Kommentar Ladenöffnung: Schluss mit dem Dauerstress
Der Sonntag bleibt für Läden tabu - mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht vernünftig gehandelt.
Die Supermärkte von Kaiser's Tengelmann dürfen nach einem Gerichtsurteil vor Sonn- und Feiertagen nicht mehr bis Mitternacht öffnen. Damit sei eine Klage der Supermarktkette abgewiesen worden, teilte das Berliner Verwaltungsgericht am Mittwoch mit. Die Filialen müssten früher schließen. Nachdem das Landesamt für Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie technische Sicherheit (Lagetsi) ein Bußgeldverfahren wegen der späten Öffnung auch vor Sonn- und Feiertagen angedroht hatte, wollte Kaisers per Gericht feststellen lassen, dass die bisherige Praxis rechtens ist (Urteil der 35. Kammer vom 30. November 2011 - VG 35 K 388.09).
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Arbeitszeitgesetz sehe ausdrücklich ein Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen vor. Bei Öffnung bis 24 Uhr fielen danach noch Abschlussarbeiten für die Beschäftigten an - und das betreffe dann schon den Sonn- oder Feiertag. Die Filialen müssten also rechtzeitig geschlossen werden, um die Abschlussarbeiten vor Beginn von Sonn- und Feiertagen beenden zu können, entschieden die Verwaltungsrichter.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls wurde die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen. (dpa)
D er Sonntag bleibt für Läden tabu - mit diesem Urteil hat sich das Verwaltungsgericht wohl nicht von weihnachtlicher Geistlichkeit anstecken lassen, sondern schlicht vernünftig gehandelt. Supermärkte haben in Berlin weiter reichende Freiheiten als anderswo. Einen Tag in der Woche zur konsumfreien Erholung zu bewahren, ist arbeitnehmer- und menschenfreundlich gleichermaßen.
Es ist ja tatsächlich so, dass die Arbeit für Angestellte nicht vorbei ist, wenn sich um Mitternacht die Supermarkttüren für Kunden schließen. Kehren, putzen, Waren vorbereiten, das dauert. Damit die Kaiser's-Beschäftigten ihre Sonntagsruhe einhalten können, müssen die Märkte eine Stunde früher schließen.
Wo ist das Problem dabei? Die Flexibiliserung der Öffnungszeiten ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Kundenfreundlichkeit gewesen. Sie kam der Entwicklung nach, dass es immer weniger Hausfrauen gibt, die zwischen 10 und 18 Uhr ausreichend Zeit zum Einkaufen haben. Inzwischen hat fast jeder Supermarkt bis 22 Uhr offen, viele bis 24 Uhr. Damit ist aber auch mal gut. Einkaufen bleibt eine Notwendigkeit und muss nicht zur Freizeitbeschäftigung mutieren. Und, im Ernst: Wohl kaum einer ist aus beruflichen oder sonstigen Zwängen darauf angewiesen, samstags um 23:30 Uhr shoppen zu gehen. Mehr Umsatz spült die eine Stunde auch schwerlich in die Kaiser's-Kassen. Wer Milch braucht, kauft sie auch 60 Minuten früher.
Die Kehrseite der flexiblen Arbeits- und Konsumwelt ist Dauerstress. Deswegen ist der eine ruhige Tag um so wichtiger, für Angestellte und Einkaufende gleichermaßen: Man muss sich mal erholen vom Arbeiten, man muss sich mal erholen vom Einkaufen. Gut, dass die Richter nun entsprechende Pflöcke eingeschlagen haben.
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