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Kommentar Nazis im GefängnisSchöner Schmutz in Haft

Kommentar von Kai Schlieter

Rechtsextreme sollen aus Gefängnissen heraus ein Netzwerk für inhaftierte Nazis gebildet haben. Doch im Knast sind Nazis nicht das Hauptproblem.

Hier endet der Blick der Öffentlichkeit – außer, es werden Nazis entdeckt. Bild: dpa

N azis, die aus dem Schattenreich deutscher Gefängnisse heraus mit einer braunen Mafia den Rechtsstaat terrorisieren – kann es schöneren Schmutz geben? Zu toppen wären klandestine Naziverbrecherbanden vielleicht noch von einem pädophilen Investmentbanker, der im Silicon Valley von Kai Diekmann als Hitlers Sohn überführt werden konnte. Aber geht es auch mal anders?

Wären Leser daran interessiert, zu erfahren, dass im Gefängnis die Nazis nicht das Hauptproblem sind? Nicht, weil es keine Nazis gäbe. Die gibt es, drinnen wie draußen. Es gibt auch Clubs von Motorrad fahrenden JVA-Beamten, die ein Faible für mit Runen bestickte Lederjacken haben. Es gibt Anstaltsleiter, die monarchengleich sämtliche russlanddeutschen Inhaftierten über ein Jahr in Isolationshaft sperren, weil: alles Mafia!

Interessiert es Leser, dass es niemandem nützt, wenn jugendliche Intensivtäter sofort eingelocht werden – peng: Warnschussarrest? Oder interessiert es, dass in Deutschland Gerichtsurteile, die zugunsten klagender Knackis ausfallen, staatlicherseits systematisch missachtet werden und dass Resozialisierung mittlerweile nach Immunschwäche klingt? Das sagt doch mehr aus als – nach gegenwärtigem Stand – ein läppisches Dutzend krimineller Nazi-Deppen, die der Boulevard zu Scheinriesen aufpumpt.

Die braucht Bild, und praktisch ist das auch für manche Justizminister. Irgendwo muss der Staat ja noch Handlungsfähigkeit demonstrieren können, bei aller Impotenz im Angesicht „der Märkte“. Eine ausgehebelte Nazi-Mafia ist gute Presse für einen hessischen Justizminister, bei allem, was bisher über die Ermittlungsfähigkeiten zum NSU bekannt ist.

Irgendwann aber gehen der medialen Erregungsmaschine die Superlative flöten. Und die Leser auch.

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Reportage & Recherche
Seit 2008 bei der taz. Von 2012 bis März 2017 leitete er das von ihm gegründete Ressort Reportage & Recherche. Danach Wechsel zur Berliner Zeitung / Berliner Kurier. 2015 erschien sein Buch "Die Herrschaftsformel. Wie Künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert und unser Leben verändert". 2011 erschien sein Buch "Knastreport. Das Leben der Weggesperrten".
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15 Kommentare

 / 
  • AC
    Al Capone

    Der erste korrekte Kommentar zu diesem Thema. Kai Sch. kennt sich aus, er hat eine Super-Recherche dazu geschrieben.

    Und durch die oberflächliche Berichterstattung der Medien haben sich so viele Stereotypen in den Köpfen eingenistet, dass alle nur noch mit Schaum vorm Mund Urteile fällen.

  • J
    Jankele

    Man sollte vielleicht einmal darüber nachdenken, dass seit kurz nach Kriegsende der Verein "Stille Hilfe" (unter Leitung der Tochter des Massenmörders Himmler) UNBEHELLIGT straffällig gewordenen Alt- und Neonazis Unterstützung gewährt......

  • K
    kMfN

    @ G N-S

     

    Dieser Mumpitz wird von interessierten Kreisen immer wieder gern kolportiert, wird dadurch aber nicht wahrer. Hintergrundinformationen finden Sie z.B. unter http://www.h-ref.de/organisationen/nsdap/nazis-sozialisten.php

  • T
    Timson

    Es war offensichtlich GESINNUNGSgenossen gemeint...

     

    Nichts desto trotz bin ich der Ansicht, dass egal ob es sich um ein dutzend oder um eintausend handelt, das Ganze Problematisch ist und unterbunden werden sollte. Das Ganze Medial aufzublasen gibt diesen Leuten m.E. zu viel Aufmerksamkeit.

  • GN
    Genossen National-Sozialisten

    @kMfN

    @Micha

     

    Die National-Sozialisten sahen sich als linke Bewegung und bezeichneten sich untereinander als Genossen. Auf Anraten Goebells änderte man diese Praxis um sich besser von den anderen Linken zu unterscheiden. Man sprach von Volksgenossen.

    Daher ist die Bezeichnung Genossen im Text auch sehr passend.

  • ID
    immer dem Geld nach

    Genau das ist es "ein läppisches Dutzend krimineller Nazi-Deppen, die der Boulevard zu Scheinriesen aufpumpt."

     

    Das ganze inkl. Zeitpunkt stinkt massiv gen Himmel.

    Die Gründung der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" (HNG) e.V (1979) konnte Jahrzehnte agieren und wurde 2011 durch Erlass seitens Friedrich verboten.

    Die Gründungsmitglieder, Mitglieder sind ultra Rechte und liegen mit der NPD im Bett.

    Schon 1982 tauchen die Gründer Ursula Curt Müller im Verfassungsschutzbericht auf, während Österreich die Wiking Jugend 1980 verboten hat!

