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Kommentar Anhörung EU-KommissareJunckers Fehlstart

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Das Dreamteam des EU-Kommissionspräsidenten entpuppt sich als Debakel. Die designierte Handelskommissarin verstrickt sich in Widersprüche.

In Widersprüche verstrickt: EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Bild: AP

J ean-Claude Juncker hat sich viel vorgenommen. Effizienter, politischer und transparenter soll die neue EU-Kommission werden. Geheimverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit wie zuletzt beim Freihandel mit Kanada (Ceta) soll es nicht mehr geben, der umstrittene Investorenschutz ISDS soll fallen.

So hat es Juncker bei der Vorstellung seines „Dreamteams“ Anfang September angekündigt. Kaum drei Wochen später hat er sein Versprechen bereits gebrochen. Gleich die erste Anhörung seiner neuen Kommissare geriet zum Debakel. Die designierte neue Handelskommissarin Cecilia Malmström verstrickte sich in haarsträubende Widersprüche.

Erst sprach sie sich gegen ISDS aus, dann änderte sie ihre Meinung, am Ende blieb sie vage. Ceta soll nicht mehr neu verhandelt werden, das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA soll ebenfalls den umstrittenen Investorenschutz enthalten – wenn auch ein wenig softer. Vielleicht, vielleicht nicht. Allein dieser Schlingerkurs ist schon ein schwerer Verstoß gegen Junckers Versprechen. Die Abgeordneten, die Malmström bestätigen sollen, wissen nach der dreistündigen Anhörung immer noch nicht, was die Schwedin eigentlich will. Klar geworden ist eigentlich nur, dass sie keinen Bruch mit der bisherigen Praxis wagt.

Schlimmer noch sind die Details, die während Malmströms Anhörung durchsickerten. Offenbar hat Junckers rechte Hand, sein Spindoktor Martin Selmayr, oder einer seiner Mitarbeiter in Malmströms Dokumenten herumgepfuscht.

Noch bevor sie ihr Amt angetreten hat, ist Malmström schon durch einen undurchsichtigen Hinterzimmer-Deal belastet. Wenn Juncker es ernst meint mit seinen Versprechen, muss er Konsequenzen ziehen. Ansonsten fällt Malmströms Fehlstart auf ihn selbst zurück.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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4 Kommentare

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  • Ich würde mir hier (von der Qualitätspresse allgemein) etwas mehr Klarheit wünschen: Wofür konkret steht Juncker? Was will Frau Malmström jetzt wirklich?

     

    Malmström hat angeblich die Vorstellung, die Investitionsschutz-Zivil"gerichtsbarkeit" dadurch zu entschärfen, dass das Zivilgericht erst nach einem Moratorium von anderthalb Jahren angerufen werden kann; innerhalb dieser Frist sollen die Parteien Gelegenheit haben, sich auf dem "ordentlichen Rechtsweg" zu einigen.

     

    Diese "Entschärfung" verhöhnt jeden denkenden Menschen. Davon abgesehen, dass ein ordentliches Verfahren durch alle Instanzen nicht unter fünf Jahren (in Deutschland jedenfalls) zu haben ist, hat das klagende Unternehmen (z.B. Vattenfall ./. Deutschland in Sachen Atomausstieg) kein Problem, in Erwartung einer Milliardenzahlung auch mal anderthalb Jahre Obstruktion zu betreiben.

     

    An anderer Stelle habe ich gelesen, dass auch Juncker diese "weiße Salbe" für die TTIP-Gegner befürwortet. Lässt sich das klären?

     

    Das Schlimmste ist allerdings, dass die Taktik, die TTIP-Gegner auf die Sondergerichts-Problematik zu reduzieren, offenbar Erfolg hat. Niemand redet mehr von den zahlreichen anderen Scheußlichkeiten des Abkommens, von der "Anpassung" des Verbraucherschutzes bis zur Reduzierung/Beseitigung von Umweltstandards.

     

    Und die Frage nach dem Nutzen des Ganzen wird immer noch mit dahingeschwafelten Worthülsen beantwortet.

  • Zu EU-Kommission , TTIP & CETA

    fällt mir - soweit man Dummheit ausschließen kann - nur noch ein :

    Korruption (Karriere, Geld) , Druck der USA (Erpressung) , neoliberale Ideologie (fundamentalistische) .

    In dieser oder anderer Reihenfolge .

  • Malmström fiel in den letzten Jahren eigentlich nur durch Hinterzimmer-Klüngeleien zum Nachteil der europäischen Bürger sowie ständige Angriffe auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Internets auf. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

     

    Dieses US-Amerikanische Uboot gehört dringend versenkt!

    • @muds0r:

      Cecilia Malmström? Würde ich knallhart ablehnen! Ist als EU-Handelskommissarin nicht geeignet. Wer reine, profitorientierte Konzerninteressen/"marktkonforme" Wirtschaftsinteressen über die Interessen des Allgemeinwohls von über 500 Millionen Menschen in Europa stellt, ist nicht akzeptabel.

       

      Übrigens, ohne den Wohlstand und ohne die Kaufkraft und ohne die Lebenskraft/menschenwürdige Arbeitskraft von Millionen, ja sogar von Milliarden Menschen funktioniert keine Wirtschaft!

       

      Der "Markt" regelt nicht alles und darf ohne Mitbestimmung auch nicht alles regeln. Ohne eine soziale und menschenwürdige Gesellschaft auch kein Markt und kein Handel und somit auch kein "Erwirtschaften", keine Gegenwart und Zukunft für die verschiedenen Generationen mit verschiedenen Bedürfnissen.