EU-Emissionshandel: Kampf der Stromgiganten
Einige der größten Energieversorger wollen weiterhin mehr Geld für den Ausstoß von Klimagasen zahlen – entgegen den Interessen ihrer Industriekunden.
BERLIN taz | Vielleicht hat sich Johannes Teyssen in dieser Woche etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt. Der Chef von Eon, Deutschlands größtem Energiekonzern, brachte einen Vertreter seiner wichtigsten Kunden gegen sich auf: die energieintensive Industrie.
Ob er die Unternehmen der Branche denn eigentlich für blöd halte, musste sich Teyssen sinngemäß fragen lassen, nachdem er auf der Jahrestagung Energiewirtschaft des Handelsblattes einen Vortrag gehalten hatte, dessen Botschaft ungefähr war: Mein Unternehmen würde gern mehr Geld für seinen Ausstoß an Klimagasen zahlen, und der Rest Europas solle es ebenso halten.
Ein Energieriese will freiwillig mehr für den Klimaschutz ausgeben? Hintergrund ist ein Streit, der die Stromkonzerne Europas in zwei Lager spaltet: die Frage, ob die EU den Preisverfall für CO2-Zertifikate stoppen soll. Bei den Zertifikaten handelt es sich um das wichtigste Instrument der EU, um ihre Klimaschutzziele einzuhalten: 11.000 Unternehmen in der EU müssen für jede Tonne Klimagase, die sie in die Atmosphäre blasen, am Ende jedes Jahres eine Berechtigung vorweisen – eine Art Müllgebühr in Form von Zertifikaten.
Diesen Monat hat die sogenannte dritte Handelsperiode (2013–2020) dieser Emissionszertifikate begonnen. Die EU verknappt sie allmählich und senkt so ihren CO2-Ausstoß, die Einnahmen fließen an die EU-Länder. Ein Teil der Zertifikate wird kostenlos verteilt, einen Teil müssen die Unternehmen kaufen – direkt von den EU-Staaten oder über die Strombörsen von anderen Unternehmen. Wer also Klimaschutz betreibt, kann Zertifikate verkaufen und damit Geld verdienen.
Klimaschutz lohnt sich nicht
Allerdings ist der Preis dafür seit Monaten in freiem Fall. Der Grund ist die Wirtschaftskrise. Europa produziert weniger, stößt weniger CO2 aus und erreicht seine Klimaziele wie von selbst. Die neuen Zertifikate für die Periode von 2013 bis 2020 kosteten gestern gerade mal 4,58 Euro pro Tonne CO2 – viel zu wenig, momentan lohnen sich Investitionen in den Klimaschutz also kaum. Das erklärte politische Ziel liegt bei 15 Euro pro Tonne.
Die EU-Kommission hat deshalb bereits im vergangenen Jahr einen Vorschlag vorgelegt, wie der Preis wieder in den Griff zu bekommen ist: Indem sie vorerst weniger Zertifikate ausgibt, um die CO2-Preise anzuheben, später dafür wieder mehr. Das EU-Parlament muss zustimmen, und der einflussreiche Industrieausschuss hat die Pläne am Donnerstag abgelehnt – was allerdings noch kein Aus bedeutet.
Denn: ein Teil der Industrie in Europa will höhere Preise. Nicht nur Teyssen. Auch die Energieriesen Vattenfall und EnBW sind dafür, ebenso wie der französische Atomkonzern Areva. Der Bundesverband der Deutschen Industrie spricht sich vehement dagegen aus, auch der Stromkonzern RWE gilt nicht als Freund der Maßnahme.
Die Gründe allerdings sind relativ simpel: Konzerne wie Vattenfall, Areva und Eon stoßen weniger CO2 pro erzeugter Megawattstunde Strom aus als etwa RWE. Vattenfall hätte zwar in Deutschland einen Nachteil, wegen der Braunkohlekraftwerke, allerdings europaweit wegen seiner Wasser- und Atomkraftwerke eher einen Vorteil. Und Teyssen konnte auch den Vertreter der energieintensiven Industrie beruhigen: Natürlich müsste seine Branche weiterhin Ausnahmen genießen und CO2-Zertifikate kostenlos bekommen.
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