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EU-Parlament zu FleischersatzproduktenVeggie-Wurst bleibt Wurst

Das EU-Parlament lehnt ein Verbot von Bezeichnungen wie „Veggie-Burger“ ab. Zum Glück, alles andere wäre Irrsinn gewesen.

Dürfen weiter Burger oder Wurst heißen: vegetarische Produkte im Supermarkt Foto: dpa

E ins ist klar wie Kräuterbrühe: Pflanzenbasierte Produkte sind global auf dem Siegeszug. Der Markt wächst rasant und allein für die Europäische Union beträgt der vorausgesagte Umsatz für 2025 rund 2,6 Milliarden US-Dollar.

Umso signifikanter ist die Entscheidung, die in dieser Woche vom EU-Parlament getroffen wurde. Und zwar des Ablehnung der von der Milch- und Fleischindustrie initiierten Änderungsantrags 165 zu Anhang VII der „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse“.

Was sehr unsexy klingt, ist es auch. Denn dabei handelte es sich um Regulierungen dazu, wie pflanzliche Produkte genannt, verpackt und vermarktet werden können. Fast wäre es zu Verboten von Bezeichnungen à la „Burger“ und „Wurst“ für vegetarische und vegane Produkte gekommen. Burger hätten dann vielleicht noch „Veggie-Disk“ heißen können und pflanzliche Wurst „Veggie-Röhre“.

In dieselbige hätten sowohl Hersteller und Konsumenten von pflanzlichen Produkten dann geschaut. Gut, dass es nicht so gekommen ist! Doch leider ist ein andere Änderungsantrag, mit der Nummer 171, durchgekommen. Der wiederum verbietet, dass Beschreibungen wie „Joghurt-Style“, oder „Käse-Alternative“ verwendet werden dürfen. Das ist natürlich großer Käse!

Die EU hatte ohnehin schon, im Vergleich mit dem Rest der Welt, die restriktivsten Regelungen in Bezug auf Veggie-Produkte, Namen wie „Veganer Käse“, oder etwa „Hafermilch“ durften schon vorher nicht verwendet werden. Und so oder so standen beide Änderungsanträge – 165 und 171 – im Widerspruch zur EU-Politik, wie etwa dem European Green Deal oder der Farm to Fork Strategy, denen die Absicht zugrunde liegt, die Wirtschaft nachhaltiger zu machen und die Ernährung gesünder, umweltbewusster und fairer zu gestalten.

Mehr als bloß Semantik

Wer jetzt meint: Ach, ist doch bloß Semantik, regt euch nicht so auf – der hat keine Ahnung von den immensen finanziellen und logistischen Auswirkungen. Unter den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen müssen Produkte mit neuen Verpackungen und Labels ausgestattet werden. Außerdem ist das Risiko für Klagen hoch. Denn unter Umständen kann schon die „Aneignung, Nachahmung oder Anspielung“ eines Milchprodukts rechtswidrig sein. Ein pflanzliches Dessert in einer Verpackung, die einem Joghurtbecher ähnlich sieht, wäre also: verboten! Auch den Konsumenten wird das Leben nun unnötig schwer gemacht.

Das Hauptargument, welches die Änderungsanträge pushen sollte, war: die Konsumenten vor Verwirrung zu schützen. Aber wäre das der Fall? Laut einer Studie der European Consumer Organisation, die in zehn EU-Mitgliedsstaaten durchgeführt wurde, haben nämlich über 68 Prozent der Verbraucher kein Problem mit Bezeichnungen wie „Burger“ oder „Steak“ auf pflanzlichen Alternativprodukten, solange diese auch als vegetarisch oder vegan gekennzeichnet sind.

taz am wochenende

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Die Panik in der Milchindustrie, deren Lobbyisten nicht unschuldig an der Entscheidung des EU Parlaments waren, ist spürbar. Vor allem junge Menschen ernähren sich immer häufiger pflanzlich. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten – aber vielen Konsumenten finden das, was ihnen jahrzehntelang vorgesetzt wurde, inzwischen schlicht ungenießbar. Sie wollen sich gesünder und nachhaltiger ernähren.

Das muss die Milch- und Fleischwirtschaft schlucken. Die globale Nachfrage in Bezug auf plant based foods wird weiterhin steigen. Und EU-Entscheidungen hinsichtlich Veggies, wurden auch früher schon mal vergurkt, Stichwort Gurkenkrümmung. Aber die lassen sich ja zum Glück im Nachhinein beheben.

