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Aus der zeozwei

Die zeozwei-Kontroverse Welzers Debatte ist alt

Fast schon zu oft fragt die Ökobewegung nach dem Zusammenhang gesellschaftlicher Probleme, meint Felix Ekardt.

Henne oder Ei? Für einen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel sind Privatinitiative und Politik gleichermaßen wichtig Bild: Reuters

Die Nachhaltigkeitsszene ist unpolitisch und nur selbstbestätigend, sagt der Sozialpsychologe Harald Welzer. Es gibt eher zuviel Kritik untereinander als zu wenig, sagt Felix Ekardt, sächsischer BUND-Vorsitzender.

Die zeozwei-Kontroverse, Folge 3: Felix Ekardt antwortet

Der Psychologe Harald Welzer und der Ökonom Uwe Schneidewind haben in der zeozwei-Kontroverse darüber debattiert, ob die heutige Umweltbewegung nur noch unpolitisch und auf Selbstbestätigungsdiskurse beschränkt sei. Als jemand, der nicht nur Umweltforscher, sondern auch langjähriger Umweltbewegter ist, etwa als sächsischer BUND-Vorsitzender, bringt einen das ins Grübeln. Es beginnt schon damit, dass die imaginierte Umweltbewegung im Singular wie eine Chimäre wirkt.

Es gibt völlig unterschiedliche Gruppen von Umweltschützern. Und wenn, dann gibt es eher zu viel Kritik untereinander als Selbstbestätigungsdiskurse. Teils lässt sich das wohl historisch erklären. Wie jede alternative Bewegung – und übrigens auch der Marxismus – sind Umweltschützer letztlich vom Kontroverse-Muster der verschiedenen protestantischen Gruppierungen in der frühen Neuzeit beeinflusst. Die fanden den Streit um die reine Lehre mitunter wichtiger, als gemeinsam die katholische Kirche und die Fürsten in ihre Schranken zu weisen. Immer noch genial karikiert findet sich dies in „Das Leben des Brian“ von Monty Python, wo die revolutionären Splittergruppen Judäische Volksfront und Volksfront von Judäa im Clinch liegen.

Oft schafft das sehr breite Umweltaktiven-Spektrum aber auch ganz reale und nicht bloß hochgejazzte Meinungsverschiedenheiten. Schaut man zurück auf den nationalkonservativen Heimat-Naturschutz seit den 1880er Jahren, die staatskritische Anti-Atom-Bewegung und die diversen Zivilisations-, Fortschritts- und Wachstumskritiker, die es seit Jahrhunderten gibt, ergibt sich ein ziemlich heterogenes Meinungsspektrum.

Auch bei den fachwissenschaftlichen Umweltschützern in den Instituten herrscht eine große Vielfalt. Es gibt die zahlreichen Affirmativen, die Deutschland trotz des riesigen ökologischen Fußabdrucks pro Kopf für einen Umweltvorreiter halten. Es gibt mehr oder minder neomarxistische Kapitalismuskritiker. Es gibt diverse Institutionen, die davon geprägt sind, Aufträge von der öffentlichen Hand erhalten zu wollen – und davon nicht offiziell, aber faktisch ihre Haltung mit abhängig machen. Und es gibt zum Glück auch Leute, die ohne formelhafte Kritik an einem nicht näher definierten „System“ tatsächlich gangbare Wege alternativen Wirtschaftens im globalisierten 21. Jahrhundert suchen.

Eine Henne-Ei-Problematik

Anders als Welzer deutet Schneidewind die Vielfalt jedenfalls an. Doch wie Schneidewind die Entwicklung des Umweltschutzes so zu beschreiben, als verlagere er sich stärker weg von der repräsentativen Demokratie hin zu privatem Handeln, begünstigt weitere Missverständnisse. Wie jede gesellschaftliche Transformation ist das Ganze in Wirklichkeit ein Wechselspiel von Politik, bürgerlichem Engagement und weiteren Akteuren wie etwa Unternehmen. Ohne mehr private Initiative gibt es keine andere Politik. Aber ohne striktere politische Vorgaben passiert bei den Konsumenten auch zu wenig. Hier zu fragen, wer wichtiger ist, ist eine Henne-Ei-Problematik.

