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Gewalt in NicaraguaPriester und Journalisten angegriffen

Die Unruhen in Nicaragua weiten sich aus. Hunderte Regierungsanhänger drangen in die Basilika in Diriamba ein und verprügelten Geistliche und Reporter.

Der Weihbischof von Managua, Silvio Báez (2. v.r.), bei seiner Ankunft in Diriamba Foto: reuters

Diriamba dpa | Mutmaßliche Anhänger der Regierung von Präsident Daniel Ortega haben in Nicaragua Geistliche und Journalisten angegriffen. Die Täter drangen am Montag in die Basilika in Diriamba und schlugen auf ihre Opfer ein, wie der Fernsehsender Canal 15 berichtete. Der Weihbischof von Managua, Silvio Báez, und ein Reporter des Senders wurden dabei verletzt. „Was wir Bischöfe erlitten haben, ist aber nichts verglichen mit dem, was das Volk von Nicaragua in den vergangenen Tagen erlitten hat“, sagte Báez.

Zuvor waren der Apostolische Nuntius in Nicaragua, Waldemar Sommertag, Kardinal Leopoldo Brenes und weitere Bischöfe nach Diriamba gereist, um sich ein Bild von den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten, Sicherheitskräften und regierungsnahen Schlägertrupps zu machen.

Bei den heftigen Tumulten wurden mehreren Journalisten zudem ihre Kameras und Telefone weggenommen. „Es gibt keine Worte, um das zu beschreiben. Sie haben keinen Respekt vor unseren Bischöfen und bestehlen Journalisten“, sagte der Leiter der Menschenrechtsorganisation ANPDH, Álvaro Leiva. Auch in der Stadt Jinotepe griffen Regierungsanhänger eine Kirche an und warfen Büromaterial und Kirchenbänke auf die Straße.

„Die Regierung hat mit ihrer Unterdrückung alle Grenzen des Vorstellbaren überschritten. Das sind Kriminelle“, sagte Azáhalea Solís von der Oppositionsbewegung Alianza Cívica. Die Regionalchefin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Erika Guevara-Rosas, verurteilte den Angriff auf die Priester und Journalisten.

Neuwahlen abgelehnt

Der Konflikt zwischen der Regierung und der Opposition in dem mittelamerikanischen Land eskaliert immer weiter. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten, Sicherheitskräften und bewaffneten Regierungsanhängern kamen am Sonntag mindestens zwölf Menschen ums Leben. Unter den Opfern waren auch zwei Polizisten. „Heiliger Gott. So viel Tod, so viel Schmerz. Stoppt diese Barbarei“, schrieb der Bischof von Matagalpa, Rolando Alvarez, auf Twitter.

Vorgezogene Neuwahlen, wie von der Opposition gefordert, lehnt Präsident Ortega ab. „Wir können die Regeln nicht von einem Tag auf den anderen ändern, weil es einer Gruppe von Putschisten gerade so einfällt“, sagte Ortega zuletzt vor Anhängern. Der Dialog zur Beilegung des Konflikt dürfte damit vorerst beendet sein.

Die jüngsten Proteste gegen die Regierung hatten sich im April an einer geplanten Sozialreform entzündet. Mittlerweile fordern die Demonstranten allerdings den Rücktritt von Ortega, ein Ende der Gewalt und eine freie Presse. Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften, regierungsnahen Paramilitärs und Regierungsgegnern kamen nach Angaben von Menschenrechtlern bereits mehr als 300 Menschen ums Leben. Die Regierung spricht von 47 Toten.

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10 Kommentare

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  • www.telesurtv.net/...20180710-0025.html

    eine andere Version der Vorkomnisse

    • 8G
      81622 (Profil gelöscht)
      @Henning Lilge:

      Telesur muss notgedrungen den Aufstand gegen die Diktatur Ortegas, samt seinem mafiösen Clan, diffamieren, um weiter Geld von Maduro zu bekommen. Aber glaub mir, Ortegas Zeit ist abgelaufen. Es hängt an ihm und seiner "Präsidenten-Gattin", ob er selber abtritt oder abgetreten wird.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @81622 (Profil gelöscht):

        "abgetreten wird" das klingt so übel á la Ceaușescu, vielleicht reicht ja schon ein wenig mehr Druck und er tritt zurück.

  • Es ist doch zum verzweifeln, dass sich jedes hoffnungsfrohe linke staatsprojekt in eine Diktatur wandelt und sich nicht scheut, die Bürger umzubringen und sich die eigenen Taschen voll zu machen. Die demokratische Freiheit scheint nur in kapitalistischen Staaten zu funktionieren. Wie kann das sein, welche Hoffnung gibt es da noch für linke Projekte?

