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Brandanschlag auf FlüchtlingswohnungRassistischer Angriff in Niedersachsen

Ein Molotowcocktail fliegt in eine Asylunterkunft und verfehlt eine Familie nur zufällig. Die Polizei geht von einem rassistischem Anschlag aus

Die Wohung, auf die der Anschlag verübt wurde, liegt im Erdgeschoss des Hauses Foto: dpa

hamburg taz | „Das war versuchter Mord“: Nach dem Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Salzhemmendorf wurde Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei einem Besuch vor Ort deutlich. Das seien „die schwerwiegendsten Vorgänge, die wir in Niedersachsen in den letzten Monaten und Jahren erlebt haben“, sagte Weil. Nur knapp seien die Bewohner dem Tod oder schwersten Verletzungen entgangen.

In der Nacht zum Freitag gegen kurz nach zwei Uhr hatten Unbekannte einen Molotowcocktail durch ein geschlossenes Fenster der Erdgeschosswohnung in dem alten Schulgebäude geworfen. Die Bewohner, eine Frau aus Simbabwe mit ihren drei Kindern, hielten sich zufällig im Nebenzimmer auf. Dort, wo der Molotowcocktail Teppich und Matratze in Brand setzte, schlafen sonst die Kinder. „Wir gehen von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus“, sagte Jan Petersen, Sprecher der Polizeidirektion Hameln-Pyrmont, der taz.

Anwohner hatten den Brandanschlag kurz nach zwei Uhr nachts gemeldet. In der ehemaligen Schule leben zurzeit rund 30 Menschen aus verschiedenen Ländern. Die Feuerwehr evakuierte sie alle. Die Mutter mit ihren Kindern wurde in eine Ersatzunterkunft gebracht. Sie werden psychologisch betreut. Alle weiteren Bewohner konnten in das Gebäude zurückkehren, das jetzt von der Polizei bewacht wird.

„Das war eine feige und widerwärtige Tat“, sagte Innenstaatssekretär Stephan Manke. „Es hätte viel mehr passieren können.“ Der Bürgermeister von Salzhemmendorf, Clemens Pommerening, sagte: „Ich bin völlig fassungslos, niemand hätte sich vorstellen können, dass bei uns so was passiert.“ In der Gemeinde mit rund 10.000 Einwohnern habe es bislang eine Welle der Hilfsbereitschaft gegeben. „Diese Gewalt löst Traumata bei den Betroffenen aus, die noch lange anhalten werden“, befürchtet Landrat Tjark Bartels (SPD). Auch er meinte: „Das war versuchter Mord.“

Die Polizei hat eine 30-köpfige Sonderkommission eingerichtet. Sie fahndet nach einem Fahrzeug, das am Tatort beobachtet wurde. In Salzhemmendorf und im gesamten Landkreis gebe es keine rechte Szene, sagte Polizeisprecher Jens Petersen.

Vor Ort soll allerdings ein Kader von „Der III. Weg“ leben, berichtet eine Antifa-Initative. Die rechtsextreme Kleinstpartei hat kürzlich im Internet eine Karte mit Flüchtlingsunterkünften veröffentlicht und einen „Leitfaden“, wie man sich gegen Unterkünfte wehren kann, als Download bereitgestellt. In Hameln sei auch Material von ihnen verteilt wurden, heißt es von den Antifa-Aktivisten.

In der Region zwischen Hameln und Hildesheim hetzt seit Wochen auch der NPD-Unterbezirk Oberweser gegen die Einwanderungs- und Asylpolitik. Erst im März marschierte die Partei „Die Rechte“ wegen der „Überfremdung“ in Hildesheim auf.

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15 Kommentare

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  • Wie wär'S mit "Aufrüstung"?

    In jeder Flüchtlingsunterkunft pro Familie oder pro Wohneinheit 2 Feuerlöscher. Das verhindert nicht unbedingt die Masse an Brandanschlägen, macht sie aber relativ wirkungslos und die Leute könnten mit dem Feuerlöscher unter'm bett vielleicht besser schlafen.

  • Diese Bunken sind schon seit längerem brandgefährlich. Die meisten sind auch polizeilich bestens bekannt. Man bräuchte keine drei Tage, um das ganze braune Nest auszuheben - es fehlt allein am Willen.

  • Ich denke, Frau Merkel, Sie und ihre Entourage sollten der Bundesrepublik nur noch einen Dienst erweisen. Den geschlossenen Rücktritt ihrer Regierung. Und die Auflösung der Regierung sollte gleichsam die letzte Amtshandlung des Bundespräsidenten, dieser, man erlaube mir diesen Vergleich , fleischgewordenen Trennung von Staat und Kirche, oder sollte ich sagen, von christlichen Wertmaßstäben und Politik, sein. Frau Merkel, diese Regierung ist einfach unqualifiziert.

