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Kommentar Comic-Streit Uni EssenFeige Universität

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die kleine Graphic-Novel-Ausstellung nicht wieder zeigen zu wollen, ist ein skandalöser Akt der Selbstzensur. Er bedient antimuslimische Reflexe.

Leerer Hörsaal: Der wissenschaftliche Diskurs sollte gegensätzlich Standpunkte aushalten – sollte. Bild: NickDaVinci/photocase.com

D er überstürzte Abbruch einer kleinen Comic-Ausstellung an der Universität Duisburg-Essen hat eine überfällige Diskussion ausgelöst. Doch sie wird falsch geführt – und daran hat die Ruhrgebietshochschule ihren gehörigen Anteil. Durch ihr Lavieren hat sie zu einer fatalen Verkürzung der Debatte beigetragen. Denn es geht hier um mehr als um die Frage eines angemessenen Umgangs mit der vermeintlichen Verletzung religiöser Gefühle von Muslimen.

Es entspräche dem Wesen des wissenschaftlichen Diskurses, auch gegensätzliche Standpunkte auszuhalten, bekundet Uni-Rektor Radtke. Richtig, so sollte es sein. An der Uni Duisburg-Essen sieht die Praxis leider anders aus. Dass die Uni auf den handfesten Protest einer Doktorandin mit der vorzeitigen Beendigung der Ausstellung reagiert hat, mag einer Panikreaktion geschuldet gewesen sein, so etwas kommt vor. Aber diese Überreaktion hätte sich schnell korrigieren lassen. Die kleine Schau nicht wieder zeigen zu wollen, ist jedoch ein skandalöser Akt der Selbstzensur.

Geradezu aberwitzig ist es, dass die Uni nach eigenem Bekunden Islamwissenschaftler mit einer Überprüfung der beiden angegriffenen Plakate mit Motiven aus Craig Thompsons „Habibi“ und Rutu Modans „Exit Wounds“ beauftragt hat.

Anja Krüger
Pascal Beucker

ist NRW-Korrespondent der taz.

Ein solches Vorgehen impliziert, es könne eine inhaltliche Rechtfertigung für die Zensur geben. Damit erreicht die Hochschule genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigt: Sie bedient antimuslimische Reflexe.

Wer sich die betroffene Zeichnung von Rutu Modan anschaut, der erkennt unschwer: Hier wurden keine religiösen Gefühle verletzt, Religion ist gar nicht das Thema. Stattdessen legt das Verhalten der Studentin nahe, dass antiisraelische, wenn nicht antisemitische Motive sie antrieben. Vor dieser Auseinandersetzung scheut die Hochschule zurück.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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18 Kommentare

 / 
  • VL
    vergessene Liebe

    Hmmm? Ich mag das benutzte religiöse Vokabular nicht leiden ! Es passt nicht !

    Es erscheint, als ob die SÄKULÄR- AUFKLÄRERISCHE Haltung der Uni- ESSEN, die da jeglicher religiöser Darstellung (ob christlich-jüdisch-muslimisch..etc)

    übergeordnet sein `MUSS´ ...(im Sinne der FDGO !)

    irgendwie religiös `unterwandert´ wurde !!!

  • V
    vera

    Ganz ehrlich, die Muslims müssen Toleranz lernen. Bei dem Mohamedfilm auf youtube gab es auch rumgedrohe und geheule..

     

    Und trotzdem ist der Film noch drin.

    Die Gemueter haben sich beruhigt und kein Muslim droht noch groß deswegen rum.

     

    Das zeigt doch dass diese Kuschelpaedagogik beim Islam nichts bringt!

  • AA
    @ Andreas Urstadt

    @ Andreas Urstadt:

    Die Frauen die den Hexenverbrennungen zum Opfer fielen, waren in echt gar keine Hexen. Ich hoffe das bringt Ihr Weltbild nicht ins Wanken.

  • EW
    Ein wirklich dummer Kommentar!

    1.

    "Zensur" stimmt hier nicht:

    Die Universität hat die Ausstellung aus Sicherheitsgründen frühzeitig eingestellt. Gleichzeitig hat sie eine interne Debatte gestartet, wie mit dem Zensurversuch seitens der eigenmächtig handelnden Studentin/Vandalin umzugehen sei. Nachdem die Gremien der Mitbestimmung an der Uni entschieden hatten, wurde diese bei der Polizei für ihre gegen Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gerichtete Sachbeschädigungs-Aktion und das Unterschlagen der beiden Plakate angezeigt. Die Uni hat die Ausstellung damit verteidigt.

