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Kommentar Türkei und IrakVon Erdogan gerufene Geister

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die angeblich einflussreiche Regionalmacht wird von Terroristen vorgeführt. Vielleicht versteht Ankara nun, dass seine neo-osmanische Außenpolitik gescheitert ist.

Auf Schleudersitzen: Erdogan (l.) und Präsident Abdullah Gül. Bild: reuters

S eit dem Vormarsch der islamistischen Isis-Kämpfer im Irak befindet sich die türkische Regierung in der Rolle des Zauberlehrlings. Die Kräfte, die sie einst rief, schlagen nun auf sie selbst zurück. Statt Assad und die syrischen Kurden zu bekämpfen, versucht Isis, sich ihren eigenen Gottesstaat zu schaffen, und nimmt auch noch die Konsulatsmitarbeiter ihrer Protektoren in Mossul als Geiseln.

Auch wenn die türkische Regierung es bestreitet, es gibt viele Indizien dafür, dass der Geheimdienst Ankaras die Isis lange unterstützt hat. Dafür sprechen aufgeflogene Waffenlieferungen, der Transfer von Isis-Kämpfern über die türkische Grenze und die Behandlung verwundeter Kämpfer in türkischen Spitälern.

Erdogan wollte in Syrien nicht nur die Opposition gegen Assad unterstützen. Stark werden sollte vor allem die religiös-sunnitische Opposition, über die man zukünftig in Syrien mitregieren wollte. Diese Strategie ist krachend gescheitert. Die Isis-Dschihadisten lassen sich nicht lenken. Stattdessen drohen sie, türkische Geiseln zu erschießen.

Die angeblich einflussreiche Regionalmacht wird von den Terroristen vorgeführt, und Ankara weiß nicht, wie es reagieren soll. Nach dem Sturz der Muslimbrüder in Ägypten ist dies die zweite Niederlage der türkischen Außenpolitik. Jetzt muss der vermeintliche Weltpolitiker Erdogan darauf hoffen, dass die USA die Kastanien aus dem Feuer holen.

Vielleicht setzt sich in Ankara nun langsam die Erkenntnis durch, dass ihre neo-osmanische Außenpolitik ein Hirngespinst ist, das nur scheitern konnte. Europa und auch die USA könnten in diesem Fall zukünftig wieder mit einem kooperativeren Partner rechnen, als das in den letzten Jahren der Fall war. Vor allem aber sind nun die Kurden als handelnde Kraft gegen die Islamisten in einer stärkeren Position als je zuvor.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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5 Kommentare

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  • Jetzt hat die Tuerkei sich nicht nur die Finger verbrannt,sondern beide Haende.Man hat mit dem Feuer gespielt weil man drin zugestimmt hat dass die Nato von ihrem Grundgebiet aus den syrischen Krieg fuehren konnte.Die Belohnung war Zutritt zur EU.Jetzt ist die ganze Region angesteckt und werden viele Laender destabilisiert.Die US-Krieger i/d Nato haben wieder einmal Mist gebaut weil die EU-MarionetNatoMinister alles abgenickt haben (man sollte sie dafuer sofort entlassen).Die Tuerkei sieht eine Kurdische Nation entstehen,die NatoUS-Krieger verlieren ihren SyrienKrieg und die ganze Region droht zu explodieren inkl. die Tuerkei selbst.Erdogan hat gespielt und verloren,genau wie die EU nach den vielen US-Kriegsabenteuern,nur in Probleme+Krisen versandet

  • Von welcher Osmanischen Politik redet ihr?! Es gibt keine. Hier sollen wohl sowohl das Osmanische Reich als auch die Türkei mit einem spruch niedergemacht werden...

     

    Die aktuelle Regierung hat sich immer für Schutzbedürftige eingesetzt und niemals den Terror unterstützt. Wieso sollte die ISIS das türkische Konsulat überfallen wenn sie unterstütztung von der Türkei bekommen hätten? "Die aufgeflogenen Waffenlieferung" waren nur Verleumdung wie es sich rausgestellt hat, aber statt zu recherchieren wird hier weiter mit Sch** geworfen... Mittlerweile haftet da soviel von, dass daraus neue Theorien hergeleitet werden :)

    • D
      D.J.
      @a2thek:

      "Hier sollen wohl sowohl das Osmanische Reich als auch die Türkei mit einem spruch niedergemacht werden..."

       

      Mit ebendiesem Satz zeigen Sie doch gerade, wo das Problem liegt: Die seit einigen Jahren zu beobachtende Verklärung des Osmanischen Reiches. Ein Reich, das seinen Wohlstand nur durch dauernde, zuweilen grausame, Expansion halten konnte und dessen wirtschaftlicher Niedergang begann, als die Expansion zum Ende kam.

      Natürlich werden Sie jetzt rufen "Aber die Kreuzzüge!" Gewiss, aber die verklärt ja auch kein vernünftger Mensch (mehr).

      • @D.J.:

        welches Problem? das sind nur oberflächliche Sprüche ohne konstruktiven inhalt...

        Aber die Parallele wird also über die Expansionspolitik der Osmanen (die ja weit vor der des dritten Reiches war) gezogen? In welcher Handlung der aktuellen Regierung sehen Sie dies?

         

        wieso kreuzzüge? ich wüsste nicht welches Land sich für die Kongokonferenz entschuldigt hätte...

        • D
          D.J.
          @a2thek:

          Ich habe mich oben überhaupt nicht über irgendwelche Parallelen geäußert. Ich habe lediglich festgestellt, dass Sie offenbar das Osmanische Reich als vorbildliches Staatsgebilde ansehen, wenn Sie so pikiert auf dessen vermeintliches "Niedermachen" reagieren. Erinnert mich an Erdogan, der sich massiv über einen türkischen Film über Süleyman Kanuni beschwert hat, weil der "Held" nicht immer gut dabei wegkam.

          Und gern können wir auf die Kongokonferenz eingehen: Z.B. hat sich Joschka Fischer als Außenminister um das Jahr 2000 für den europäischen Kolonialismus entschuldigt. Ob es allerdings sinnvoll war, dies gerade in Saudi-Arabien zu tun, wäre angesichts der von der Arab. Halbinsel ausgehenden Geschichte der ostafrikanischen Sklaverei zu diskutieren.

          Jedenfalls sehe ich keine Verklärung der europ. Kolonialgeschichte. Sie?