Korrektur: In einer früheren Version des Textes stand fälschlicherweise, beide Änderungsanträge wären abgelehnt wurden. Danke an den Kommentator Joaquin J. für den Hinweis. Der Fehler ist jetzt korrigiert.

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7 Kommentare

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  • Es ist schon richtig, zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden.



    Wurst ist eine Form ("Erbstwurst" odr, Entschuldigung, "Kackwurst"). Schnitzel ebenfalls (geschnitzt, das geht auch mit Kohlrabi). Bei Steak allerdings ist das eher nicht so.



    Bei Begriffen wie "veganer Fleischsalat" sollten sich auch Veganern die Fußnägel hoch rollen.



    In meiner Zivizeit (1992) machte unsere Haushaltscheffin gerne mal Grünkernbratlinge. Niemand wäre auf die Idee gekommen, das "vegane Frikadelle" oder sowas zu bezeichnen. Warum ist das heute ein Problem?

  • Leider scheint das nicht ganz korrekt zu sein. So heißt es bei FAZ und stern:

    "Weiter eingeschränkt werden soll allerdings die Vermarktung von Alternativprodukten für Milcherzeugnisse. Schon nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2017 dürfen rein pflanzliche Produkte nicht mehr als Sojamilch oder Pflanzenkäse verkauft werden. Dieses Verbot soll nun auf Bezeichnungen wie "-geschmack, -ersatz, Art oder dergleichen" ausgeweitet werden. Ausgenommen davon sind seit langem gängige Begriffe wie Erdnussbutter oder Kokosmilch. "

    www.stern.de/news/...IZbnr_FLRRrz8GZCxg

    www.faz.net/aktuel...rger-17016553.html

  • Das war auch eine lächerliche Nummer, Verbraucherschutz, ist klar.

    Wie oft bin ich in Tränen für der Kühltheke ausgebrochen, weil ich nicht zuordnen konnte, aus was der Halloumi gemacht war und ich vielleicht Opfer von veganen Herstellern werde...

    Das ist ja nicht wie damals beim Analogkäse, als einem was untergejubelt werden sollte, was das Produkt definitiv nicht war, vegane Produkte schreiben drauf, das sie es sind.

    Hier wollte man auf ganz billige Art und Weise, der Konkurrenz schaden, denn komplett neue Namen, müssen erst teuer am Markt gelauncht werden.

  • Das sind doch nur verkaufstricks !! Wenn ich Fleisch oder Wurst nicht mag, warum soll ich was essen, was Fleisch oder Wurst heißt, nach Fleisch und Wurst schmeckt, aber aus ??? zusammen gemischt ist.

    • @Günter Witte:

      Es geht noch weiter! In Leberkäse ist weder Käse noch Leber, in Bärchen-Wurst sind gar keine kleinen Bären verarbeitet!



      Auch ich bin dafür, dass man endlich am Namen erkennt was drin ist.



      Vorschlag: Statt "Lyoner" (die übrigens in Lyon gar nicht so heißt) nennen wir es "Mischprodukt aus Phospaht, Farbstoff und Ascorbinsäure mit beigefügtem Tierbrei" - um wirklich Klarheit für den Verbraucher zu schaffen sollte man deklarieren "Besteht zu >5% aus Wasser" und "Enthält Sojabohnen" (!)...Alles andere ist wirklich Verbrauchertäuschung und Verkaufstricks!

    • 1G
      15797 (Profil gelöscht)
      @Günter Witte:

      @GÜNTER WITTE



      Stimmt.



      Das schlimmste daran, es ist sicher alles drinnen, was eben sicher nicht ins Essen gehört. Deutschlands Kueche war eigentlich berühmt dafür, das man immer ganz klar erkennen konnte, was da verkocht wurde. Obwohl ich meinen Fleischkonsum drastisch reduziert habe, ich esse ich nach wie vor sehr gerne Fleisch, verarbeitete Lebensmittel hingegen fast gar nicht

  • Da bin ich beruhigt, schon das mit der Hafermilch hielt ich für bescheuert, besser hätte ich es gefunden dass man Kuhmilch nun als Kuhmilch bezeichnet sowie auch z.B. Ziegenmilch. Es gibt doch auch Körpermilch und Pflegemilch im Kosmetikbereich.

    So bescheuert ich es auch finde Vegetarisch alternativen für Wurst zu finden (schmeckt auch mit Fleisch schon nicht gut) bin ich froh das solche Schikane nich durchkommt.

    Mahlzeit!