Allein über sich emanzipierende Bürger von unten wie bei Welzer ist jedenfalls ein gesellschaftlicher Wandel kaum denkbar. Auch die von Schneidewind gelobten neuartigen Unternehmen sind dann nicht die Lösung, wenn sie vermeintlich ökologische Produkte herstellen, die in der Vergangenheit aber gar niemand besessen hat. Der Langstreckenflug nach Südamerika, den man früher gar nicht unternommen hätte, wird nicht dadurch ein Gewinn für die Umwelt, dass die Düsen des Flugzeugs relativ energieeffizient konstruiert werden und die Unterbringung vor Ort dann als angeblich sanfter Tourismus firmiert.

Die von Welzer in der Umweltbewegung vermisste Frage, wie alle gesellschaftlichen Probleme zusammenhängen, wird in Ländern wie Deutschland von kritischen Geistern sehr wohl gestellt. Manchmal fast schon zu oft, wenn man die tausendste Kapitalismuskritik liest. Wo doch offensichtlich ist, dass „der Kapitalismus“ trotz aller kulturellen Gehalte auch menschliche Grundeigenschaften wie Kurzsichtigkeit oder Konkurrenzdenken ausdrückt, die sich auch ohne Kapitalismus nicht einfach in Luft auflösen würden.

Es bedarf einer ambivalenten Sicht

Wovon wir tatsächlich mehr bräuchten, ist die Übersetzung des Grübelns übers große Ganze in praktisches Handeln. Das geht aber nur mit einer angemessen ambivalenten Sicht auf Schlagerthemen wie Kapitalismus und Wachstum. Als ausdrückliches Ziel ergeben Grenzen des Wachstums beispielsweise nicht automatisch Sinn, weil Wachstum für moderne soziale Sicherungssysteme, öffentliche Haushalte oder den Arbeitsmarkt nicht leicht zu entbehren ist. Gleichzeitig ist mehr Genügsamkeit, weniger Konsum und damit eine Abkehr von der Wachstumslogik unentbehrlich, weil allein bessere Umwelttechnik den riesigen Handlungsbedarf bei Klima, Artensterben oder degradierten Böden schlicht nicht voll abdecken kann. Der Übergang dahin ist allerdings ökonomisch äußerst schwierig. Runde Konzepte fehlen weitgehend.

Was einer allzu theoretischen Umwelt-Sicht ebenfalls gut tun würde: die reinen Rede-Foren wie Talkshows oder Hörsäle voller Gleichgesinnter mehr in den Hintergrund treten lassen. Und sich konkret in der repräsentativen Demokratie engagieren. Zum Beispiel in einer Partei oder einem Umweltverband. Da helfen generalisierende Betrachtungen über die Entwicklung des Weltgeschehens allein nicht weiter. Da müssen dann nämlich konkrete, fundierte Einschätzungen und Entscheidungen getroffen werden. Was auch helfen könnte: den eigenen Konsum tatsächlich mal umfassend zum Thema zu machen – besonders Flüge, Fleischkonsum, Wohnungsgröße.

Apropos fundiert: Die von Welzer aufgemachte Debatte, ob nun positive Bilder oder Katastrophenangst ökologisch mehr bewegen, ist nicht neu. Empirisch ist schlicht umstritten, was positive und negative Anreize bewirken. Ob nun beim Umweltschutz oder in ganz anderen Bereichen, etwa in der Erziehung. Viel interessanter wären die Gründe, warum positive Umweltvisionen so viel schwerer zu – auch im Wortsinne – verkaufen sind als das neueste Smartphone. Ob man daran etwas ändern kann, wäre die nächste Frage.

FELIX EKARDT, Nachhaltigkeitsforscher, ist Gründer und Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. Seit Anfang 2009 ist er Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock. 

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Am 06.10.2016: Welzers Anklage

Am 10.10.2016: Schneidewinds Replik