Gema-Sprecher über Fête de la Musique: „Uns sind da die Hände gebunden“
Die Berliner Fête de la Musique sieht wegen erhöhter Gema-Forderungen ihr Bestehen gefährdet. Das kann nicht sein, sagt Gema-Sprecher Franco Walther.
taz: Herr Walther, die Macher der Fête de la Musique sprechen von einem drohenden Aus dieser Veranstaltung, und zwar aufgrund von Tarifstreitigkeiten mit der Gema. Da fragen sich nicht wenige: Kann die Gema bei einer so guten Sache wie der Fête de la Musique nicht mal fünf gerade sein lassen?
Franco Walther: Ja, das wird gerne vorgeschlagen. Aber uns sind da gesetzlich die Hände gebunden. Wir dürfen das nicht. Eine lizenzpflichtige Veranstaltung ist eine lizenzpflichtige Veranstaltung. Außerdem verwalten wir die Rechte unserer Mitglieder treuhänderisch. Selbst wenn wir wollten, könnten wir so eine Veranstaltung nicht einfach freistellen.
Bei dem Streit zwischen der Gema und der Fête de la Musique geht es auch um Begrifflichkeiten, die wiederum die Höhe der Tarife bestimmen. Nach Ansicht der Gema soll die Fête de la Musique als Musikfestival deklariert werden und nicht als Stadtfest, was die Fête de la Musique billiger kommen würde. Warum kann man der Fête de la Musique da nicht entgegenkommen?
Weil sie einfach kein Stadtfest ist.
Aber es ging doch schon einmal. Nach der Tarifreform der Gema wurde die Fête de la Musique 2013 als Stadtfest eingestuft, warum jetzt nicht mehr?
Das wurde einmal für das Jahr 2013 gemacht, richtig. Danach ist die Veranstaltung noch einmal überprüft worden und es wurde festgestellt, dass die Einteilung als Stadtfest nicht korrekt war. Das war ein Fehler von uns. Wer einmal auf der Fête de la Musique war, der stellt fest, dass es sich eindeutig nicht um ein Stadtfest handelt.
Es heißt, eine Gema-Mitarbeiterin habe der Fête-de-la-Musique-Chefin Simone Hofmann telefonisch zugesichert, auch 2014 würde tariflich alles so weiterlaufen wie im Jahr davor. Frau Hofmann beschwert sich nun, dass dem kurzfristig dann doch nicht so war. Was sagen Sie dazu?
geboren 1976, studierte Wirtschaftswissenschaften und ist Pressesprecher der Gema in München.
Diese Information war falsch. Das hätte nicht passieren dürfen. Wir betreuen hunderttausende Veranstaltungen jährlich und bei dieser Menge passieren leider auch mal Fehler, das ist nur menschlich. Für den faux pas bitten wir nochmals um Entschuldigung.
Lange Zeit lief es gut zwischen der Gema, die in Deutschland die Urheberrechte bei der Aufführung von Musik schützt, und der Fête de la Musique, bei der jedes Jahr in mehreren deutschen Städten immer am 21. Juni auf zig Bühnen Bands und Musiker aller Art auftreten. In Berlin fand die Fête in diesem Jahr bereits zum 20. Mal statt. Die Veranstaltung ist nicht kommerziell orientiert und wird aus öffentlichen Geldern finanziert. Budgetierungspläne für die Fête werden dabei bereits Jahre vorab erstellt. Mit der Gema hat sich die Fête dabei auf eine Pauschale geeinigt. Egal, ob wegen Dauerregens nur 20.000 Besucher kamen oder bei strahlendem Wetter 100.000, fällig wurde bis 2012 immer der „Lizenz-Nutzungs-Gesamtbetrag“ von etwas über 6.000 Euro in Berlin.
Dann kündigte die Gema für 2013 ihre Tarifreform an, gegen die bereits die Berliner Clubbetreiber auf die Barrikaden gingen, weil sie eine beträchtliche Erhöhung der Gema-Gebühren befürchteten. Für die Fête de la Musique änderte sich durch die Reform erst mal nicht so viel. Sie wurde nach dem neuen Gebührenmodell als „Stadtfest“ eingestuft. Kurzfristig wurde in diesem Jahr der Veranstalterin der Fête de la Musique, Simone Hofmann, nun aber seitens der Gema mitgeteilt, dass die Fête eine neue Einstufung bekomme. Man betrachte sie nun nicht mehr als Stadtfest, sondern als Konzert. Dadurch steigen allerdings die Gema-Gebühren für die Fête de la Musique in Berlin um mindestens 4.000 Euro jährlich. Hofmann baut nun darauf, dass sie die – auch bereits dieses Jahr entstandene – Finanzierungslücke auf die Schnelle mit zusätzlichen Lottogeldern füllen kann. Am 24. September wird über den Mehrkostenantrag bei der Lotto-Stiftung entschieden. Klappt es damit nicht, sagt Simone Hofmann, werde dies das Ende der Fête de la Musique bedeuten.
Können Sie Frau Hofmanns Ärger denn wenigstens ein bisschen verstehen?
Natürlich. Allerdings können wir die Gema-Vergütung nicht einfach nur schätzen. Das Problem von Frau Hofmann ist jedoch, dass sie gegenüber den öffentlichen Geldgebern auf Jahre im voraus die Kosten ihrer Veranstaltung schätzen muss. Und dazu muss man sagen, dass es eigentlich nicht üblich ist, eine professionelle Veranstaltung von dieser Größe derart knapp zu bemessen. Es ist ja nicht so, dass nur die Gema-Vergütung steigen könnte, sondern auch neue Auflagen der Stadt zu erfüllen sein könnten, die höhere Kosten verursachen.
So oder so – ein Ende der Fête de la Musique wäre rein imagemäßig für die Gema ein GAU. Da kann sie noch so viel argumentieren, dass sie eigentlich im Recht ist.
Wir sind weiter im Gespräch mit Frau Hofmann. Aber wir können keine Gesetze brechen. Es gibt jedoch bestimmt noch Möglichkeiten, wie wir anders auf Frau Hofmann zukommen können. Ich denke, irgendeine Regelung lässt sich hier finden.
Aber lassen Sie mich zum Schluss doch bitte noch eine Sache sagen: Gehen wir davon aus, es bleibt bei einer Gema-Erhöhung von ca. 4.000 Euro im Jahr 2015 für die Fête de la Musique. Das sollte man richtig einordnen. Wenn man bedenkt, was bei der Fête de la Musique allein an Equipment an den jeweiligen Veranstaltungsorten gebraucht wird, da will auch niemand auf sein Geld für beispielsweise Equipment-Miete verzichten. Warum also sollen ausgerechnet die Autoren auf ihr Geld verzichten? Das leuchtet mir als Gema- Sprecher und auch persönlich nicht ein. Außerdem stellt sich mir die Frage: Wenn eine Veranstaltung wie die Fête de la Musique womöglich eine sechsstellige Summe kostet, muss sie dann wirklich wegen 4.000 Euro Mehrkosten scheitern?
Waren Sie denn selbst mal auf der Fête de la Musique?
Ja, in Berlin.
Und wie fanden Sie es?
Das ist eine schöne Sache, die wir als Gema sehr gut finden und gern unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren