Fernsehautor Menge gestorben: Die Seele, nicht das Gewissen
Böser, bissiger, intelligenter Humor: Der verstorbene Fernsehautor Wolfgang Menge zeigte den Deutschen ihr künftiges Selbst.
„Rechne doch mal aus, wie viel der Bau der Mauer pro Meter gekostet hat“. Die Instandhaltung, die Tretminen, das Hundefutter. „Von dem Geld hätte man aus der ganzen Zone eine Autobahn machen können.“
Es gab eine Zeit, da war der Name „Wolfgang Menge“ ein Begriff. Die Serie „Ein Herz und eine Seele“ rumpelte montagabends durch die ARD und am nächsten Tag sprach man darüber. Über die Ungeheuerlichkeiten, die dort ausgesprochen wurden, über das Familienoberhaupt Alfred, der ein rechtes Ekel war, und über den armen Schwiegersohn, der stets wie ein Depp vorgeführt wurde. Was da lief, war nicht pc, aber das Wort gab es auch noch nicht.
Also arbeitete man sich ab, am Ekel Alfred, das immer etwas weiter zu gehen schien, als der gemeine Bürger es sich traute. Und der doch so vielen aus der Seele sprach. Wolfgang Menge, der Autor, der Alfred die bösen Worte in den Mund legte und mit der Restfamilie das Gewissen der Nation zur Verteidigung der gesellschaftlichen Werte ins Gefecht schickte, war zu der Zeit immer wieder für Schlagzeilen gut.
Aber auch dafür, die Talksendung „III nach neun“ zu moderieren, ein Format, das damals eine Herausforderung für einen Moderator sein konnte. Zu Beginn seiner Karriere hatte Menge als Drehbuchautor unter anderem den Edgar-Wallace-Film „Der grüne Bogenschütze“ geschrieben und das „Stahlnetz“ gespannt, dessen Ausstrahlung die Deutschen vor dem Fernseher bannte. In den frühen 70er Jahren hatte er für den „Tatort“ die Figur des Kommissars Kressin geschaffen, eines smarten Zollfahnders, der sich nach heutigem Verständnis äußerst cool durch seine Fälle bewegte.
Moral, für einen Koffer voller Geld verhökert
Außerdem schrieb Menge Drehbücher zu Spielfilmen, die Umweltverschmutzung thematisierten, und nahm 1970 mit dem „Millionenspiel“ jene Auswüchse des späteren Privatfernsehens vorweg, in der Würde und auch Moral für einen Koffer voller Geld verhökert werden. Wolfgang Menge schrieb und schrieb, und wie nur wenigen anderen gelang es ihm, Stimmungen und Entwicklungen der Deutschen abzubilden, bevor das Volk selbst sich ihrer bewusst wurde.
Auch „Motzki“ war so eine Reihe, die 1993 in der ARD lief und in der ein Berliner Frührentner sich über „die Ossis“ ausließ. Wolfgang Menge, in Berlin geboren, in Hamburg aufgewachsen, lebte in Berlin-Zehlendorf und auf Sylt, wo das Geld zu Hause ist. Dennoch lag die Kraft seiner Stücke darin, „die Stimme des Volkes“ einzufangen, die Gedanken, „derer von der Straße“ wiederzugeben. Und das in ihrer Sprache.
In diesem Sinne war er ein gesellschaftlicher Seismograf, und nach heutiger Vorstellung sogar mutig. Und das ist es vielleicht, was neben der großen Achtung, die einem im Zusammenhang mit seinem Tod wieder bewusst wird, am meisten bewegt: Einer wie Wolfgang Menge hätte heute, wo in den Öffentlich-Rechtlichen die Angst das Programm macht, kaum eine Chance. Zuschauern unbequeme Themen vor den Kopf zu stoßen, ist heute nicht mehr gefragt.
Dabei hat Wolfgang Menge schon vor 40 Jahren die Rezeptur für den Umgang mit dem gekannt, das man so gern unter den Teppich kehren würde: Humor. Böser, bissiger, intelligenter Humor. Wenn man den in Zehlendorf und auf Sylt entwickelt, sollten die Fernsehanstalten dort mal hurtig ein paar Häuser erwerben. Eine Wolfgang-Menge-Siedlung für Drehbuchschreiber wäre eine schöne Würdigung.
Wolfgang Menge starb am Mittwoch im Alter von 88 Jahren in einem Berliner Krankenhaus.
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