: Flüchtlinge außen vor
ANLAUFSTELLE GESCHLOSSEN
Gerade vier Wochen ist es her, da sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) auf der Jahrespressekonferenz des auch für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständigen Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) einen für seine Verhältnisse beinahe zornigen Satz. „Ganz fransig“ mache es ihn, so Czaja, wenn behauptet werde, Berlin verweigere Flüchtlingen die notwendige Versorgung: Er könne doch nicht denen mehr geben, die ihre Forderungen mit Erpressung durchsetzen wollten, so der sonst meist durch Freundlichkeit auffallende Senator. Er meinte die Flüchtlinge vom Oranienplatz.
Doch nun scheint der Christdemokrat dazugelernt zu haben, dass Erpressung ein durchaus probates politisches Druckmittel ist. Denn welches Ziel verfolgt der Sozialsenator, wenn er – wie diese Woche – die Erstanlaufstelle für Flüchtlinge in Berlin tagelang schließen lässt? Er will die zuständigen Stellen in Bund und Land erpressen: nämlich dazu, seiner Behörde mehr Mittel und Manpower zur Verfügung zu stellen, um der wachsenden Zahl Asylsuchender Herr zu werden.
Das Ziel, das der Senator da verfolgt, ist richtig und wichtig: Alle mit Flüchtlingen befassten Behörden und Beratungsstellen sind am Ende ihrer Leistungskraft. Und dass Czaja bei der Verfolgung seines Ziels von den Flüchtlingen gelernt hat, kann aus zwei Gründen erfreuen: zum einen, weil es immer Freude bereitet, wenn PolitikerInnen dazulernen; zum anderen, weil es hoffen lässt, dass er den Oranienplatz-AktivistInnen und ihren (sehr beschränkten) Möglichkeiten politischer Einflussnahme künftig mit weniger Härte gegenübersteht.
Dass Czaja damit allerdings nun zunächst allen Flüchtlingen, die neu nach Berlin kommen, die notwendige Versorgung verwehrt – denn wer keinen Erstaufnahmeantrag beim Lageso stellen kann, bekommt auch kein Obdach und kein Geld –, ist die dunkle Seite seiner Vorgehensweise. Und zwar eine, die mehr als nur fransig macht.
Denn wenn Flüchtlinge vom Oranienplatz mit der Dachbesetzung eines Heims in der Gürtelstraße eine erneute Prüfung ihrer Asylanträge durchsetzen wollen, sind sie selbst Opfer ihrer „erpresserischen“ Taktik. Czajas Erpressungsstrategie dagegen baden – ganz ungefragt – andere aus. ALKE WIERTH