Berliner Schulgebäude: Von Hamburg lernen
Grüne und CDU wollen den Bezirken die Verantwortung für Schulgebäude entziehen. Konzeptpapier folgt nächste Woche.
Wenn man seinen Job nicht gut macht, ist man ihn irgendwann los. So könnte es bald den Berliner Bezirken mit ihren Schulbauten gehen.
In der kommenden Woche will die Grünen-Fraktion ein entsprechendes Konzeptpapier vorstellen, dass den Bezirken die Zuständigkeit für ihre Schulbauten entziehen will. Stattdessen sollen sich mehrere landeseigene Betriebe bezirksübergreifend um die Verwaltung, Sanierung und um Neubauvorhaben kümmern. „Bisher geben sich Bezirke und Senat bekanntlich einfach immer gegenseitig die Schuld für den Sanierungsstau“, sagt die Grünen-Abgeordnete Stefanie Remlinger (siehe Infokasten). Die bildungspolitische Sprecherin hat gemeinsam mit ihrer Fraktionskollegin Clara Herrmann das Papier erarbeitet.
Vorbild für die Grünen-Idee ist Hamburg. Dort gibt es seit 2010 den Landesbetrieb Schulbau, der rund 3.000 Gebäude an 400 Schulstandorten als „Sondervermögen“ verwaltet. Die zentrale Behörde wirtschaftet eigenständig – hat eine sogenannte „Kreditermächtigung“ – und ist also nicht an den Haushalt gebunden. Tatsächlich wird in der Hansestadt ordentlich Geld in die Schulen investiert: Zwei Milliarden Euro sollen es laut der dortigen Schulbehörde bis 2019 sein. Zum Vergleich: Berlin investiert im Doppelhaushalt 2016/17 etwa eine halbe Milliarde – für dreimal so viele Schulen.
Einführung regionaler Schulbaumanagements
Sanierungsstau: Wie hoch der Sanierungsbedarf genau ist, weiß niemand: die Bezirke haben ihn in der Vergangenheit nicht einheitlich erhoben. Problem: Wenn man nicht weiß, wo es bröckelt, kann man auch nicht die Mittel aus den Fördertöpfen beantragen, auf die der Senat stets verweist – etwa das Sanierungsprogramm für Schultoiletten oder die Extramittel aus dem Fonds für die Wachsende Stadt.
Nun sollen die bezirklichen Hochbauämter 2016 mittels eines „Gebäudescans“ ihre Sanierungsbedarfe genau ermitteln. Allerdings sehen sich einige Hochbauämter, etwa Friedrichshain-Kreuzberg, dazu kaum in der Lage: Personalmangel. (akl)
Auch der Grünen-Abgeordneten Remlinger schwebt ein „eigener Wirtschaftskreislauf“ für ihre regionalen Schulbaumanagements vor. „Die Betriebe könnten unabhängig vom Haushaltsjahr einen Wirtschaftsplan aufstellen: Wo genau brauchen sie Investitionen?“ Damit würde man unabhängiger von Fördertöpfen, die festschreiben, wofür welche Gelder ausgegeben werden dürfen. Etwa 30 Millionen Euro bleiben nach Grünen-Angaben jährlich von den Bezirken für Sanierungsvorhaben ungenutzt: weil kein passender Topf für das jeweilige Sanierungsvorhaben vorhanden war oder weil das Hochbauamt zu wenig Personal hatte, um mehr als Notfallarbeiten zu unternehmen.
Unterstützung für ihr Konzept bekommen die Grünen von der CDU. Dort hatte Fraktionschef Florian Graf im Dezember verkündigt, über ein Hamburger Modell für Berlin nachzudenken. Details sollen in einer Arbeitsgemeinschaft diskutiert werden. Im Unterschied zu den Grünen plant man, die Gebäude komplett aus dem Besitz der Bezirke herauszulösen.
Dennoch: Weit auseinander sind Grüne und CDU nicht. Im Kern, sagt auch Grünen-Abgeordnete Remlinger, gehe es um die Verfassungsfrage: „Ich erhoffe mir eine grundsätzliche Diskussion: Wo macht die Berliner Doppelstruktur aus Land und Bezirken Sinn – und wo nicht.“ Ihre Fraktion hat ausgerechnet, dass die doppelte Verwaltung das Land jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro kostet.
Bezirke wollen Ansprechpartner vor Ort
Die Bezirke reagieren indes verhalten auf die Zentralisierungsbestrebungen. Die Reinickendorfer Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) warnte angesichts der CDU-Pläne bereits, dass in einer großen Behörde für die Schulen sowie auch für Schüler- und Elterngremien die „Ansprechpartner vor Ort“ verloren gingen. Ähnlich sieht das auch ihre Kollegin in Mitte, Sabine Smentek. Die SPD-Politikerin findet, dass der Sanierungsstau ein Geld- und kein Organisationsproblem sei: „Was nützt eine Behörde, wenn die mit den gleichen Mitteln auskommen muss?“
Berechtigter Einwand, meint Remlinger. „Sicherlich muss mehr Geld für die Schulen investiert werden. Aber zunächst muss ich einen Behälter bauen, der dicht ist. Ich pumpe doch keinen Geld in einen maroden Schlauch.“ Tatsächlich müssen die Bezirke derzeit Haushaltsmittel nicht zweckgebunden einsetzen – statt Schulbauten zu sanieren, können sie mit dem Geld auch Schulden abbauen.
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