     

    2.

    Dass die Universität nun Islamwissenschaftler bittet, sich ebenfalls mit der - eigentlich literaturwissenschaftlich geprägten - Ausstellung auseinanderzusetzen trägt zur unaufgeregten, wissenschaftlichen und versachlichenden Diskussion des Themas bei. Das ist keine Zensur. Das ist im Gegenteil ein Zeichen, dass man sich die Thematik und die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Studienanfängern mit Schere in der Hand "wegnehmen" lässt. Das ist nicht feige, sondern entspricht dem gesellschaftlichen Auftrag einer Universität.

     

    3.

    Sich anzumaßen, als Kommentator diktatorisch entscheiden zu können, ob irgendjemandes religiöse Gefühle verletzt worden seien oder nicht, ist ethisch zumindest fragwürdig, menschlich arrogant, und schlicht und einfach saudumm.

     

    4.

    Sich überhaupt darauf einzulassen, es könne irgendwie relevant für ein Stattfinden oder nicht Nichtstattfinden einer solchen Ausstellung sein, ob sich irgendwelche dahergelaufenen Religösen dadurch in ihrem Empfinden verletzt finden oder auch nicht, ist mindestens ebenso dumm. Denn religiöse Gefühlsduselei sollt eben kein Kriterium für wissenschaftliche Untersuchungen sein, die freiwillig geführt werden, und auch kein Kriterium für deren Veröffentlichung.

     

    Fazit:

    Hier wird künstlich etwas aufgebauscht, was einfach nichts zur Sache tut; darüberhinaus wird der Eindruck erweckt, es sei die Aufgabe von (Islam-)Wissenschaftlern, Zumutbarkeitsprüfungen vorzunehmen, und die Uni knicke damit ein, dabei ist dies weder der Fall (sie hat im Gegenteil Strafanzeige gestellt), noch ist an einer zusätzlichen Beleuchtung der Comics auch aus islamwissenschaftlicher Perspektive irgendetwas auszusetzen: Auch das gehört zur Wissenschaftsfreiheit der Universität.

     

    Also, was soll dieser Diskreditierungsversuch?

  • BB
    Butter bei die Fische

    Was war nun der Anlass dieser Austellung?

     

    "Gezeigt wurden Plakate, auf denen Studierende eines Anglistikseminars anhand ausgewählter Sequenzen Erzähltechniken und Inhalte von zwölf Graphic Novels erläuterten." (Pascal Beucker, "Uni zeigt Studentin an", www.taz.de/!119656)

     

    Aha. Und was wurde da so gezeigt?

     

    Z. B. "[Ein] Poster, auf dem neben einer Vergewaltigungsszene das Wort „Allah“ in arabischer Kalligrafie montiert war" (ebenda)

     

    Ach so. Und das verletzt natürlich niemanden in seiner oder ihrer religiösen Weltanschauung?

     

    Mal abgesehen davon, dass die jungen indischen Männer, die gerade in aller Öffentlichkeit Gruppenvergewaltigungen an dem Aussehen nach emanzipierten und an westlichem Lebensstandard orientierten Frauen verüben, Hindu sind und keine Moslems, abgesehen davon, dass z.B. Herr Mosche Katzav, israelischer Ex-Präsident, vor zwei Jahren wegen mehrfacher sexueller Nötigung und Vergewaltigung zu sieben Jahren Haft verurteilt, ganz sicher kein Moslem sondern Jude ist, abgesehen davon, dass wir wissen, welchen Umgang die katholische Kirche mit Frauen so pflegt, mal abgesehen von alledem, was wollen uns die Veranstalter mit so einem Motiv suggerieren? Und was würden wir im "zivilisierten Westen" sagen, wenn irgendwo in einem islamischen Land eine "Comic-Ausstellung" mit einem Vergewaltigungsplakat und dem lateinischen "INRI" oder einem hakennasigen, finster dreinblickenden Schurken mit Krummdolch, von dem noch das Blut tropft, und dem hebräischen Wort für "Jude" aufmachen würde? Würden wir dann, wenn ein einzelner Christ oder Jude herginge und das Plakat eigenmächtig abhängen würde, würden wir da auch lauthals empört nach der "Freiheit der Kunst" und der "Freiheit von Wort, Schrift und Bild" rufen?

