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Kolumne Die KriegsreporterinWir Journalisten sind wie die FDP

Kolumne
von Silke Burmester

Die „Freischreiber“ dürfen endlich Presseausweise verteilen. Die Zeitungsverleger haben Angst vorm Mindestlohn. Und was wird aus Susanne Gaschke?

Wird auch sie den Mindestlohn erhalten? Susanne Gaschke. Bild: dpa

H allo taz-Medienredaktion! Stimmt es, dass du immer noch Mitglied beim DJV bist? Oder bei Ver.di? Jedenfalls bei einer dieser Oldschool-Gewerkschaften, die beim Warten auf Veränderung Tee trinken und sich auf dem Podest, den Presseausweis ausstellen zu können, ausruhen? Obwohl du Freischreiber viel toller findest?

Da geht es mir ähnlich. Auch ich bin immer noch im Ver.di-Club, auch weil es mit dem Presseausweis so praktisch ist. Wobei ich auch Mitglied bei Freischreiber bin, weil die so toll sind. 2014 aber wird alles anders!

Dann kann mein kleiner, tapferer Lieblingsverein auch Presseausweise ausgeben, und dann gibt es keinen Grund, länger bei den Manschettenknopfträgern oder bei den Zauselbärten zu bleiben. Bis auf die Albernheit, dass Freischreiber seine MitgliederInnen auf der Homepage siezt, kann man wirklich sehr, sehr zufrieden mit uns sein!

Was ja eine schöne Erkenntnis ist. Und nicht selbstverständlich. „Das Eingeständnis der eigenen Fehler zählt nicht unbedingt zu den herausragenden Eigenschaften unseres Berufsstands“, ist ja nichts, das nur ich sagen würde, wenn ich denn rechtzeitig draufgekommen wäre, sondern etwas, das Giovanni di Lorenzo gesagt hat.

Und der muss es wissen. Sonst wäre Die Zeit ja der Einladung von Freischreiber nachgekommen, über die miesen Honorare und die sonderbaren Vergütungsmodellen für Freie vor dem Hintergrund der Etablierung der Zeit als Leitmedium derer, die eine faire Welt wollen, zu sprechen.

Mindestlohn schmälert Maximalrendite

Aber das möchte man nicht. Was ähnlich konsequent ist, wie wenn der Bund der Zeitungsverleger vor der Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro für die Zeitungszusteller warnt. Offiziell bejammern sie, dass dann angeblich manche Lokalzeitung nicht mehr ausgetragen werden kann. Tatsächlich ist die Rechnung doch wohl: Mindestlohn schmälert Maximalrendite.

Interessant wird die Frage werden, ob Susanne Gaschke, die gerade zurückgetretene Oberbürgermeisterin von Kiel, die zuvor als Journalistin bei der Zeit arbeitete, bald wieder veröffentlichen wird. Und wo. Die Rückkehr zum Schreiben hatte sie in Aussicht gestellt. Sicherlich kann man zunächst ein Buch erwarten.

Und dann? Wird die Frau, gegen die Verfahren wegen des „Anfangsverdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall“ läuft, auch dann wieder als Journalistin arbeiten, sollte sich der Verdacht bestätigen? Schließlich liebt unsere Branche es, moralische Verfehlungen über alles zu stellen und eine generelle Eignung dieser Menschen in vielerlei Hinsicht infrage zu stellen.

Oder verhalten sich die Medien so, wie der FC München es aktuell im Fall von Uli Hoeneß tut, dessen ehrenwerte Vorstände unbeeindruckt zu Hoeneß halten, schließlich hat er ja den Staat um Millionen betrogen, nicht aber den FC? Es wird interessant sein zu gucken, ob die Maßstäbe, mit denen die moralischen Verfehlungen eines zu Guttenberg und Wulff angelegt wurden, auch gelten, wenn es jemand aus den eigenen Reihen trifft.

Ich nehme an, man ist in diesem Fall der FDP nahe, die den verurteilten Steuerbetrüger Otto Graf Lambsdorff zum Ehrenvorsitzenden machte. Da Susanne Gaschke als sehr gute Politikjournalistin gilt, stünde einer Rückkehr in den sogenannten Qualitätsjournalismus wohl nichts im Wege. Womöglich ist sie bald Mitglied der Henri-Nannen-Jury. Wir sind da nicht so. Tom Kummer wird ja auch immer wieder beauftragt.

Gespannt auf den Ausgang des eigenen Verfahrens, das heute Nachmittag entschieden wird und die Frage klärt, ob ich Matthias Matussek einen „berühmten“ Pantoffelträger nennen darf, zurück nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
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6 Kommentare

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  • Ich bin entsetzt, dass ein Mann wie Matthias Matussek, von dem ich hörte, dass er ein legendärer "Puffgänger" sein soll, hier ausschließlich nach seinem Schuhwerk beurteilt wird. Geht gar nicht, Leute! Auch nicht mit Presseausweis.

