„Tatort“ aus Nürnberg: Wo das Reich gerettet wird
Im Nürnberger „Tatort“ wird es diesmal persönlich. Es geht darum, was passiert, wenn der Zusammenhalt auseinanderbricht.
Spätestens als bei der spitzenmäßigen Einweihungsparty von Kommissar Felix Voss alle Kollegen lachend durcheinander brüllen, um Patti Smiths „Because the Night“ zu übertönen, zwei stumm das Dessert aus dem Schlafzimmer holen, um die zwei anderen nicht zu stören, die da gerade übereinander herfallen, spätestens da ahnt man: In dieser Nürnberger „Tatort“-Folge wird es persönlich, es geht um einen vertrauten Kern und darum, was passiert, wenn dieser Zusammenhalt aufbricht. Eine brillante Versuchsanordnung, die leider zerfasert.
Natürlich dauert die Fete nicht lange, das Telefon klingelt, und alle brechen auf zum Tatort. Zwei Libyer, Geschwister, voll integriert, wie man so schön sagt, liegen in ihrem verkrusteten Blut, erschlagen. Und: Der Ziehsohn des Opfers, ein Einser-Student, ist verschwunden. Kurz nachdem er in einem Prozess als Hauptzeuge drei Dorfjungs belastet hat. Am Tatort nur: ein silbernes Perückenhaar.
Und dann gerät das Duo Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) in ihrem vierten Fall in ein dörfliches Dunkeldeutschland, dessen Düsternis sich wie Bleidunst über alle Bilder legt. Mitten in die Zwei-Kind-Familie von Ringelhahns eng vertrautem Exkollegen Frank Leitner – gespielt von André Hennicke, der leider nur sekundenkurz auftaucht, bevor er vollgepumpt mit Antidepressiva im Auto verunglückt – und seiner Frau Gudrun (beklemmend gut: Ursula Strauss). Die Silberperücke, es war ihre.
Im Leitner-Haus wird getrauert, daneben stapeln sich Broschüren über die „Die Verelendung unserer Republik“, über die Lügenpresse, zu Statistiken über kriminelle Ausländer und Integrationskosten. Doch davon ist nach außen nichts zu merken. Und das ist sicher der größte Haken an der ganzen Geschichte von Drehbuchautor und Regisseur Max Färberböck: Es ist heute leider schlicht unrealistisch, dass irgendjemand mit seiner rechten Haltung hinterm Berg halten würde. Sie ist zu normal geworden. Da wird nichts mehr unter den Teppich gekehrt.
Franken-„Tatort“: „Ich töte niemand“, So., 20.15 Uhr, ARD
Wie Färberböck, der schon den Auftakt dieses Duos schuf, nun mit dieser Folge eine Art Engführung der Figuren vorantreibt, ist hingegen konsequent: indem er sie mit Persönlichem konfrontiert und so ihren mal lakonischen, mal fassungslosen Kern freilegt. Und vor allem ihre klare Haltung: „Sie stehen ja schon wieder. Immer wieder“, sagt Voss am Ende ungläubig, nachdem ein Rechtsradikaler zu Boden gegangen war: Nazis, die Stehaufmännchen unserer Zeit.
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