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„Die 30-Jährigen haben sich abgefunden“

Der Kölner Sozialstatistiker Eckart Bomsdorf hält die Debatte über drohende Altersarmut für übertrieben

ECKART BOMSDORF, 63, ist Professor für Sozialstatistik an der Uni Köln und saß in der Enquete-Kommission „Demografischer Wandel“.

taz: Herr Bomsdorf, in Nordrhein-Westfalen erhalten Ruheständler zwischen 574 und 710 Euro Rente monatlich. Sind solche Summen in 30 Jahren undenkbar?

Eckart Bomsdorf: Bei der Interpretation solcher Zahlen sollte man sehr vorsichtig sein. Es sind Durchschnittswerte, die nicht berücksichtigen, dass viele Rentnerhaushalte noch weitere Einkommen aus einer zweiten Rente, Vermögen oder Wohnungseigentum haben. Zukünftige Rentner werden durchschnittlich sicherlich sogar mehr staatliche Rente als die heutigen 600 Euro bekommen, weil die Frauenerwerbstätigkeit stark steigt und die Rente dynamisch angepasst wird. Fragt sich nur, wie viel dieses Geld dann wert ist.

Zukünftige Rentner sind also ärmer dran.

Genau das heißt es eben nicht. Sie können ihren Lebensabend nicht mehr von der staatlichen Rente bestreiten, das stimmt. Wer heute 30 ist, weiß das aber auch und baut sich eine andere Alterssicherung auf. Und dafür haben die heutigen Jungen sogar mehr Geld.

Wieso?

Weil sie weniger Kinder kriegen. Dadurch geben sie auch viel weniger Geld aus, das sie in eine private Altersvorsorge stecken können.

Gerade das zerstört doch das Rentensystem: Wenig Junge, die viele Alte finanzieren müssen.

Deshalb müssen alle länger arbeiten und die Jungen werden sich künftig immer stärker selbst um die Rente kümmern müssen.

Haben die Jungen denn das Geld, um sich zu kümmern? Im Arbeitsleben werden lebenslange Jobs ja auch seltener.

Das Arbeitsleben wird tatsächlich flexibler. Aber es war auch früher nicht so, dass Arbeitsplätze lebenslänglich erhalten blieben.

Es droht also keine massenhafte Altersarmut.

Nein, das ist Panikmache. Was feststeht, ist: Die Lebensarbeitszeit wird sich verlängern, zunächst bis 67 – das gilt aber erst ab dem Jahr 2029 und nicht morgen. Damit nicht ein Arbeiter einen Rentner finanzieren muss, müssen alle länger arbeiten. Für einzelne Berufsgruppen mag das ungerecht sein, da müssen eventuell Sonderregelungen greifen. Alle werden immer älter, schon jetzt laufen die Renten zwanzig Jahre lang. Auf Protestdemos gegen die Rente ab 67 sieht man übrigens fast nur Menschen über 50, die gar nicht betroffen sind. Die Dreißigjährigen haben sich längst mit ihrer Rentenzukunft abgefunden.

INTERVIEW: MIRIAM BUNJES

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