piwik no script img

CCC über aktuellen Staatstrojaner_0zapftis 2.0 ist auch illegal

Der Chaos Computer Club hat einen zweiten Staatstrojaner analysiert. Dieser hat dieselbe verfassungswidrige Nachladefunktion wie der erste - ist aber nur ein knappes Jahr alt.

Auch der neue Staatstrojaner kann einfach von Dritte ausgenutzt werden. Bild: dpa

BERLIN dpa | Dem Chaos Computer Club (CCC) ist eine "noch fast fabrikneue" Version des umstrittenen Staatstrojaners zugespielt worden. Eine Analyse des Programmcodes habe ergeben, dass die Spionage-Software weiterhin für rechtswidrige Aktionen eingesetzt werden könne, erklärte der Club. Ein Ministeriumssprecher erklärte unterdessen, der neue Trojaner sei nicht vom Bundeskriminalamt (BKA) eingesetzt worden.

Der Trojaner entspreche "wie seine Vorgängervarianten in keiner Weise dem Stand der Technik" und enthalte "weiterhin die grundgesetzbrechende Funktion zum Nachladen beliebiger Erweiterungen". "Entgegen aller Beteuerungen der Verantwortlichen kann der Trojaner weiterhin gekapert und beliebiger Code nachgeladen werden", sagte ein Sprecher des CCC.

In der ersten Runde der Auseinandersetzung um den Staatstrojaner hatten das Bundesinnenministerium und das Bundeskriminalamt den Einsatz der Software verteidigt. "Die Überwachung der Telekommunikation beziehungsweise die Maßnahmen der Online-Durchsuchung sind kriminalistisch unverzichtbar, wenn das Internet als Tatmittel für schwere und schwerste Kriminalität eingesetzt wird", sagte der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, vor einer Woche vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages.

Die Kritik des CCC, der Trojaner könne manipuliert und rechtswidrig eingesetzt werden, wies Ziercke unter anderem mit dem Hinweis zurück, der Club habe eine "ca. drei Jahre alte Version der Software (analysiert), die das BKA nicht eingesetzt hat."

Nachladefunktion weiterhin vorhanden

Der Chaos Computer Club veröffentlichte nun die Analyse einer neuen Variante des Staatstrojaners vom Dezember 2010, die ebenfalls von der hessischen Firma Digitask entwickelt wurde. Die umstrittene Funktion des Trojaners, auch Bildschirmfotos (Screenshots) von dem ausgespähten Rechner anzufertigen, wurde in dieser Version entfernt. "Die verfassungswidrige Nachladefunktion steht jedoch weiterhin scheunentorweit offen", erklärte der CCC. "Dies bedeutet, dass unbefugten Dritten vom spukhaften Fernlöschen von Dateien bis hin zur akustischen Raumüberwachung genauso viele Möglichkeiten geboten werden, wie den ermittelnden Beamten und ihren von Unkenntnis der technischen Sachlage geplagten Vorgesetzten."

Der Club-Sprecher forderte die Ermittlungsbehörden auf, auf den Einsatz von Trojanern zu verzichten und die Quellcodes der eingesetzten Programme sowie die Prüfprotokolle der Trojaner-Einsätze zu veröffentlichen. "Bei einer staatlichen Infiltration eines Rechners muss unwiderruflich die Möglichkeit erlöschen, Daten von der Festplatte des infiltrierten Systems gerichtlich zu verwerten", verlangte der CCC.

Das BKA hatte in der Debatte um den Einsatz der Staatstrojaner bestritten, dass die eingesetzte Überwachungssoftware über eine "rechtswidrige Nachladefunktion verfügt, mit der beliebige Schadmodule nachgeladen werden". Die Updatefunktion des Programms werde allein zur Aktualisierung verwendet. Bei einem Update der Internet-Telefonie-Software Skype müsse auch die Überwachungssoftware angepasst werden, "da ansonsten die Kommunikation nicht mehr aufgezeichnet werden kann". Dieser Darstellung widerspricht der Chaos Computer Club nun: "Der CCC konnte sein selbstgeschriebenes Trojaner-Steuerprogramm in nur wenigen Stunden anpassen, die Schadsoftware weiterhin steuern und Code auf den Opfer-Rechner nachladen."

