotogelegenheit für den Minister.

Das sind viele Probleme auf einmal, und wenn wir nun ehrlich sind, müssen wir sagen: Es sind nicht die Probleme der – ausschließlich männlichen – Landesinnenminister und nicht die von Lorenz Caffier, der in seinen 13 Amtsjahren als Innenminister noch jedes Problem aussitzen konnte.

Es sind unsere Probleme.

Welche Polizei wollen wir haben? Und wie stellen wir sicher, dass in fünf, in zehn und in fünfzehn Jahren auch in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin die Mehrheit der Polizisten zuverlässige Demokraten sind – dass sie für eine offene, vielfältige und gute Polizei stehen, der jeder Mensch vertrauen kann? Wie wird die deutsche Polizei, was sie noch nicht ist?

Das zu diskutieren, dazu haben die deutschen Innenminister heute eine gute Gelegenheit, aber sicherer ist es gewiss, wenn diese Debatte nicht allein Männern wie Lorenz Caffier überlassen wird.

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10 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Im Zusammenhang mit dem berüchtigten "Imperium Fight Team" und dem "Bushido Sportcenter Leipzig" und dem gewalttätigen Mallorca-Ausflug von etwa 70 Lok-Leipzig-Hooligans ist die Aufmerksamkeit auch auf den "Rechtsreferendar" Brian Engelmann (mit vier tätowierten Hakenkreuzen und einer schwarzen Sonne) und den Hundertschaftsführer Ronny Golze gekommen.



    Brian Engelmann wurde erstinstanzlich dafür verurteilt, am Neonazi-Angriff auf Leipzig-Connewitz teilgenommen zu haben und ist wegen fahrlässiger gefährlicher Körperverletzung vorbestraft. Das alles hindert den sächsichen Staat nicht daran, ihn als Rechtsrefendar zu beschäftigen. Da bekommt diese Berufsbezeichnung eine ganz andere Bedeutung. www.inventati.org/leipzig/?p=4889

    Ronny Golze teilt auf Facebook munter Post von Mitgliedern des "Imperium Fight Teams", wie Timo Feucht, der auch beim Überfall in Connewitz und einer bewaffneten Gera-Fahrt dabei war.



    www.inventati.org/leipzig/?p=4452

    Der "Imperium"-Gründer Benjamin Brinsa sitzt jetzt übrigens im Wurzener Stadtrat. Auch er war in Connewitz und Gera dabei. Über Vorgeschichte ließe sich wahrscheinlich ein ganzes Buch schreiben.



    www.vice.com/de/ar...aender-diffamieren

    Der ehemalige Major der Volkspolizei, sächsische Landespolizeipräsident, Leipziger Polizeipräsident, Chef des "operativen Abwehrzentrums" (gegen Extremismus) und Empfänger des "Paul-Spiegel-Preises für Zivicourage" sprach in Hinblick auf Rassismusvorwürfe gegen die sächsische Polizei vor gar nichts so langer Zeit noch von "„eine[r] Unverschämtheit“, „Stimmungsmache“ und [...] von „Stigmatisierung der Polizei“. Er verwahre sich entschieden dagegen, dass seine Beamten als „rassistisch“ dargestellt würden, empört er sich."



    www.taz.de/Rassism...-Polizei/!5454232/

  • Radikalenerlass reaktivieren?

    „In Bayern muss sich seit 1991 gemäß der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst jeder Bewerber bis heute zudem in einem Fragebogen u. a. erklären, ob er Mitglied in einer „extremistischen oder extremistisch beeinflussten“ Organisation ist bzw. war, zu denen etwa Al-Qaida, Scientology, aber auch Die Linke, Die Republikaner und die NPD gerechnet werden, oder Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR war“ de.wikipedia.org/wiki/Radikalenerlass

  • *Sing* :

    ... & 1000 Mal ist nix passiert .

    "Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte die Ermittlungen gegen die Beamten eingestellt, da der Tatbestand der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole , sowie der Volksverhetzung nicht erfüllt sei. Die Disziplinarverfahren gegen die Beamten liefen aber weiter. Das LKA Hessen wurde verspätet eingeschaltet. Bislang lag das Verfahren im Polizeipräsidium Frankfurt bei den zuständigen Stellen für Amtsdelikte und Disziplinarverfahren. Intern wird die Übernahme der Ermittlung als Indiz für eine wachsende Sorge vor Vertuschungen gewertet. Das LKA verwies auf die bestehende Erlasslage, wonach es verpflichtet sei, Ermittlungen zu übernehmen, wenn ein Verfahren geeignet sei, das Ansehen der hessischen Polizei zu beschädigen. Am 29. Januar 2019 wurde bekannt, dass weitere Drohbriefe versendet worden waren. Sie enthalten laut Presseinformationen Hinweise darauf, dass der oder die Täter aus den Reihen der Polizei stammen; insbesondere die Abkürzung HLKA , der Twitter-Name des Hessischen Landeskriminalamt sei HLKA welches dem Innenminister unterstellt ist ."

    ( Quellen : de.wikipedia.org/w...n_nach_Morddrohung , www.fr.de/rhein-ma...sten-11874381.html )

    Lassen wir uns überraschen was bei rauskommt ...

  • Die ketzerische Frage lautet: Wieviele Polizisten, Verfassungsschützer und Soldaten wären noch im Dienst, wenn man alle deshalb entlassen würde, weil sie nicht sicher die Grundlagen der FDGO vertreten würden?