    • @Reiner Bewersdorff:

      Weil in Salzhemmendorf ein Molotow-Cocktail geflogen ist?

    • @Reiner Bewersdorff:

      Gute Worte -ich hoffe, sie kommen irgendwann mal klar und deutlich dort an, wo sie hinmüssen.

  • Nun, wenn sie sich dem Lebensstil der Deutschen anpassen,sollen dann gebt ihnen Fackeln, Baseballschläger und Springerstiefel. :)

  • Bundesweite Pogromstimmung. Aber kein Grund zur Panik: Gabriel und Merkel haben das ja aufs schärfste verurteilt.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Wie jetzt? Gibt es im Westen etwa auch gewalttätige Rechtsradikale? So selbstgerecht, wie Manche hier rumpöbeln, könnte man glauben, so etwas gibt's dort nicht.

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Der Unterschied ist, dass die paar Nazis im Westen sich verstecken müssen, wenn sie Schwächere angreifen und nicht öffentlich den vollen Beifall der Bevölkerung bekommen.

      • 2G
        23879 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant:

         

        "Bei der vom Bundesinnenministerium veranlassten Prüfung der umstrittenen Statistiken der Polizei zu Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung werden nun überraschende Details bekannt. So liegt die Zahl der zu untersuchenden Fälle, die Ostdeutschland betreffen, weit unter denen des Westens – obwohl die Polizei aus den fünf neuen Ländern regelmäßig einen überproportional hohen Anteil rechtsextremer Gewalttaten meldet. Doch von den zur Prüfung vorliegenden 628 versuchten und vollendeten Tötungsdelikten mit einem möglichen rechten Hintergrund sind nur 43 aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen ...."

         

        Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus/rechtsextreme-gewalt-kommission-prueft-toetungsdelikte-hauptsaechlich-in-alten-bundeslaendern/9385466.html

         

        Damit stellt sich nicht zuletzt die Frage, wie glaubwürdig das in unseren Medien gezeichnete Bild überhaupt ist.

      • @Age Krüger:

        @Hegemon@ Age Krüger

        Ich erkenne nicht nur eine West/Ost-gefälle, sondern auch ein Nord/Süd-Gefälle und ein Gefälle Stadt/Land.

        Eine Studie der Uni Leipzig aus 2014: Am meisten Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen gibt es demnach in Sachsen-Anhalt (42 Prozent). Es folgen Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg, wo jeweils etwa 30 Prozent der Menschen derartige Thesen unterstützten. In den westlichen Bundesländern liegt die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen im Durchschnitt bei 20 Prozent. http://www.euractiv.de/sections/eu-innenpolitik/bundesregierung-rechte-szene-foerdert-gewalt-gegen-fluechtlingsheime-313615 http://www.zv.uni-leipzig.de/pressedaten/dokumente/dok_20140604103407_02ffd91ece.pdf

         

        Was jetzt die Zahlen wirklich wert sind, weiß ich nicht zu beurteilen, aber nicht, dass es allerortens irgendwann ein böses Erwachen gibt. Ihre beiden obigen Kommentare halte ich für überflüssig weil hassgeladen, obwohl Sie in diesem Kontext doch beide auf der selben Seite sind. Spaltung ost/west kommt den rechten Spinnern gerade recht.

      • 2G
        23879 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Es gibt einen Unterschied, aber der ist bei weitem nicht so groß, daß man sich im Westen selbstgefällig zurücklehnen könnte. Man macht es trotzdem - wie hierzuforum auch etliche Kommentare beweisen. Dadurch, daß der Fokus der (übrigens fast ausschließlich von westdeutschen Eignern kontrollierten) Medien auf dem Rechtsradikalismus im Osten liegt, fehlt inzwischen das Problembewußtsein für den Rechtsextremismus vor der eigenen Haustür, wie jüngst die Amadeu-Antonio-Stiftung feststellte: http://www.deutschlandradio.de/schludriger-umgang-mit-rechtsextremismus-im-westen.331.de.html?dram:article_id=253101

         

        Struktureller Rassismus machte es schließlich auch möglich, daß die NSU-Morde ohne das Paulchen-Panther-Video wohl nie aufgeklärt worden wären. 9 dieser 10 Morde fanden in den alten Bundesländern statt. Die Dunkelziffer rechtsextremer Straftaten dürfte im Westen wesentlich höher sein: http://www.focus.de/politik/deutschland/rechtsextremismus-im-westen-ueberfaelle-drohungen-morde_id_3816334.html

      • @Age Krüger:

        Sicher?

      • 2G
        23879 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        "Die paar Nazis" - ja ist klar. Da hat die Presse ja ganze Arebeit geleistet.

         

        Sie irren sich. Solche Vereine wie Hogesa müssen sich weder verstecken noch auf Beifall aus der Bevölkerung verzichten.

         

        Aber man kann sich seine Welt natürlich auch so malen, wie sie einem gefällt.