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Kommentar Nazis in EhrenämternDen langen Weg nehmen

Astrid Geisler
Kommentar von Astrid Geisler

Ein Ministerialerlass zur Stärkung der Demokratie ist billig. Das Problem der Verankerung Rechtsradikaler in der Gesellschaft wird so aber nicht gelöst.

Wenn sie erst mal da sind, helfen Erlasse auch nicht mehr. Bild: dpa

I nnenminister setzen gerne mal auf den schnellen Effekt. Stärke zu demonstrieren gehört zur Kernkompetenz ihres Metiers – auch dann, wenn es um Rechtsextreme geht. Der Radikalenerlass für sogenannte Ehrenbeamte in Mecklenburg-Vorpommern (zugkräftiger Titel „Initiative Wehrhafte Demokratie“) fällt in dieses Genre. Mit ihm wollte Innenminister Lorenz Caffier auf dem Verordnungsweg beenden, was er verständlicherweise überhaupt nicht in Ordnung fand: dass Neonazis zunehmend nach einflussreichen Posten in den Dörfern seines Bundeslandes griffen.

In der Praxis jedoch sind solche Top-down-Maßnahmen gegen rechts regelmäßig weit weniger durchschlagend, als ihre Erfinder versprechen. Das dürfte auch für das NPD-Verbotsverfahren gelten, zu dessen vehementen Verfechtern nicht zufällig der CDU-Politiker Caffier zählt. Denn wer den Rechtsextremismus langfristig schwächen will, muss die Demokratie stärken. Eine schwächelnde bis nicht vorhandene demokratische Kultur an der Basis aber lässt sich bekanntlich nicht per Erlass an nachgeordnete Dienststellen verordnen.

Der Radikalenerlass gegen Neonazis hat zudem einen unschönen Nebeneffekt: Er verwischt die politischen Verantwortlichkeiten, der Schwarze Peter wird hin- und hergereicht zwischen Ministerium und lokalen Behörden. Wenn es schlecht läuft, sind am Ende alle beschädigt – außer dem Neonazi, um den es geht.

Symbolpolitische Aktionen sind für Minister verlockend, schließlich stehen sie unter Handlungsdruck. Doch auch ein Minister muss bereit sein, den längeren Weg zu nehmen und etwa dort anzusetzen, wo Teenager bei der Übung für die freiwillige Feuerwehr oder im Fußballtraining zu Neonazis gemacht werden. Genau das aber ist mühsamer – und kostet anders als Ministerialerlasse Geld.

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Astrid Geisler
Korrespondentin Parlamentsbüro
Jahrgang 1974, ist Parlamentskorrespondentin der taz. Zuvor hat sie als Reporterin und Inlandsredakteurin für die Zeitung gearbeitet. Sie war Stipendiatin des Netzwerks Recherche und erhielt für ihre Recherchen über Rechtsextremismus unter anderem den Theodor-Wolff-Preis. Schwerpunkte ihrer Berichterstattung sind die Piratenpartei, die CDU und das Thema Innere Sicherheit. Autorin der Sachbücher „Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland“ und „Piratenbraut. Meine Erlebnisse in der wildesten Partei Deutschlands“.
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4 Kommentare

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  • Vielleicht sollte man den Mut haben, mal nachzufragen, wo dies überhaupt außer in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt ein Problem darstellt, dass Neonazis in Ehrenämtern aufrücken. Mir fallen im ersten Augenblick kaum andere Fälle außer diesem ein, wo es in den letzten Jahren mal zur einer Übernahme von Ämtern durch Neonazis sonst gekommen wäre. Genau wie das Problem einer NPD über 5% nur in den "neuen" Bundesländern der Fall ist.

    Statt weiteren Forderungen nach Angleichung wäre es wohl auch 25 Jahre nach der Einheits-Katastrophe von Herrn Kohl an der Zeit, ehrlich zu bekennen, dass manche Länder eher ein Problem in der BRD darstellen als dass sie Probleme beseitigen. Aus dem Westen sollte der Solidaritätszuschlag für Gemeinden wie Postlow ausschließlich noch in Bildungsprojekte gesteckt werden wie sowieso ein neues "Aufbauprogramm Ost" nötig wäre, was sich ausschließlich um die Bildung der Bürger in diesen Ländern kümmern würde, damit sie erfahren, wie sich eine soziale und demokratische Kultur hier im Westen in den 70ern und tlw. sogar noch in den 80ern bildete, die nun allmählich vor die Hunde geht.

    • 4G
      4463 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Das ist so dumm, was sie schreiben. Ich komme aus dem Osten. Wo kommt denn Udo Pastörs her? Bei uns wird auch immer weniger Geld für Kultur ausgegeben und außerdem gibt es Rassismus überall, ob man es nun NDP oder andere Gruppierungen gibt. Diese dummen Bemerkungen provozieren nur, also hören sie auf mit solchem Einheitsbrei: das alle im Osten keine demokratische Kultur kennen.

      • @4463 (Profil gelöscht):

        Stellenweise sagen die hohen Wahlergebnisse von NPD und Linkspartei etwas anderes. Aber das auch eher "auf'm Dorf". Da sollte mMn mehr für die Jugend getan werden. Es würde schon mal reichen wenn der letzte Bus von Dorf zu Dorf nicht schon 20 Uhr fährt. Wenn die Jugend was zu tun hat saufen Sie weniger. Und weniger Alkohol bringt weniger Extremisten. (Solcher Mist kann stellenweise nicht nüchtern fabriziert werden.)