Kommentar Tierschutzgesetz: Aigners Ablenkungsmanöver
Das Sex-Verbot mit Tieren ist nur Symbolpolitik. Dafür knickt die Landwirtschaftsministerin bei der Agrarlobby ein. In der Tierproduktion darf die Quälerei weitergehen.
E ndlich beschließt die schwarz-gelbe Koalition einmal etwas für die Tiere: In ihrem Entwurf für das neue Tierschutzgesetz sieht sie Bußgelder für Sex etwa mit Hunden vor, auch wenn das Tier dabei nicht verletzt wird.
Das ist in Ordnung – aber letztendlich nur ein Ablenkungsmanöver von den wirklich drängenden Problemen im Tierschutz.
Geschlechtsverkehr ist nur legitim, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind und frei entscheiden können. Menschen können Tiere aber auch so abrichten, dass diese sexuell gefügig sind. Also muss ein Staat, zu dessen Verfassungszielen auch der Tierschutz gehört, solche Handlungen verbieten.
Aber Zoophilie ist ein Nischenproblem – zumindest im Vergleich zu den alltäglichen Tierschutzverstößen in der Agrarindustrie. Jährlich werden Millionen Ferkeln die Schwänze abgeschnitten, damit sie sie sich stressbedingt in engen und reizarmen Massenställen nicht gegenseitig abbeißen.
ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Ökologie.
Das Muskelfleisch von Hühnern und vor allem Puten wird in der Mast so überzüchtet, dass der übrige Körper die Last nur noch unter ständigen Schmerzen erträgt. Die meisten Schweine dürfen nie ins Freie und werden stattdessen auf lediglich 0,75 Quadratmeter Stallfläche pro Tier gehalten.
Da jedoch bleiben Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und die übrigen Koalitionäre weitgehend untätig. Schwanzkürzungen werden weiter massenhaft erlaubt sein. Die Qualzucht-Rassen werden immer noch benutzt. Auslauf und mehr Platz wird den meisten Tieren weiterhin verwehrt.
Immerhin soll es verboten werden, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren – aber erst ab Ende 2018. Dabei sind schon lange praxistaugliche Alternativen verfügbar. Zumindest angedacht war, das Einbrennen von Zeichen ins Fell und die Haut von Pferden zu untersagen.
Die Tiere erleiden dabei Verbrennungen dritten Grades – und starke Schmerzen. Selbst dieses Verbot strich die Koalition schließlich aus den Gesetzesentwürfen.
Der Grund für diese Politik ist klar: Aigner sitzt die Agrarlobby im Nacken, die um Gewinne fürchtet, wenn sie ihrem Produktionsfaktor Tier bessere Bedingungen einräumen muss.
Das generelle Verbot von Sex mit Tieren dagegen kostet Aigner nichts. Aber deshalb wird das neue Tierschutzgesetz noch lange kein Gesetz, das diesen Namen verdient.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung