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Ein Spiegelbild der Nachbarschaft

In einem Nachbarschaftsprojekt haben Anwohner des Kottbusser Tores ein Bild ihres Kiezes entworfen: Es ist eine flüchtige Collage, die von sozialen Verwerfungen und Wünschen erzählt

Hier entsteht eine der Collagen für den U-Bahnhof Kottbusser Tor. Mit dabei der Mieterrat Nord Süd Foto: Kotti-Shop

Von Andreas Hartmann

Mietskasernen, die sich in alle Himmelsrichtungen erstrecken, Katzen- und Hundeköpfe und dazwischen immer wieder eines der U-Bahn-Schilder vom Kottbusser Tor. Urbane Impressionen, zum Großteil direkt am Kotti entstanden, purzeln inein­ander in den Collagen, die derzeit rund um Kreuzbergs markantesten Ort zu sehen sind. An Schaufenstern von Ladengeschäften rund um den Kotti wurden sie angebracht, an der Bibliothek und sogar auf Werbetafeln der U-Bahn-Station am Kreuzberger Tor.

Viele der Collagen arbeiten nur mit Bildern, auf manchen wurden aber auch Statements untergebracht, wie „Kotti für alle“ oder „Hoch mit den Löhnen, runter mit der Miete!“ Bewohner und Bewohnerinnen rund um den Kotti thematisieren so auch ein Thema wie die fortschreitende Gentrifizierung, die hier zu spüren ist, nach draußen.

Die Collagen sind im Rahmen eines Kunstprojekts entstanden, das im Projektraum Kotti-Shop entwickelt wurde, der sich im Erdgeschoss des Neuen Kreuzberger Zentrums befindet. „Kotti L’Amour_The Circle“ nennt sich die Aktion, die noch bis zum 7. März läuft.

Julia Brunner und Stefan Endewardt betreiben den Kotti-Shop, den es bereits seit 2008 gibt. Ihr Kunst- und Projektraum ist winzigklein, die Wände sind vollgepflastert mit Fotokopien von Kotti-Motiven aller Art, aber auch der Fernsehturm ist darunter, schließlich gehört der Kotti mit zu Berlin. Und auf dem Tisch liegen jede Menge ausgeschnittener Schnipsel herum, die zeigen, dass hier immer noch kräftig weitercollagiert wird.

Zum gemeinsamen Ausschneiden trifft man sich hier schon seit ungefähr acht Jahren, erzählt Julia Brunner. Immer mittwochs von 16 bis 19 Uhr. Die ganze Nachbarschaft ist geladen, von Jung bis Alt, von Kindern bis Rentnern kommen alle hier vorbei, um die Schere in die Hand zu nehmen. Die einen nur kurz, andere länger, manche würden auch regelmäßig jeden Mittwoch auf der Matte stehen. „Miteinander verweilen, dasitzen, Kaffee trinken, Kuchen essen, quatschen. Und collagieren“, darum gehe es, sagt Brunner.

Dass man mit den künstlerischen Arbeiten Teil einer Ausstellung im öffentlichen Raum geworden ist, steht seit gut einem Jahr fest. In der Zeit wurde collagiert, was das Zeug hält, wegen Corona saß man dabei immer gemeinsam nicht in, sondern vor dem Kotti-Shop, auch wenn es recht kalt war.

Was dabei entstanden ist, nennt Stefan Endewardt ein „Spiegelbild der Nachbarschaft“. „Die Bewohner und Bewohnerinnen rund um den Kotti haben ihre Probleme und ihre Wünsche zusammengetragen und ihnen bildhaft Ausdruck verliehen. So divers diese auch sein mögen. Die Statements kommen aus dem real gelebten Alltag“, ergänzt Julia Brunner, „da geht es um die Müllfrage, um Ratten, um Pisse vor der Haustüre. Aber auch darum, dass wir ein buntes Dorf sind.“

„Hoch mit den Löhnen, runter mit der Miete!“, fordert eine Collage

Die Collage erscheint dabei als das perfekte Medium, um einen so dermaßen vielfältigen, aber auch von unterschiedlichen sozialen und kulturellen Verwerfungen betroffenen Ort wie den Platz am einstigen Kottbusser Tor adäquat abbilden zu können. Stefand Endewardt sagt: „Die Nachbarschaft ist unglaublich vielschichtig und es gibt so viele unterschiedliche politische Hintergründe, aber der gemeinsame Nenner ist der gemeinsam geteilte Raum.“

Stefan Endewardt wohnt selbst mitten am Kotti. Er sagt: „Wir kennen die ganzen Nachbarn hier. Und auch ihre Probleme.“ Auf eines davon blickt man direkt, wenn man aus dem Kotti-Shop nach draußen schaut, auf einen Spielplatz, der einmal das „urbane Wohnzimmer“ hier gewesen sei, wie Endewardt es formuliert. Nachdem hier aber zwei Drogentote aufgefunden wurden, hat man einen Zaun um den Spielplatz errichtet. „Dadurch wurde der Sozialraum zerstört“, sagt Endewardt. Das gehöre zu den Dingen, mit denen sich die Leute hier beschäftigten. Oder dass derzeit im Gespräch ist, direkt am Kotti eine Polizeistation zu errichten. „Das finden die einen gut, die anderen nicht“, so Endewardt. Und was man genau daran gut oder eben nicht gut findet, wird dann eben auch beim gemeinsamen Collagieren vor dem Kotti-Shop erörtert.

„Nachbarschaft ist das Gegenteil von Kontrolle!“, steht auf einer der Collagen. Das liest sich doch wie so eine Meinung zur angedachten Polizeistation, die nun Dank „Kotti L’Amour_The Circle“ nach außen getragen wird. Eben darum gehe es ja, sagt Endewardt, „um die Möglichkeit, in den Stadtraum zu sprechen. Oft bleiben die Leute hier unsichtbar. Nun können sie ihre Meinung kundtun.“

Kotti L’Amour_The Circle. Bis 7. März

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