Enthüllung um AfD-Politikerin: Sexismus gegen rechts
Das Recherchenetzwerk Correctiv findet heraus, dass eine AfD-Politikerin mal Sex für Geld angeboten hat – und driftet ab ins Boulevardeske.
„Wir enthüllen Sexskandal bei der AfD-NRW. Spitzenfrau der Rechtspopulisten vermietete ihren Körper übers Internet.“ So kündigt der Ruhr-Ableger des Recherchenetzwerks Correctiv auf Twitter seine Exklusivgeschichte über eine Landtagskandidatin der AfD an. Der einzige Inhalt der Story: Die Politikerin hatte von 2011 bis 2014 ein Profil auf einer Internetseite, auf dem Frauen sexuelle Dienstleistungen verkaufen. Schwerpunkt der Plattform ist die Vermittlung von freiberuflichen Escorts.
Dazu veröffentlicht Correctiv Screenshots ihres Profils, zeigt ein zensiertes Profilfoto, nennt den Namen ihres Accounts und zitiert aus Inseraten und Forenbeiträgen. Beispielsweise heißt es im Text, dass die Listenkandidatin „Erfahrungen in Swingerclubs, SM und Fetischszene“ gemacht habe.
Nur: Skandalös ist keineswegs die Entscheidung der Kandidatin, sexuelle Dienstleistungen gegen Geld anzubieten. Skandalös ist es, eine Sexarbeiterin öffentlich zu outen, zu stigmatisieren und aus einem Internetprofil zu zitieren, in dem sie unter Pseudonym auftritt. Sexarbeiterinnen an den Pranger zu stellen verstärkt die massive Stigmatisierung dieser Frauen noch. Wer damit der AfD schaden will, schadet gleichzeitig allen Sexarbeiterinnen, die gegen die Abwertung ihrer Tätigkeit kämpfen. Sexismus gegen rechts war noch nie eine gute Idee.
Dabei hätte es viele gute Gründe gegeben, die Kandidatin zu kritisieren. In ihrer Bewerbungsrede bei der AfD-Listenaufstellung bezeichnete sie es als „völligen Irrsinn, Frauen für Informatik zu begeistern“, und skandalisierte, dass Frauen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Bei diesen inhaltlichen Positionierungen wäre dringend eine Gegenrede erforderlich. Ihre ehemalige Teilzeittätigkeit hingegen ist Privatsache und hat mit der Arbeit für die AfD nichts zu tun.
It’s the Patriarchy, stupid!
Das heißt nicht, dass es an Sexarbeit keine Kritik geben darf: In der Branche kommt es sehr oft zu Ausbeutung, Abhängigkeiten, Zwang und Gewalt, was dazu führt, dass viele Sexarbeiterinnen ihren Beruf nur unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ausüben.
Selbstverständlich können Medien hier investigativ berichten. Können sich für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen einsetzen, für mehr Beratungsstellen und die Teilhabe an politischen Prozessen, für Respekt und Anerkennung von Sexarbeiterinnen eintreten. Skandalös sind hier Stigmata, Tabus, Viktimisierung und patriarchale Verhältnisse – nicht immer die Tätigkeit an sich.
Correctiv attackiert hier eine Politikerin, die womöglich selbstbestimmt entschieden hat, sexuelle Dienstleistungen zu verkaufen – und übrigens nicht „ihren Körper“, wie der Teaser auf Twitter behauptet.
Zwischenzeitlich hat der Autor den Begriff „Sexskandal“ in einer Erklärung ein „Missverständnis“ genannt. Die Erklärung rettet sich ansonsten in Ausflüchte. Skandalös sei nicht die Arbeit an sich, sondern das Verschweigen gegenüber der Partei. Von Stigmatisierung ist hingegen keine Rede. Wenn die sexuellen Vorlieben der Kandidatin uns nichts angehen, warum werden diese dann im Artikel boulevardesk aufgeführt? Der Tagesspiegel, der den Artikel kurzzeitig auf seinem Internetangebot übernommen hatte, hat ihn nach Kritik schnell wieder gelöscht. Correctiv sollte das auch tun.
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