piwik no script img

Kommentar EU und GriechenlandGebt Athen mehr Zeit!

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Hoch gepokert, nichts erreicht: Am Scheitern der Verhandlungen mit der EU ist Griechenland nicht allein schuld. Die EU muss sich bewegen.

Hart geblieben: Janis Varoufakis. Bild: dpa

F ast möchte man den griechischen Finanzminister Jannis Varoufakis nach seinem ersten Auftritt in der Eurogruppe beglückwünschen. Während auf dem Athener Syntagma Tausende gegen die EU-Austeritätspolitik demonstrierten, verteidigte Varoufakis standhaft die Position der neuen griechischen Regierung: Keine Verlängerung des laufenden EU-Hilfsprogramms, keine Fortsetzung des neoliberalen Spar- und Reformkurses.

Alles richtig ­ und doch nicht genug. Denn die Eurogruppe erwartet von Varoufakis und seinem Premier Alexis Tsipras keine Negativliste, sondern konkrete Vorschläge für den Weg nach vorn. Und da enttäuschte der Starökonom. Er hatte weder einen Zehnpunkteplan für Reformen in der Tasche, wie es vorab in Athen geheißen hatte. Noch konnte er ein alternatives Finanzierungskonzept für die fälligen griechischen Schulden vorweisen.

Das wird ihm nun vorgehalten – zu Recht. Wer einen Politikwechsel fordert, muss auch sagen, wie er aussehen soll und wie er sich finanzieren lässt. Diese Kritik gilt aber genauso für Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Ihre Politik ist in Griechenland krachend gescheitert – an der Realität (der Schuldenberg wächst unvermindert weiter) und an den Menschen (sie haben den alten Kurs abgewählt).

Auch Dijsselbloem und Schäuble müssten daher einen alternativen Plan vorlegen. Es reicht nicht, auf dem aktuellen Hilfsprogramm zu beharren und gebetsmühlenartig dessen Verlängerung zu fordern. Gerade Schäuble sollte dies wissen. Schließlich war er es, der beim letzten Eurogruppen-Treffen im Dezember den Widerstand der damals noch konservativen griechischen Regierung brach. Die wollte das Programm nämlich auch nicht verlängern.

Berlin mauert unverdrossen

Dass der aktuelle Hilfsplan am 28. Februar ausläuft, ist eine rein politische Entscheidung. Sie war vor der Wahl in Griechenland getroffen worden, um der neuen Regierung die Pistole auf die Brust zu setzen. Sie sollte nicht die üblichen 100 Tage Zeit bekommen, um sich zu finden – sondern schnell einlenken. Nun sitzt die Eurogruppe selbst in der Falle.

Schon beim nächsten regulären Treffen am kommenden Montag soll eine Entscheidung fallen. Doch darauf sind nach dem Scheitern am Mittwoch weder Athen noch Brüssel vorbereitet. Selbst die Experten der Eurogruppe sind ratlos. Es wird daher wohl nichts anderes übrig bleiben, als weiter zu pokern – und die Entscheidung zu verschieben.

Tsipras und Varoufakis haben dies bereits vorgeschlagen. Erst im Sommer wollen sie ihr Zukunftskonzept vorlegen. Bis dahin suchen sie eine Brückenfinanzierung. Wenn die Eurogruppe klug ist, wird sie Griechenland diese Brücke bauen. Der EU-Gipfel am Donnerstagabend könnte dazu den Weg ebnen. Allerdings spricht wenig dafür, dass es so kommt.

Vor allem Berlin mauert. Dort spricht man weder von Alternativen noch von Kompromissen, sondern immer nur von Regeln und Programmen. Das macht wenig Hoffnung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Wieso hat das Baltikum die Krise bewaeltigt und Griechenland nicht?

  • "Leider nix passiert?" Richtig! Und warum nicht? Weil die Troika und die korrupte griechische Regierung, die jetzt zu Recht abgewählt worden ist, daran kein Interesse hatte. Die hier laufende Medienkampagne dient einzig dazu die Syriza zu diskreditieren.

