Kein Wiederholungsspiel in Düsseldorf: Hertha BSC ist vorerst abgestiegen
Der von Hertha BSC eingelegte Protest gegen das Relegationsspiel in Düsseldorf wurde abgewiesen. Die Berliner ziehen zum Bundesgericht.
BERLIN taz | Das Spiel gilt. Hertha BSC ist mit dem Einspruch gegen die Wertung des 2:2 im Rückspiel der Bundesliga-Relegation bei Fortuna Düsseldorf vor dem Sportgericht des DFB gescheitert. Das von den Berlinern angestrebte Wiederholungsspiel findet demnach nicht satt.
Richter Hans E. Lorenz gestern in der Frankfurter DFB-Zentrale: „Der Einspruch hatte keinen Erfolg, weil kein Einspruchsgrund nachzuweisen war. Der Schiedsrichter hat jederzeit regelkonform gehandelt, und die von Hertha BSC behauptete einseitige Schwächung durch die Unterbrechung konnte nicht belegt werden.“
Das Urteil macht Hertha BSC zum Zweitligisten, Fortuna Düsseldorf steigt in die Erste Liga auf. Ein erstaunlich klares Urteil, ein erstaunlich unabhängiges Urteil, das indes noch nicht rechtskräftig ist. Hertha BSC hat unmittelbar nach der Verkündung Berufung eingelegt. Jetzt muss das DFB-Bundesgericht entscheiden.
In den vergangenen Tagen war viel von Gewalt die Rede, von Fans, die nicht mehr zu zügeln seien. Der DFB und der Ligaverband DFL deuteten an, „neue Wege“ gehen zu wollen, was den Umgang mit den Kurvenanhängern betrifft.
Überhitzte Gewaltdebatte
Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte sich ebenso in die Debatte über gewalttätige Fans eingeschaltet wie Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, die sich eine Abschaffung der Stehplatzbereiche vorstellen kann.
Was auf dem Düsseldorfer Rasen passierte, wurde dargestellt, als stehe die Republik vor einem Bürgerkrieg. Vor dem Hintergrund einer überhitzten Gewaltdebatte hatte das Sportgericht sein Urteil zu fällen. Und Richter Lorenz fand erstaunlich klare Worte.
Vielleicht wird dadurch auch all den Überwachungs- und Repressionsfanatikern in Sport und Politik klar, was eigentlich passiert ist in Düsseldorf an jenem Dienstagabend, an dem 1.500 Zuschauer auf den Platz liefen, um ihre Mannschaft zu feiern. Lorenz meinte, dass die Fans das Spielfeld „nicht mit der Absicht, Gewalt auszuüben", sondern beim "Ausleben ihres Glücksgefühls“ gestürmt hätten.
Wie peinlich wirkt bei diesen Worten, was Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann noch kurz vor dem Urteilsspruch gesagt hatte. Der CDU-Hardliner meint, friedliche Fußballspiele seien nur mit massiver Polizeipräsenz in den Kurven zu erreichen.
Umfeld des Relegationswahnsinns
Die Argumente der Berliner, nach denen sich die Hertha-Spieler in den eineinhalb Minuten der auf den Platzsturm folgenden Nachspielzeit nicht sicher gefühlt hätten, ließ Lorenz nicht gelten: „Es ist kein Berliner Spieler von den Düsseldorfer Fans angegriffen, verletzt oder ausgewechselt worden. Wäre das der Fall gewesen, wäre dem Protest stattgegeben worden.“
In Berlin muss auch nach einer Entscheidung des DFB-Bundesgerichts auf jeden Fall weitergekämpft werden, unabhängig davon, wie das Urteil ausfällt. Es geht um den Ruf des Klubs. Dabei stehen Fans, Klubführung und Spieler in der Verantwortung. Die Fans, weil sie für die hässlichsten Szenen im Umfeld des Relegationswahnsinns gesorgt hatten.
Die bengalischen Fackeln, die lange vor dem Ende der Partie aus dem Berliner Block auf den Rasen geworfen worden waren, und der zertrümmerte Fanzug, der am Tag nach dem Spiel per Notbremse in Spandau angehalten wurde, lassen einen Teil der Hertha-Anhänger in einem üblen Licht erscheinen.
Dann ist da die Klubführung, die sich auf das Spiel des Rechtsanwalts Christoph Schickhardt eingelassen hat, der mit den Worten „Todesangst“ und „Blutbad“ ein Bild von Fußball gezeichnet hat, das mit der Realität nur wenig zu tun hat. Zudem hat der Klub viel zu spät auf die Entgleisungen der Spieler reagiert, die Schiedsrichter Wolfgang Stark nach dem Spiel massiv bedroht, beschimpft und sogar geschlagen hatten.
„Komplett versagt“
Ohne die beschuldigten Profis hat Hertha am Wochenende trainiert. 14 Spieler waren zum Training erschienen. Die spielten sich ein paar Bälle zu und verließen nach etwas mehr als einer halben Stunde den Trainingsplatz wieder. In Düsseldorf, wo man sich allein durch den Widerspruch der Berliner gegen die Spielwertung schon ungerecht behandelt fühlte, muss man sich, auch dass stellte Richter Lorenz klar, an die Professionalisierung des Umfelds machen.
Die Ordner hätten „komplett versagt“. „Wenn man in die Bundesliga aufsteigt, muss auch der Ordnungsdienst bundesligatauglich sei“, so Jäger. „Da werden Strafen auf den Verein zukommen.“ Man wird noch einiges hören von der Bundesliga-Relegation 2012.
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