: Little Miss America
IDEAL In den USA gehören Schönheitswettbewerbe für Kinder zum Alltag. Familienhobby, sagen dort die Eltern. Fahrlässig, findet man hier. Eine Fotoreportage von Laerke Posselt
■ Die Fotografin: Laerke Posselt, 28, studiert Fotojournalismus und lebt in Kopenhagen. Ihre Fotografien wurden in internationalen Zeitungen und Magazinen veröffentlicht. Für ein Porträt wurde Posselt 2012 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet.
■ Die Bilder: Die Fotoreportage „Beautiful Child“ ist 2012 in den USA entstanden. Posselt belegte mit ihr den vierten Platz des Unicef Photo of the Year Award.
Die Bräunungsdusche mögen sie oft nicht, sie fühlt sich an wie kalte Luft auf der Haut. Wenn die falschen Wimpern auf den Lidern lasten und die Perücke juckt, schreien die Mädchen schon, sagt Laerke Posselt, oder wenn sie nicht wissen, welchen Gesichtsausdruck Mama will, put on your sassy face, baby, hören sie, schau jetzt kokett, Kleines.
Es ist wie bei einer eigenen Gemeinde, findet Posselt, 2012 hat die Fotografin aus Kopenhagen Schönheitswettbewerbe für Kinder in Alabama, Georgia und South Carolina dokumentiert, The Big Trophy, Tu Tu Glitz on Tour: Man kennt sich, trifft sich bei Miss-Wahlen. Die Familie reist über das Wochenende ins Hotel, Unterkunft und Veranstaltungsort zugleich, dann werden Kleider und Ketten aufeinander abgestimmt, Lockenwickler, künstliche Fingernägel und kleine Gebisse ausgepackt, die Zahnlücken verdecken. Geschlafen wird wenig, manikürt viel.
Dabei ist die Nacht vor dem Auftritt vielen bloß der Endspurt eines teuren, täglich abzuarbeitenden Lebensprojekts, ein Mutter-Tochter-Programm, das Väter meist nur streift und Geschwister zum Bestandteil hat. Ihre Brüder und Schwestern müssen helfen, wenn Sophia, zwei Jahre – Posselt hat sie zu Hause besucht – bei der nächsten Show eine Krone gewinnen soll. Sophia hat ein Bräunungszelt im Wohnzimmer, eine Facebook-Fanpage und im letzten Jahr an so vielen Miss-Wahlen teilgenommen, dass ihre Mutter nicht weiß, an wie vielen. Abends isst die Familie vor dem Fernseher, weil sich auf dem Esstisch das Make-up stapelt.
Laerke Posselt sagt, die Eltern, die sie erlebt hat, wollen für ihre Kinder das Beste, und das Beste bedeutet ihnen Ruhm. Sie sagt auch, dass die Eltern, die sie erlebt hat, über eine Sexualisierung ihrer Kinder nicht nachdenken. „Child Beauty Pageants“ gibt es in den USA seit mehr als fünfzig Jahren, Großbritannien hat im Sommer erstmals die „Miss Mini Princess UK“ gesucht.
Sind sie gerade ein paar Wochen alt, werden die Mädchen getragen. Sonst stehen sie allein auf der Bühne, Kajal um die Augen, Gloss auf den Lippen, die Windel unter dem Rüschenkleid, und winken. Ein Luftkuss nach links, eine Drehung nach rechts, Kategorie schönstes Kleid, Kategorie schönstes Haar, Mama ruft smile! im Publikum, und baby, put on your sassy face.
ANNABELLE SEUBERT
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