Kommentar Streikrecht bei der Bahn: Der Kunde als Streikbrecher
Brüssel will den Schienenverkehr in Europa liberalisieren, und nebenbei das Streikrecht der Bahnbeschäftigten schleifen. Herhalten muss dafür der Kunde.
M ehr Wettbewerb – mehr Vorteile für die Kunden. Mit diesem Credo wirbt die EU für eine Liberalisierung des Schienenverkehrs. En passant wollen dabei einige Abgeordnete des EU-Parlaments auch das Streikrecht der Beschäftigten im Schienenverkehr einschränken.
Ein „Mindestleistungsniveau“, heißt es im Bürokratendeutsch, müsse aufrecht erhalten werden, schließlich seien viele Dienstleistungen durch öffentliche Gelder finanziert und der Fahrgast habe ein Anrecht auf sie. Dafür darf man das grundgesetzlich und in den Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation verbriefte Streikrecht also schon mal schleifen, meint man in Straßburg.
Der Kunde ist König – mit diesem Allgemeinplatz werben Liberale und Konservative in Europa für ihren Vorstoß. Unterschlagen wird dabei, dass sich zwar etliche Fahrgäste ärgern, wenn sie wegen Streiks verspätet ankommen. Trotzdem haben viele Verständnis für Arbeitsniederlegungen. Sie finden eben auch würdige Arbeitsbedingungen und funktionierende, öffentliche Gemeingüter mit motivierten Mitarbeitern sinnvoll und notwendig. So etwas aber gerät durch Liberalisierungen unter Druck – was wiederum Streiks und die Gegenwehr von Beschäftigten wahrscheinlicher macht.
Es ist nicht der erste Ruf nach dieser Art von Einschränkungen. Auch in Deutschland bemühen sich arbeitgebernahe Juristen seit einiger Zeit darum, argumentativ die Figur des Kunden zu etablieren, um Streiks in sämtlichen Bereichen der Daseinsvorsorge, also auch in Kitas oder Krankenhäusern, einzuschränken. Auch in diesen Fällen ist es ein leicht zu durchschauender Unsinn. Nicht der Kunde soll König sein, sondern die Wirtschaft und die europäische Wettbewerbsfähigkeit, die von Streiks gestört werden könnten.
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