  • Ehemalige DDR-Bürger erinnern sich bestimmt noch an den damaligen Vorzeige-Kommunisten Daniel Ortega und die Solidaritätsaufrufe in den DDR-Medien: „Hoch-die-internationale-Solidarität!“. Welch glänzende Zukunft wurde dem „Zweiten sozialistischen Staat in Amerika“ vorhergesagt! Doch das Wunder blieb aus. Geblieben ist die Diktatur.



    Ähnlich lief und läuft es in Ländern, wie Angola, Moçambique, … und derzeit vor allem in Venezuela. Wenn das Volk erkannt hat, dass die Blütenträume endgültig geplatzt sind und dass es Zeit wird, sich von den ehemaligen „Befreiern“ zu befreien, wird das hässliche Gesicht der Diktatur sichtbar.



    Dies zur Kenntnis all jenen, die trotz vielfacher Gegenbeweise immer noch die Lösung aller Menschheitsprobleme im Sozialismus / Kommunismus sehen wollen!

    • 8G
      81622 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Mit Sozialismus hatte das Regime Ortegas schon lange nichts mehr zu tun, im Ggegenteil: die 10 jährige Allianz mit Unternehmertum, den USA und der Kirche, ist eher als neoliberal zu bezeichnen. Dass sich der Familien-Clan Ortega und seine Paramilitärs nun zur blutigen Diktatur entwickelt hat, die im wahrsten Sinen des Wortes über die Leichen der unabhängigen studentischen und bäuerlichen Basisbewegung gehen, hat so niemand für möglich gehalten.



      Die Linke Lateinamerikas und auch Europas muss sich klar gegen Ortega positionieren und ihn isolieren, sonst machen die, die die Revolution 1979 untestützt haben, sich mitschuldig.

      • @81622 (Profil gelöscht):

        „Mit Sozialismus hatte das Regime Ortegas schon lange nichts mehr zu tun, im Gegenteil: . . .“



        Richtig. Allerdings wäre es ein Irrtum, den Fall Nicaragua als eine Art „Betriebsunfall“ zu betrachten. Seit 1917 wurden in über der Hälfte aller Staaten alle möglichen Sozialismus-/Kommunismus-Varianten ausprobiert, fast alle sind krachend gescheitert.



        Die ehemaligen Machthaber wollten aber trotzdem nicht abtreten, sondern hielten sich als Diktatoren weiter an der Macht. Beispielsweise in fast alle ehemaligen Sowjetrepubliken (Belarus, Kasachstan, Aserbaidschan, …). Nikaragua und Venezuela sind nur die neuesten Beispiele.



        Auch China, das neuerdings erfolgreichste der verbliebenen kommunistischen Länder, erreicht seinen Erfolg nur mit neoliberalen Rezepten: In einer „kommunistischen“ Verpackung steckt ein knallharter kapitalistischer Kern. Vom gehabten „Kommunismus“ sind nur die Allmacht des Staatsapparates und seiner Sicherheitsorgane, sowie die weitgehende Unterdrückung jeglicher Opposition geblieben.



        Es spricht viel dafür, dass auch künftige Sozialismus-/Kommunismus-Experimente scheitern werden. Danach wird jeweils eine Diktatur folgen; häufig mit demselben Führungspersonal!

      • 2G
        2730 (Profil gelöscht)
        @81622 (Profil gelöscht):

        Du wiederholst auch nichts anderes als die immer wieder gern mühlengebetete Parole: "Der Sozialismus ist die beste Gesellschaftsform, die es gibt! Falls sie mal nicht so gut sein sollte, ist es kein Sozialismus!" I c h nenne so etwas einfacher: Nämlich Zirkelschluss.

        Es liegt vielleicht einfach im Wesen des Menschen, dass er, sobald er die Möglichkeit bekommt, Macht und Güter an sich rafft - es könnten ja mal schlechte Zeiten kommen.



        Schau sie Dir an: Ob Ulbrich, Mielke oder Honecker, ob Stalin, Castro oder Ortega - angefangen haben sie alle mal als Idealisten. Aber wehe, sie kommen an die Macht...

        • 8G
          81622 (Profil gelöscht)
          @2730 (Profil gelöscht):

          "Der Sozialismus ist die beste Gesellschaftsform, die es gibt! "...hast du gesagt, nicht ich...lies etwas genauer und versuch das Gelesene zu verstehen und nicht zu fantasieren.

        • @2730 (Profil gelöscht):

          Zwischen diesen gibt es aber auch noch gewaltige Unterschiede.



          Castro würde ich eher in einer Konkurrenz zu dem von ihm gestürzten Batista sehen. Außerdem würde ich ein Leben als kubanischer Staatsbürger dem eines mexikanischen Staatsbürgers vorziehen.