Digitask dementiert

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte angekündigt, der Bund werde ein eigenes Kompetenzzentrum zur Entwicklung von Software für Internetüberwachung einrichten. Die Bundesländer seien eingeladen, sich daran zu beteiligen. Darüber hinaus soll bis zur nächsten Innenministerkonferenz ein Vorschlag für ein Expertengremium vorgelegt werden, das die bisher benutzte Software von privaten Anbietern überprüft und zertifiziert.

Ein Sprecher der Firma Digitask sagte, er könne noch nicht beurteilen, ob die vom CCC analysierte Software tatsächlich von Digitask stamme. Generell liefere das Unternehmen das, was die Behörden auf der Grundlage geltender Gesetze bestellen. Für den konkreten Einsatz der Software seien die Behörden selbst verantwortlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • P
    parkwaechter

    Schärfere Regeln bringen erst einmal nichts. Einhaltung der Regeln und Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Regeln wären nötig.

     

    Wie kann beispielsweise jemand auf die Idee kommen, ein gerichtliches Verbot mit "die Staatskanzlei hat eine andere Einschätzung als das Gericht" zu umschreiben und einfach zu ignorieren? Und wie kann ein solcher Mensch in eine verantwortliche Position gelangen? Selbst wenn es nur in Bayern ist.

     

    Diese Ignoranz gegenüber existierenden Gesetzen und Gerichtsentscheiden "wir brauchen das aber, also ist es auch verfassungsgemäß - egal was das BVerfG sagt" ist das erschreckende an dieser ganzen Geschichte.

     

    MfG, parkwaechter

  • J
    Jason

    ... Ergänzung ...

     

    Ich finde es auch eine unverschämtheit, wenn ich gegen das Gesetzt verstoß werde ich zur Rechenschaft gezogen. Ich könnte auch Rum lügen und ein Mist erzählen, aber ich muss an Hand einer Strafe dafür bezahlen.

     

    Das ist in meinen Augen auch Sinnvoll...

     

    Aber wie sollen wir Vertrauen in denen haben die uns meinen zu Regieren, wenn das Vertrauen mit Füßen getreten wird. Das ist ein Problem was sich durch die ganze Politmannschaft durch zieht, viel gegenseitige beschimpfen und anprangern... das macht mich wütend. Ich darf das nur nicht zu laut sagen sonst habe ich vielleicht ein Trojaner wegen Terrorverdacht auf mein Laptop.

     

     

    ...

    Ich denke mir manchmal, (verzeiht mir die Ausdrucksweise) "HALS MAUL Und mach was gescheites!" Es gibt manchmal keine Bessere Unterhaltung als den Bundes Tag, leider ist es aber der Ort wo Entscheidungen getroffen werden die uns auch betreffen so. Das macht die Sache nicht mehr so lustig.

    ...

     

    mfG

  • J
    Jason

    @ Webamrxist

     

    du hast das wichtigest gesagt.

  • G
    gurkenkönig

    Wenn die Innenminister Friedrich und Herrmann jetzt nicht mal langsam zurücktreten, wegen andauernder Missachtung des Grundgesetzes, sollte irgendjemand ihnen vielleicht mal ein paar Kinderpornos auf ihre privaten Festplatten hochladen.

    Ich hätte auch schon eine Idee, wie das gehen könnte...

     

    Klar, so ein Mist schreib ich bloß aus reiner Fassungslosigkeit gegenüber der Tatsache, daß sie sich offenbar alles an Lügen erlauben können (und erlauben).

     

    Das Grundgesetz ist das Fundament dieses Staates.

  • W
    Webamrxist

    Die Regel für die Online - Überwachung müssen unbedingt verschärft werden. Denn meine persönlichen Daten gehören mir.