: Keine Pizza in der Penne
Zwei Gymnasien in Westfalen verhängen Fastfood-Verbote. Lehrerverbände klagen über fehlende Essensangebote an Schulen. „Gymnasien haben de facto Ganztagsunterricht“
VON MIRIAM BUNJES
Heute fährt das Pizza-Taxi zum letzten Mal auf dem Schulhof des katholischen Brede-Gymnasiums vor: Als eine von zwei Schulen in NRW hat die Brakeler Schule ein Pizza- und Fastfoodverbot verhängt. „Das Essverhalten unserer Schüler ist unerträglich geworden“, sagt Schulleiter Friedhelm Molitor. Ganze Schulklassen orderten ihr Mittagessen beim örtlichen Pizza-Service. „Die Kartons bleiben dann meistens in den Klassenräumen liegen“, sagt der Brakeler Rektor. Was ihn und das Lehrerkollegium besonders stört: In der Schulcafeteria gibt es warmes Essen für zwei bis vier Euro – also im unteren Pizzapreisbereich. „Das Essen ist manchen Schülern wohl nicht cool genug“, vermutet Molitor. „Dabei ist es ganz normales Essen.“ Heißt: Kartoffeln mit Soße, Fisch, Fleisch, Salat.
Nach den Osterferien wird es in Brakel kein anderes Essen mehr. Und ein Herforder Gymnasium ist Molitors Beispiel bereits gefolgt: Auch das Königin-Mathilde Gymnasium hat vor zwei Tagen ein Fast-Food-Verbot verhängt – wegen des anfallenden Mülls und aus gesundheitlichen Gründen.
Fast-Food-Mittagessen wird in NRW vor allem an Gymnasien ein Problem, hat der Lehrerverband VBE beobachtet: „Von der Stundenzahl sind die Gymnasien längst Ganztagsschulen“, sagt Udo Beckmann, Vorsitzender beim VBE NRW. Seit dem laufenden Schuljahr soll eine Schulkarriere an den 630 Gymnasien des Landes nach acht Jahren enden. Entsprechend voller sind die Stundenpläne der Schüler. „Sie stehen meistens vor sieben Uhr am Schulbus und kommen nach 15 Uhr nach Hause“, sagt Beckmann. „Trotzdem werden in NRW nur Haupt- und Grundschulen in Ganztagsschulen umgewandelt.“ An den meisten Gymnasien gebe es keine Essensräume. „Es müsste angebaut werden, aber als offizielle Halbtagsschule gibt es dafür kein zusätzliches Geld.“ Stattdessen gibt es Cafeterien. „Da gibt es aber hauptsächlich Süßigkeiten“, sagt Beckmann. „Die Schüler finden das zwar leckerer, unser Erziehungsauftrag umfasst aber auch die Erziehung zur Gesundheit.“
Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Sigrid Beer, fordert daher: „Wir müssen bei den Ganztagsschulen endlich unseren Entwicklungslandstatus verlassen. Wenn Schüler bis Nachmittags zur Schule gehen, brauchen sie auch ein Mittagessen. Das hat die Landesregierung für die Gymnasien übersehen. “ Das sieht Andrej Priboschek, Sprecher des Schulministeriums, anders: „Die Kommunen sind Schulträger und damit für die Gebäude zuständig. Sie können ja Mensen bauen, wenn sie das für nötig halten.“ Beers Fraktion hielt gestern im Landtag dagegen: Wenn die Landesregierung die Gymnasien de facto zu Ganztagsschulen mache, „muss das Land auch zahlen“, so Beer. Schließlich seien viele Städte hoch verschuldet.
Die Grünen fordern zudem Gratis-Schulessen. „Für eine Hartz-IV-Familie sind auch täglich 2,50 Euro fürs Essen zu viel“, so Beer. NRW könne wie Rheinland-Pfalz einen Essensfonds einrichten. Der Sprecher des Ministeriums dazu: „Ob es wünschenswert ist, dass vom Steuergeld des kleinen Mannes den Bürgerkindern Essen bezahlt wird, bezweifeln wir.“
Ob Schulessen die Abkehr vom Fast-Food bedeutet, bezweifeln auch die Lehrer. Denn auch an NRWs Ganztagsschulen mit Mittagskarte gibt es eindeutige Vorlieben. „Wenn es Pommes mit Hähnchen gibt, ist die Mensa voll, Gemüsebeilagen schrecken die Schüler ab“, sagt Udo Beckmann. Die Lehrergewerkschaft hat sich deshalb kürzlich bei einem Ernährungskongress zur Mensafrage beraten. „Am besten läuft es in den Schulen, die einen Mensabeirat haben und ihre Schüler so am Essensplan beteiligen“, sagt Beckmann.
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