  • UJ
    Ulrich Janßen, dju

    Moin,

    ich fang mal mit einem Outing an: Mangels Manschettenknöpfen bin ich einer von den Zauselbärten. In der Oldschool-dju, die zur ver.di gehört, werden MitgliederInnen weder gesiezt noch geduzt. Wir haben gar keine MitgliederInnen, wohl aber eine Frauenquote in unseren Gremien. Oldschool sehen wir nämlich nicht dogmatisch.

    Der Presseausweis - und zwar der richtige - ist uns wichtig. Aber wir haben mehr und auch viel bessere Argumente, als freie oder feste Journalistin Mitglied bei uns zu bleiben oder werden. Ein paar Beispiele: Unser Freien-Service mediafon.net, unser "Ratgeber Selbstständige", unsere Siege im Kampf gegen rechtswidrige Verlags-AGB, die Zauselbärte und Manschettenknopfträger gemeinsam erringen. Wir pflegen das klassische Crowdfunding: Mitgliederbeiträge abhängig vom Einkommen.

    Beste Grüße

    Ulrich Janßen, dju in ver.di

  • O
    Oldschooler

    Ach Silke, du organisierst dich also nur, weil du so leichter an einen Presseausweis kommst? Und du glaubst fest, dass tapfere Gespräche mit Chefredaktionen, diese verschämt einlenken und bessere Honorare zahlen lassen? - Dann glaubst du tatsächlich auch, dass zur Schlagkräftigkeit der Freischreiber eigentlich nur nur noch fehlt, dass sich alle duzen. Anschließend kann es dann endlich ohne Manschettenknöpfe und Zauselbärte ans Welt und Honorare retten geht? - Du hast Recht: manche Journalistinnen wirken wie die FDP.

     

    Und wo wir schon bei seltsamen Verbänden sind: Irgendwelche Presseausweise darf tatsächlich jede Firma und jeder Verein ausstellen. Aber wie schon deine launige Analyse der "Oldschool-Gewerkschaften" zeigt: Du lässt dir eine Geschichte doch nicht durch Recherche kaputt machen. - Bleibt die Frage: Wozu eigentlich brauchst du für solche Schreibtisch-Storys einen Presseausweis?

  • Schildert uns Silke Burmester soeben ihren letzten Traum oder ist es ein schnelles Brainstorming nach dem Frühstück?

    Sie erzählt von Kollegen der schreibenden Zunft, richtig verstehen wird es nur ein Insider oder jemand wie ich, der sich wegen Tom Kummer mit Google aus die Suche machte.

    1. Silke Burmester (freie Autorin, Petra, Amica, SPIEGEL online, Sächsische Zeitung, ZEIT usw., unterrichtet an Henri Nannen Schule), 2. Giovanni di Lorenzo (ZEIT-Chefredakteur, Tagesspiegel-Mitherausgeber) 3 Matussek (SPIEGEL, der mit der PR-Klage gegen Kurt Krömer) usw.

    Eine versteckte Kritik an der ZEIT, für die sie als Freie evtl. zu wenig Honorar bekommt?

    Qualitätsjournalismus, Henri-Nannen-Jury, beeindruckend.

    Tom Kummer scheint mir noch die interessanteste Person in ihrer Aufzählung zu sein. Der hatte wohl Interviews mit Hollywoodstars frei erfunden und sich nach der Aufdeckung einen Rüffel eingefangen, ist aber wohl wieder im Geschäft. Wenn ich richtig liege, kreisen die Gedanken der Autorin hauptsächlich um den Ethik-Kodex von Journalisten. Gibt es ihn wirklich, den seriösen Journalisten, der nur die Wahrheit schreibt? Mensch, die Silke ist Jg. 1966. So jung und schon so erfolgreich. Phantastisch.

  • HZ
    Hendrik Zörner

    Kein Presseausweis

    Der allgemein anerkannte Presseausweis, den Silke Burmester meint, wird von sechs Verbänden, darunter DJV und dju, ausgestellt. Der Verein Freischreiber gehört nicht zuden ausstellungsberechtigten Verbänden. Diesen Verbänden ist auch nicht bekannt, dass die Freischreiber im nächsten Jahr zu ihrem Kreis gehören werden. Insofern ist Frau Burmesters Darstellung falsch.

    Hendrik Zörner

    DJV-Pressesprecher

    • @Hendrik Zörner:

      Amüsant, dass Sie nicht auf die Kritik am DJV eingehen, sondern darauf Wert darauf legen, dass der DJV (und andere Verbände) den "anerkannten" Presseausweis herausgeben.

       

      Aber was bitte bedeutet "anerkannt"? Der Hinweis der Innenminister fehlt auch auf dem DJV-Ausweis seit Jahren und mir (ich betreibe Pressekonditionen.de!) sind viele Firmen bekannt, die sich neben dem Presseausweis einen Tätigkeitsnachweis zeigen lassen. Denn, mal Hand aufs Herz: Auch beim DJV kann ein Nicht-Journalist einen Ausweis bekommen. :-)

       

      Sebastian Brinkmann

      Pressekonditionen.de