    Die Wiking Jugend konnte vor ihrem Verbot in Kirchen, teilweise deren Vereinshaus, Versammlungen abhalten und organisierten Freizeitaktivitäten.

    Und dort landet man wieder in den Burschenschaften und andere „Vaterländischen Jugend“ national völkisch denkender Menschen.

    http://www.taz.de/!46393/

    Nachdem die WJ verboten war, kam die Heimattreue Deutsche Jugend.

    Und Schäuble, also nicht der verstorbene Mafiawarner?

    "Doch die braune Erziehertruppe hatte Zeit, sich darauf vorzubereiten."

    "Im Zuge der Razzia sollen die Beamten auch auf ein Archiv der bereits seit 15 Jahren verbotenen "Wiking-Jugend" (WJ) gestoßen sein, offenbar am Wohnsitz des früheren WJ-Führers und nun auch in der HDJ aktiven Neonazi-Anwalts Wolfram Nahrath in Brandenburg"

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hdj-verbot-rechtsextreme-kinderfaenger-organisieren-sich-neu-a-616551.html

    Wer sich mit der Thematik genauer befasst, kann die Örtlichkeit der NSU feststellen.

     

    Und wie rührend, das sich der HNG um Strafgefangene kümmert. Ist der Pastor gleich im Schlepptau?

    Gab es so etwas wie die Wiking Jugend und quasi kirchlich organisierte Freizeitaktivitäten auch in der DDR?

    Wird es dem König zu eng, tötet er Untertan und betreibt Propaganda.

  • K
    kMfN

    Im Teaser unter dem Link zu diesem Artikel heißt es:

     

    >>Rechtsextreme sollen aus Gefängnissen heraus ein Netzwerk für inhaftierte Genossen gebildet haben.

  • A
    Ari

    Eigentlich müsste der TAZ doch einer abgehen, wo hinter jedem Kieselstein der nächste Nazi vermutet wird.

    Klingt ganz so, als sei da jemand einfach nur bockig, weil die Bild die Schlagzeile überhaupt der TAZ weggeschnappt hat.

     

    Köstlich :)

  • JJ
    jürgen julius irmer

    ...es gibt eine ganz plausible HBO-fernsehserie: "OZ",

    die zeigt wie die knastdinge laufen (vermutlich nicht nur in den USA)..wenn man das parallel zu den berichten ansieht, staunt man über die aktuelle einfalt!...

  • T
    Takoda23

    Nun leiber Autor,

     

    wie wärs, wenn Sie, anstatt Sich zu echauffieren, über Ihre angedeuteten Mißstände Artikel bringen würden. Und die ach so fehlgeleitete Medienkonsumenten erst einmal drauf aufmekrsam machen, bevor Sie sie als desinteressiert verurteilen? Mich würden derartige Dinge sehr wohl interessieren, und viele andere Leser sicher auch.

     

    Einfach mal bringen, Name der Anstalt, Namen der Anstaltsleiter, Namen der rechtssprechungingnorierenden staatlichen Institutionen.

    Wenn die TAZ dort nachfragen und informieren würde, gäbe es sicher ein Echo.

     

    Selber machen anstatt auf die Bild zu hacken.

     

    MfG

  • M
    Markus

    Derartig wenig Reflektiertes und lieblos Formuliertes zu lesen, ist man leider von den "Leserkommentaren" gewohnt. Im redaktionellen Bereich kommt es leider immer öfter vor. Ich hoffe ich gewöhne mich nicht daran!

  • B
    Bud

    Nicht zu vergessen, daß Vergewaltigungen im Knast zum guten Ton gehören. Gab vor ein paar Monaten mal eine Statistik dazu. Eine Haftstrafe bedeutet oftmals nicht nur den Freiheitsentzug, über dessen Sinn man streiten kann, der aber jedenfalls so vorgesehen ist. Sondern eben auch die erhebliche Gefahr des schweren sexuellen Mißbrauchs, der zumindest offiziell nicht vorgesehen ist. Da wird jedoch kein Handlungsbedarf gesehen, als ob das normal ist, daß man für fortgesetztes Schwarzfahren dann halt zur Strafe vergewaltigt wird.

    Aber hauptsache mal wieder die immense Gefahr von rechts beschworen, das letzte mal war ja bestimmt schon wieder ne Woche her.

  • M
    Mauretanier

    Schöner Artikel, v.a. bewundernswerte Selbstkritik, wo doch gerade die taz täglich mit zehn Artikeln über irgendeine neue Nazigefahr ablenkt.

  • SK
    Schai Kleiter

    > Interessiert es Leser, dass es niemandem nützt, wenn

    > jugendliche Intensivtäter sofort eingelocht werden –

    > peng: Warnschussarrest?

     

    In welchem vergangenem Jahrhundert ist das denn überhaupt mal praktiziert worden? Hier gibt es doch nur "peng - Warnschusssozialstunde" bei gefährlicher Körperverletzung und "peng - Warnschussstandpauke" bei einfachem Raub.

     

    Zur Resozialisierung muss man nicht viel sagen, da weiß jeder Bescheid.

     

    Das nur am Rand: natürlich ist der Grundtenor dennoch richtig: Nazis im Knast sind nicht das Hauptproblem in Gefängnissen -- das sind die Kriminellen und die überforderten Wärter.

  • M
    Micha

    Die Ankündigung...

    Rechtsextreme... Genossen... *schauder*