    Syriza ist eine LINKSPARTEI, die nicht dem korrupten Machtapparat griechischer "Politiker Eliten" von konservativen und rechtskonservativen Kreisen der ND oder pseudo-sozialdemokratischen Kreisen der PASOK angehört. Übrigens, wer den Griechen heute Betrug beim EU-Beitritt vorwirft, sollte das hier genau lesen: "Goldman Sachs steht für sein Verhalten in der europäischen Schuldenkrise und seine Verflechtung mit der europäischen Politik in der Kritik. Es wurde berichtet, dass Goldman Sachs der griechischen Regierung systematisch geholfen hat, gegen hohe Gewinne die nationalen Schulden in den Jahren 1998 bis 2009 zu verschleiern.[18][19][20] Lucas Papademos, danach griechischer Premierminister, leitete die griechische Zentralbank während der umstrittenen Geschäfte mit Goldman Sachs.[21] Petros Christodoulou, Leiter der griechischen Schulden-Management-Agentur, begann seine Karriere bei Goldman Sachs.[21] Mario Monti, Italiens neuer Premier und Finanzminister nach Silvio Berlusconi,[19][21] ist wie Otmar Issing (früheres Mitglied der Deutschen Bundesbank und im Executive Board der Europäischen Zentralbank) internationaler Berater der Bank.[21] Mario Draghi, neuer Chef der Europäischen Zentralbank, war vormals ein geschäftsführender Direktor von Goldman Sachs International.[19][21] Diese und weitere Verbindungen zwischen Goldman Sachs und europäischen Politikern werden weiterhin kontrovers diskutiert.[19][21]

    In der Bundesrepublik Deutschland konnte Goldman Sachs während der Legislaturperiode seit 2009 mit Abstand die meisten Kontakte mit der Bundesregierung für sich verbuchen.[22]" http://de.wikipedia.org/wiki/Goldman_Sachs

     

  • "Wer einen Politikwechsel fordert, muss auch sagen, wie er aussehen soll und wie er sich finanzieren lässt. Diese Kritik gilt aber genauso für Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem ...."

    Das Geschrei der Rechten wei Linken hätten wir hören wollen wenn Europa Griechenland nicht nur die Kreditbedingungen sondern auch noch die umzusetzende Politik diktiert hätte!!

     

    Es ist ein Frage der Reihenfolge: Zuerst muss sich Griechenland nach innern ändern (z.B. funktionierenden Steuersystem einführen). Danach wird über Änderungen der Kreditbedingungen geredet.

    Sonst bekommen wieder die falschen Leute das Geld.

    Übrigens: Zeit genug dafür nach innen was zu ändern war schon lange da. Leider nix passiert!

    • @Tom Farmer:

      Danke Tom Farmer.

       

      Es gibt zuviele in Griechenland die immer noch nicht wahrhaben wollen dass die für sich selber verantwortlich sind.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wir alle wissen nicht, wie es in den Köpfen der Eurogruppenfinanzminister aussieht.

    So mancher könnte sich vielleicht mit dem frischen Wind aus Griechenland arrangieren, wenn da nicht die Angst vor dem Dominoeffekt und möglicherweise auch vor einem Gesichtsverlust wäre.

    Schäuble würde es gut zu Gesicht stehen, da mal einen kleinen Spalt zu öffnen. Er ist besitzt die Autorität dazu und geht das geringste Risiko ein.

  • Mit der Austeritätspolitik sind wir gegen die Wand gefahren, das ist mittlerweile deutlich. Allerdings glaubt die Bundesregierung anscheinend weiter fest an den Erfolg ihres Kurses, der bislang nur in die Sackgasse führte, und so heißt die Parole einfach „Weite so!“

     

    Die Karikatur zum Thema:

    http://www.mister-ede.de/politik/austeritaet-in-der-sackgasse/3670

  • Ich störe mich an der Bezeichnung "EU-Hilfsprogramm". Das hat es für Griechenland nie gegeben. Es war und bleibt ein Rettungsprogramm für die EU-Banken, die sonst eben diese Hilfs-Milliarden verloren hätten.

     

    Die leider typische EU-Bürger-Enteignungs-Masche. So lenkt man Steuern der kleinen Bürger in die Taschen der Superreichen.

