Grünen-Politikerin über das Bamf: „Das Skandal-Gerufe war groß“
Die Grünen fordern ein Qualitätsmanagement für das Bamf. Nur so könne man rechtsstaatliche Verfahren garantieren, sagt Luise Amtsberg.
taz: Frau Amtsberg, am Freitag diskutiert der Bundestag über einen Antrag der Grünen, ein umfassendes Qualitätsmanagement beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu implementieren. Ist das Ihre Reaktion auf den sogenannten Bamf-Skandal vom Frühling?
Luise Amtsberg: Naja. Ich wundere mich, dass wir die ersten sind, die mit einem solchen Antrag kommen. Immerhin war im April das Skandal-Gerufe groß, FDP und AfD haben einen Untersuchungsausschuss gefordert und seitens des Innenministeriums wurde die Angelegenheit als „hochkriminell, kollusiv und bandenmäßig“ eingeordnet. Und jetzt – herrscht Ruhe. Keine Vorschläge der Regierung oder von FDP oder AfD. Wir Grüne hingegen beschäftigen uns schon seit Jahren mit dem Bamf und fordern Reformen zur Qualitätsverbesserung. Dieser Antrag fasst zusammen, wo es aus unserer Sicht hakt.
Vieles in Ihrem Antrag liest sich ziemlich selbstverständlich für die Arbeit einer Behörde – so sollen Mitarbeiter*innen etwa qualifizierte Ausbildungen und regelmäßige Fortbildungen erhalten. Wozu braucht es Ihren Antrag?
Ja, so sollten die Dinge laufen – aber es ist leider nicht lückenlos so. Aber nur auf diese Weise kann ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert werden. Die Entscheider müssen mit dem Befragungswesen genau so vertraut sein wie mit der Lage in den Herkunftsstaaten. Wir finden gut, dass der jetzige Bamf-Chef dafür sorgt, dass Anhörer und Entscheider wieder ein und dieselbe Person sind. Das ist ein sinnvoller und in der Praxis bewährter Umgang.
Ist das nicht auch kritisch? Angenommen, die anhörende Person hat irgendwelche Vorbehalte gegen einen Schutzsuchenden, wer kontrolliert das?
Das Vieraugenprinzip, also eine weitere Person, die die Entscheidung überprüft, bleibt natürlich erhalten. Dieses Prinzip gehört zu einer selbstkritischen Behörde unbedingt dazu.
34 Jahre, ist flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.
Steckt denn auch etwas Neues in Ihrem Antrag?
Vieles. Wir fordern zum Beispiel eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung. Asylbewerber*innen müssen wissen, wie das Asylverfahren abläuft und worauf es in der Anhörung ankommt. Viele haben Probleme, über ihre Erlebnisse und Traumata zu sprechen und wissen nicht, dass diese Erlebnisse für die Anhörung hochrelevant sind. Sie müssen gut vorbereitet sein, im Übrigen auch, damit Unregelmäßigkeiten durch Bamf-Mitarbeiter*innen durch die Betroffenen selbst erkannt und angezeigt werden können.
Eine unabhängige und flächendeckende Asylverfahrensberatung ist auch Teil des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD.
Ja. Gesehen haben wir davon aber noch nichts. In den Ankerzentren in Bayern übernehmen Bamf-Mitarbeiter*innen die Beratung. Wir Grüne sagen aber: Das darf keine staatliche Institution machen. Das muss jemand sein, der in erster Linie die Interessen der Schutzsuchenden im Blick hat. und der nicht befangen ist. Da ist das Bamf naturgegebener Weise zu befangen.
Sie wollen, dass neben positiven auch negative Asylbescheide stichprobenartig überprüft werden. Wie groß ist denn das Problem mit fälschlich negativen Bescheiden?
Wir sehen ja, wie viele Entscheidungen von den Verwaltungsgerichten kassiert werden. Das sind mitunter deutlich über ein Viertel der Fälle insgesamt, bei Syrern und Afghanen sogar über 60 Prozent – eine erschreckende Zahl. Diese Quote liegt weit über dem, was in anderen Verwaltungsangelegenheiten üblich sein dürfte und wiegt umso schwerer, als es sich hier um Fragen eines Grundrechts dreht. Von der unnötigen Belastung der Gerichte ganz zu schweigen. Aber das Bamf und die Union meinen, genau dafür seien die Gerichte ja da. Ich bin jedoch der Auffassung, dass es im Eigeninteresse einer Behörde liegen müsste, eventuelle Muster zu erkennen, die zu einer solchen Fülle von Falschentscheidungen führen, um sie abzustellen.
Und wie könnte man diese Muster erkennen?
Wir schlagen vor, diese und weitere Fragen durch eine unabhängige Expert*innen-Kommission bearbeiten zu lassen, bestehend aus Wissenschaftler*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen, Anwälte*innen, Richter*innen, Dolmetscher*innen und NGOs.
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