Kommentar Vertrauensvotum für Tsipras: Kühlen Kopf bewahren
Griechenlands Premierminister hat die Abstimmung im Parlament gewonnen. Seine Regierung kämpft an vielen Fronten. Vielleicht an zu vielen.
D ie gute Nachricht lautet: Der erste linke Ministerpräsident in der Geschichte Griechenlands stellt die Ärmsten und die Schwächsten der Gesellschaft in den Mittelpunkt. Das tut er in einer Deutlichkeit, die man nicht nur in Krisenzeiten vermisst hat.
Weniger deutlich waren seine Aussagen über die Umsetzung zentraler Wahlversprechen. Das ist angesichts leerer Staatskassen und anstehender Verhandlungen über den griechischen Schuldendienst aus taktischer Sicht durchaus verständlich.
Was man nicht ganz verstehen kann, ist die Umtriebigkeit seines rechtspopulistischen Verteidigungsministers und späten Verbündeten Panos Kammenos, der sich als Nebenaußenminister und Ersatzkassenwärter inszeniert.
Bereits in seiner ersten Amtswoche fiel Kammenos durch markante und teils widersprüchliche Äußerungen auf: Griechenland würde sich nach alternativen Finanzierungsquellen in Russland umsehen. Interessant seien auch Waffenkäufe in Moskau. Eine stärkere Rolle in der Nato wünsche man sich aber auch. Übrigens werde er eine Lockerung des Ausländerrechts nicht mittragen.
Doch genau das kündigte die zuständige Syriza-Ministerin kurz vor dem Vertrauensvotum im Parlament an.
Jedes Votum zeigt, dass der Linkspremier parlamentarisch stark, aber vom Wohlwollen der Rechtspopulisten nicht völlig unabhängig ist. In den nächsten Wochen wird Tsipras permanent am Kabinettstisch, in seiner eigenen Partei und in Brüssel die Positionen austarieren müssen. All das macht das Regieren nicht einfacher. Aber Tsipras muss einen kühlen Kopf bewahren. Die Ärmsten und Schwächsten in der Gesellschaft erwarten sehr viel von ihm. Vielleicht sogar zu viel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!