    Und die PolitikerInnen? Da denke ich noch nicht einmal an grundgesetz- und völkerrechtswidrige Kriegseinsätze (Jugoslawien), vielmehr frage ich mich z.B. bei Hartz IV, wo da die Menschenwürde geblieben ist. Nicht zu vergessen die Eigentumsverpflichtung des GG, die überhaupt keine Rolle spielt und quasi in Reichtumsvermehrung bei gleichzeitiger Armutsbeschleunigung umgemünzt wurde.

    • @Rolf B.:

      Warum sollte der Staat kein Arbeitslosengeld II mehr zahlen. Die Menschen haben ein Recht auf das Geld!

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    Ganz einfach : Die Gesetzesgrundlagen ( Menschenrechtskonvention , GG , StGB , PolG , etc.pp. ) viel mehr in die Prüfungen auf der Polizeischule miteinbeziehen , Beamte zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichten und bei Verstoß gegen ebensolche Rechtsgrundlagen sofortige/s Disziplinarverfahren , Suspendierung & Entlassung .

    Anders gehts nicht .

  • Für alle Strukturen, in denen Verantwortung von oben nach unten abnimmt, gilt: Der Fisch stinkt, wenn er stinkt, zuerst vom Kopf her.

    Vielleicht können die „ganz harten Jungs“ ja von den „smarten Mädchen“ aus der Film- und Fernsehbranche lernen (Sichwort: #MeToo). Wäre doch toll, wenn die, die „demokratisch gesinnt“ sind bei der Polizei, dem Corpsgeist was entgegensetzen würden. Sie könnten ja vielleicht den Ehrgeiz entwickeln, „ihre“ Polizei nicht den Rechten zu überlassen, sondern sie sich... – nein, nicht zurück-, sondern überhaupt erstmals heraus zu holen aus dem braunen Sumpf, in dem sie nach 1945 stecken geblieben ist.

    Zeit wär‘sr. Es wäre sogar höchste Eisenbahn. Vielleicht, dass auch die Medienleute mitziehen würden, wenn sich etwas bewegt bei den Beamten. Und wenn die Sache ganz gut läuft, sagt vielleicht sogar der eine oder andere Bürger laut was er will. Eine Polizei, nämlich, der er vertrauen kann. Auch, wenn er/sie/es links ist, schwarz, schwul, weiblich, gehandycapt, zugereist, seltsam gekleidet, bekifft oder sonst irgendwie nicht so ganz „normgerecht“ – aber doch mittlerweile Teil einer Mehrheit aller Bundesbürger. Eine Polizei, die nicht willkürlich Gewalt anwendet, sondern sich an Kants 231 Jahre alten Kategorischen Imperativ hält, fände ich gut.

    Hätte ich was zu sagen, müsste jeder Polizeianwärter im Einstellungsgespräch erklären, wieso auch und gerade Polizisten so handeln müssen, dass ihr Verhalten ab morgen zur Blaupause für ein Naturgesetz werden könnte - und das am konkreten Fallbeispiel erläutern. Aber gut, womöglich stünde Deutschland ja dann spätestens in 30 Jahren ganz ohne Gesetzeshüter da. Denn wer in der Schule ernsthaft mit Philosophen traktiert wurde, der fasst ihre Werke ja später nicht mal mehr mit einer Kneifzange an. Und wer an dem Tag krank gewesen ist, der kennt Kant womöglich nur als „Experten für Druckschalter made in germany“.

    Wobei. Wäre das schlimm? Ich meine: Muss Kant überhaupt kennen, wer seine Philosophie kapiert?

  • Die Schuld dafür ist bei Politiker*innen zu suchen, die sich scheuen, klar Farbe zu bekennen.

    Merke: Extremismus kann eine offene Gesellschaft nicht einfach aussitzen.

  • Mit 16 Jahren bin ich 1976 zur Polizei gegangen und habe 1985 gekündigt. U. a. auch deswegen, weil mir damals schon aufgefallen war, wie salonfähig reaktionäres und rechtsradikales Gedankengut damals schon war. Mir scheint, daran hat sich nichts geändert. Polizisten, die als Reichsbürger auffallen, die Nichtverfolgung rechtsradikaler Straftaten ( nicht nur in den neuen Bundesländern)- schlimmer noch: Polizisten schauen dabei zu- sprechen eine deutliche Sprache. Ich finde, das Beamte, die Ihren Eid auf die FdGo verletzen, ohne Ansehen der Person und ihres Rangs aus dem Dienst entfernt werden müssen.

  • Danke. So isset.

    unterm——But —



    Ha no. Leider a never ending story!



    & Vor allem - remember - NS-Pol.Btl. ~



    Startup - Post WK II - West wie Ost -



    & Däh!



    Continuing - Post Wende = Schland today einschl. Hannibal etc

    kurz - The whole ugly undemocratic Bullshit 👹



    Nothing else.

    —- Wo liegt die Latte?



    “Mehrheit“ - only? Warum so weit hinterm Grundgesetz zurück bleiben?



    & Eid - You know!



    Ergo: Außerpolizeiliche Kontrollen &! dess kontinuierlich (Ombudssystem etc )



    &!



    Reale politische Verantwortung. That’s it.

    kurz - z.B. - Oil of Olaf I. & G 23 - “Keine Gewalt gesehen!“



    & dergleichen Politikaster einschl. “…das Glasauge blickte menschlicher!“



    Lassen seit ewig & drei Tagen - Grüßen.



    &



    Nichts passiert.

    & Liggers - Newahr:



    Die Obergrenze GG - ist noch lange lange nicht at hand.



    Nö. Normal - Nicht •

    So geht das

    Ende des Vorstehenden