     

    Ich äußere mich hier nicht über den Künstler, denn dieses Motiv ist im Rahmen einer über 650 Seiten langen Erzählung erschienen. Aus dem Kontext herausgelöst und als Einzelbild präsentiert wurde es von den Organisatoren dieser Ausstellung. Und darf man schon mal nach der Absicht fragen, bzw. die Harmlosigkeit derselben in Zweifel ziehen.

  • V
    Vermutung

    Ich vermute, dass die Uni Angst vor der Presse hatte.

     

    Gerade Qualitätsjournalisten erklären uns andauernd, dass alle Menschen auf dem Planeten Rücksicht auf die Moslems nehmen müssen.

     

    Ich hab schon ne Menge solcher Artikel gelesen, auch hier in der taz.

  • R
    Rosa

    Die Universität Duisburg-Essen hat einen schweren und unverzeihlichen Fehler gemacht:

     

    Die Darstellung von friedensdemonstrierenden Juden ist natürlich in höchstem Maße geeignet,

    antisemitische Gefühle bei Moslems hervorzurufen.

     

    Hier wurde massiv der Grundsatz des vorrauseilendem Gehorsams verletzt, der doch seit dem Karikaturenstreit in Form der Selbstzensur Standart sein sollte.

    Die Uni sollte erwägen Daniel Bax als Berater zu konsultieren, um zukünftige Blamagen zu vermeiden.

     

    @ Andreas Urstadt:

     

    "Antisemitismus befeutet nicht antijuedisch, da juedisch die Religion meint. Judentum ist nicht identisch mit Semit sein.":

     

    Abgesehen davon, daß Sie völlig auf dem Holzweg sind,

    wen wollen Sie mit solcher Erbsenzählerei beeindrucken?

     

    "Dieser Begriff wird heute oft als Oberbegriff und Synonym für alle Formen pauschaler Judenfeindlichkeit gebraucht...

     

    Weder „Antisemitismus“ noch andere Begriffe setzten sich in der Forschung als Oberbegriffe für alle Arten von Judenfeindlichkeit durch,

     

    weil sie ebenfalls unscharf definiert und auf bestimmte Aspekte oder Zeitepochen begrenzt waren.

     

    In der Umgangssprache dagegen wurde „Antisemitismus“ seit 1945 laut Nipperdey und Rürup (1975) praktisch gleichbedeutend mit „Judenfeindlichkeit“...

     

    im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich der Begriff Antisemitismus in seinem weitesten Sinne im wesentlichen durchgesetzt." (Wiki).

  • D
    D.J.

    Gut, dass die taz ihren aufklärerischen Impetus zurückgewinnt.

    Im Übrigen geht es mir keinesfalls um eine Bestrafung der Studentin; Rufe nach einer Exmatrikulation halte ich für überrieben. Letztlich ist sie selbst auch Opfer von Gehirnwäsche (Kants Begriff von der "selbstverschuldeten Unmündigkeit" gilt für die Gesellschaft, aber nicht zwingend für den Einzelnen). Mir geht es um das verheerende Zeichen der Uni in der Sache.

     

    @Andreas Urstadt,

     

    der Begriff des Antisemitismus ist tatsächlich kein sonderlich sinnvoller - zumal die Nazis und andere Antisemiten ja den Rassenwahn nicht in der Weise auf die Araber oder andere semitischsprachige Völker ausgedehnt haben. Sinnvoller wäre die Unterscheidung von religiös geprägtem Antijudaismus (Europa der Vormoderne; Islamismus) und rassistischem Antijudaismus (gibt freilich viele Überschneidungen). Aber der Begriff ist in der Welt und das wird sich nicht ändern lassen.

  • H
    Herbert

    Ja, vor der Religion des Friedens und seiner Gläubigen hat wohl hier fast jeder Angst. Warum wohl?

    Oder würde etwa die taz Mut zeigen und Mohmamed-Karikaturen drucken?

  • W
    widerborst

    @10.07.2013 20:06 UHR

    von Andreas Urstadt:

    Back to basics."