     

    Ein EU-Hilfsprogramm muss Griechenland die Möglichkeit geben sich von der Rezession zu erholen.

    Und genau das wollen werder EU noch Schäuble verhindern.

    Niederschlagen und dann ausrauben ist die Wirkung und die Absicht, nicht nur gegen die Griechen.

    Man könnte auch sagen "Hartz-IV" auf Staaten angewendet.

     

    Bald werden die Bürger die Vorzüge des Neoliberalen Modells für sich entdecken, ganz im Sinne der französischen Revolution realisiert.

    • @Rainer Pakosch:

      Die Griechen - durch die Bank - sind für deren Situation verantwortlich.

       

      Nicht die EU und nicht Deutschland.

       

      Nur wenn die das begreifen und anfangen selber an die Lösungen zu arbeiten wird es besser.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Hoch gepokert" - ???

     

    Bisher ist Syriza eine große Enttäuschung, denn da ist sehr viel mehr an sozialistischen Maßnahmen drin!!!

  • Wieso müssen Dijsselbloem und Schäuble einen neuen Plan vorlegen? Die Bedingungen für die Hilfen sind auf dem Tisch, Griechenland kann entscheiden ob es diese akzeptiert oder nicht. Weder die Auszahlung von Hilfsgeldern noch der griechische Verbleib im Euro sind "alternativlos" und wenn der griechische Wähler ein eindeutiges Votum gegen die Auflagen für die Hilfskredite abgegeben hat, dann hat der griechische Wähler auch ein eindeutiges Votum gegen die Hilfskredite abgegeben.

    Nur weil Griechenland neu verhandeln will muss der Rest nicht nachziehen und ein verbessertes Angebot vorlegen.

    Es bleibt dabei dass derjenige der Solidarität mit Griechenland verlangt am Besten griechische Staatsanleihen zu solidarischen Konditionen kauft. Aber so weit kommt es dann ja doch nicht, denn beim (eigenen) Geld hören Spaß und Solidarität auf.

  • Zu: "Dass der aktuelle Hilfsplan am 28. Februar ausläuft, ist eine rein politische Entscheidung. Sie war vor der Wahl in Griechenland getroffen worden, um der neuen Regierung die Pistole auf die Brust zu setzen."

    Das stimmt so nicht. Die aktuellen Wahlen in Griechenland fanden nur deshalb jetzt statt, weil am 27. Dezember die Wahl des neuen Staatspräsidenten endgültig gescheitert war. Da war das Auslaufen des Hilfspaket auf den 28. Februar aber längst terminiert.

    • @yohak yohak:

      Samaras und die Nea Dimokratia -ND- haben vergebens gehofft, Draghi und die EZB könnten ihre Regierung noch im letzten Moment, wie die ersehnte Kavallerie im Western, vor der drohenden Wahlniederlage retten. Syriza hat die Wahl gewonnen. Die Nea Dimokratia und Antonis Samaras persönlich sind die großen Verlierer , und – was schlimmer ist – keine würdigen Verlierer. Das wird für die Partei fatale Folgen haben, in jedem Fall aber für Samaras, dessen Tage als ND-Vorsitzender gezählt sind. Zu Recht! Es ist empörend, wie systematisch Samaras und seine Partei in ihrem Wahlkampf auf fremdenfeindliche bis rassistische Reflexe der griechischen Gesellschaft setzen, was leider dazu geführt hat, dass sich die rechtspopulistische Anel-Partei bei über 3 Prozent stabilisiert hat . Mit der Abwahl der kurrupten Parteien wurde auch die merkelsche deutsche Außenpolitik abgewählt. Ich hoffe für Spanien auf ähnliche Ergebnisse.

      • @Willi:

        Ja Ja, gleiche alte Schmarrn. Merkel ist Schuld an allem.

         

        Wo liegt der Unterschied zwischen die Linksradikale und Rechtsradikalen Griechen? Es gibt keine.

         

        Soviel zu Deine "gute Radikalen".

        • @anton philips:

          Warum so unsachlich? Sinn entleerter Beitrag, den Sie hier von sich geben.