     

    Besser is das.

    Bei dem Balken im eigenen Auge aber schwer!

  • CM
    Clemens M.

    Stimme dem Kommentar zu - weder können antisemitisch motivierte Handlungen zu der Schliessung einer Ausstellung fuehren noch sollte - wie es leider viel zu häufig geschieht - die Meinungsfreiheit leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

  • T
    tobias

    @Andreas Urstadt

    Damit dass der Begriff "Semiten" nicht ausschließlich Juden meint haben Sie natürlich recht. Beim Begriff "Antisemitismus" (entstanden als Selbstbezeichnung judenfeindlicher Strömungen) handelt es sich allerdings um eine etymologische Fehlprägung. Anders als der Wortstamm "Semit" vermuten lässt, meint "Antisemitismus" damals wie heute nicht die Feindschaft gegenüber Semiten (ob nun als ethnische Gruppe oder Sprachfamilie), sondern explizit die Feindschaft gegenüber Juden.

    Da der Begriff insofern irreführend ist, kann ich ihre Verwirrung nachvollziehen, doch muss ich Ihnen leider sagen, dass besagter Lehrer vollkommen richtig lag.

  • I
    isomatte

    @Andreas Urstadt:

     

    Das ist genau der Grund warum ich das Wort Antisemitismus konsequent durch Judenhass ersetze.

  • P
    Peter

    @Andreas Urstadt

    Vielleicht haben Sie sich auch zu viel mit dem Thema befasst? Im momentanten Sprachgebrauch ist antisemitisch fast ausnahmslos mit antijüdisch bzw antiisraelisch gleichgesetzt, je nach Kontext.

     

    Wortbedeutung entsteht und verändert sich durch deren Gebrauch, nicht nur durch Wissenschaftler. Z.B. das Wort "Bulle"...

  • AU
    Andreas Urstadt

    Semiten sind die meisten der arabischen Voelker, d h inkl vieler Juden. Antisemitismus befeutet nicht antijuedisch, da juedisch die Religion meint. Judentum ist nicht identisch mit Semit sein. Antisemitismus meint Hass gegen ethnisch-semitische Volksgruppen. Wer das nicht durchschaut, hat sich nie ernsthaft mit der Thematik auseinandergesetzt.

     

    Ich erinnere mich an einen Klassenlehrer, der eine ganze Schulklasse nieder machte, weil keiner von denen wusste, was Antisemitismus ist, er setzte es bei einem Test voraus, der Lehrer wuetete, niemand der Klasse habe den Abschluss verdient. Was der Lehrer hoeren wollte war: Abneigung gegen Juden, Judenhass. Und er lag falsch. Das Bundesland Hessen war offenbar leichtfertig bei der Lehrerzulassung. Der Mann hatte einen knallroten Kopf als er die Klasse runter machte. Es war der letzte Test vor dem Abschluss.

     

    Wer sich aufregt, sollte die Hausaufgaben gemacht haben, auch wenn s gar nicht auf dem Plan stand.

     

    Von den Leserkommentaren bislang hat s auch niemand gemerkt ueber die Tage.

     

    Bei der geringen Auseinandersetzung sollte die Anzeige gegen die Studentin zurueck genommen werden. Es koennte dazu Antisemitismus sein.

     

    Back to basics.

  • F
    FluxFlex

    Was ist das denn für ein Reflex? Ich will diese Ausstellung sehen! Online auch.

     

    Die Reaktion ist falsch - mit Verlaub, dämlich.

     

    Und die Studentin? Die denkt, prima. alles richtig gemacht...

     

    Danke Uni - klasse Aktion!

  • US
    udo schuklenk

    wie wahr, die Uni-Leitung scheint sich nichtr voellig im Klaren zu sein darueber, welche Mission Universitaeten ueblicherweise haben. Peinlich!

  • E
    ello

    Wieso feige? Solche Schranzen wie die taz haben doch mitgeholfen eine Stimmung zu schaffen, wo es das Schlimmste ist, daß eine Religiösin (um mal in zeitungseigenen Jargon zu bleiben) bloß nicht in ihren Gefühlen verletzt wird. Das Irre an dem Kommentar ist, daß die antisemitische Tat schon fast in den Hintergrund gedrängt wird.