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Missbrauchsfilm „Einfach die Wahrheit“Was hat Papa getan?

Sag „Einfach die Wahrheit“, Laura! Hat dein Vater dich sexuell missbraucht? Ein ARD-Film über Missbrauch bleibt unglaubwürdig.

Mama gegen Papa: Katja Flint und Heiner Lauterbach Bild: dpa

Lügt die kleine Laura oder hat ihr Vater sie tatsächlich sexuell missbraucht? Staatsanwältin Charlotte Reinke (Katja Flint) muss das herausfinden. Schließlich wirkt sie daran mit, ob Lauras Vater dafür womöglich ins Gefängnis geht.

Roman Giesecke (Heiner Lauterbach) macht einen eloquenten Eindruck, er ist höflich und sachlich. Er liebt seine Tochter, das können alle sehen. Auch Laura liebt ihren Vater, sie läuft auf ihn zu und sie umarmt ihn angstlos. Verhalten sich so Missbrauchsopfer?

Die Mutter (Ursina Lardi) dagegen ist hysterisch, sie antwortet auf keine Frage der Staatsanwältin. Stattdessen sagt sie Sätze wie: „Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?“; „Wissen Sie eigentlich, wie es mir geht?“ Und dann hat sie ihren Exmann ausgerechnet an dem Tag des Missbrauchs an der Tochter beschuldigt, an dem sie von dessen neuer Beziehung erfuhr.

Die Sympathien sind schnell klar: Die spinnt doch. Und: Der arme Mann. Es muss also zu einer überraschenden Wendung kommen – sonst könnte der Film „Einfach die Wahrheit“ von Grimmepreisträgerin Vivian Naefe an dieser Stelle zu Ende sein. Die Wendung gibt es, klar. Ansonsten aber spielt der Film vielfach jene Klischees aus, die Filme über Missbrauch immer wieder bedienen: Giftige Frauen und vorverurteilte Männer.

Leider ist das im richtigen Leben auch häufig so, das erleben Gutachter und Therapeuten immer wieder: Ängstliche Mütter reagieren überemotional, wenn sie einen Missbrauchsverdacht haben, manche Väter bleiben auch dann noch cool, wenn sich Beweise verdichten. Deswegen hätte dem sonst so engagierten Film weniger Hysterie mehr Glaubwürdigkeit geschenkt.

Außerdem hätte sich die Produktion juristisch beraten lassen sollen. Da wird Sorgerecht mit Umgangsrecht gleichgesetzt und die Staatsanwältin spielt Polizei.

„Einfach die Wahrheit“, ARD, 20.15 Uhr

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5 Kommentare

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  • T
    Thomas

    Der Film zeigt klar auf, wie Kinder mit einem Vater der gut und böse ist umgehen können. Sie reagieren auf ihre Weise, weil sie sich z.B. niemandem anvertrauen dürfen, weil sie wie im Film ein Geheimnis brechen würden und /oder jemand den sie lieben nicht verletzen / verlieren möchten.

    Das schlimmste ist, sie haben das Gefühl Schuld an der Situation zu haben.

    Manche leben damit weiter, verdrängen es, bis es z.B. später durch irgend einen Auslöser wieder aufflammt.

    Die Psychotraumatologie beschäfigt sich mit diessem Thema und beobachtet / therapiert unglaublich viele Menschen damit.

  • U5
    Uli 54

    Gut, dass der Film die Komplexität der Situation problematisiert. Es wurde sogar deutlich, dass Vater-Mutter-Kind-Probleme in ihrer Tiefe nicht wirklich justiziabel sind. Ein Umstand, dem ausgerechnet die Justiz niemals wird Rechnung tragen können.

    Wird ein tatsächlicher Täter aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt, sind Frauen mit einer Unerträglichkeit konfrontiert und zu Recht empört. Wird ein zu Unrecht beschuldigter Täter wegen der Beweise verurteilt, sind Männer zu Recht betroffen. Diese Spannung ist unerträglich. Will man sich damit befassen, kommt es auf die wirkliche Wahrheit an, und nicht auf das, was Polizei, Zeugen, Gutachter, Psychologen, Jugendämter, Staatsanwälte, Richter für Recht und richtig erachten.

    Hier bezieht der Film Position, in dem er am Ende der tatsächlich in solchen Fällen bestehenden Unklarheit eine leider einseitige Festlegung verpasst: Dass ein Mann integer wirkt, und dass er ein liebevoller Familienvater ist, sind demnach doch Hinweise auf seine Täterschaft. Dass eine Frau hasserfüllt, gewalttätig und unzugänglich ist, sind demnach Hinweise auf ihre Opferschaft. Der Frau wird eine emotionale Befindlichkeit zugestanden, dem Mann nicht. Die juristisch korrekt arbeitenden Richter waschen ihre Hände in Unschuld, während das fernsehschauende Volk sich seine eigene Meinung bilden wird; und diese Meinung auch vollstrecken wird, mit Formen von Vorverurteilung und faktischer Gewalt, die sich unterhalb des juristischen Radars bewegen. Das mutet an wie eine feministisch orientierte Gegeninquisition. Gesehen am Vorabend des Tages an dem wir gedenken wollen, dass Gottes Sohn vom Volk als Gotteslästerer ans Kreuz geschlagen wurde. Tja, kennte man doch bloß die Wahrheit.

    Der Film ist nicht nur, aber eben auch ein subtiles Stück feministische Propaganda. In welcher Erscheinungsform kann die wirkliche Wahrheit überhaupt noch auftreten, wenn alles umgedeutet und missbraucht werden kann, und es auch nach Belieben geschieht? Mir läuft es kalt den Rücken herunter.

    Alle Beteiligten werden hier irgendwie zu Opfern, in diesem Fall im Namen des Kindeswohls.

  • E
    Ex-Odenwaldschüler

    Mir erklärte ein Jurist-jung und Strafrechtler in einer nicht unbekannten Kanzlei-vor 3 Jahren das es Missbrauch gar nicht gibt sondern nur von Müttern gegen die Väter verwendet wird um das alleinige Sorgerecht zu bekommen.

  • D
    Doroina

    Wichtigste Frage in diesem Beitrag: "Verhalten sich so Missbrauchsopfer?"

     

    Antwort: Ja, AUCH SO können sich Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kindheit verhalten!

     

    Das Problem ist, dass nach wie vor bei dieser Thematik viele, viele Klischees, Mythen und Falschvorstellungen vorherrschen. Leider auch bei den so genannten Fachleuten. Wenn ein kindliches Opfer (oder auch eine erwachsene Betroffene) sich dann nicht nach diesen Klischees verhält, dann wird nicht etwa das Klischee infrage gestellt, sondern das Opfer.

     

    Was es dringend braucht, sind endlich qualifizierte Informationen und Darstellungen über sexualisierte Gewalt, ihre Formen und Folgen - auf allen Ebenen der Gesellschaft!

  • R
    reblek

    "Lügt die kleine Laura oder hat ihr Vater sie tatsächlich sexuell missbraucht?" - Selbstverständlich kommt auch bei der taz niemand auf die Idee, mal zu hinterfragen, warum bei Kindern und Jugendlichen von "Missbrauch" geredet und geschrieben wird, während erwachsene Fragen "vergewaltigt" werden. Als ob Kindern und Jugendlichen keine Gewalt angetan würde. Und was, bitte schön, ist der "Gebrauch" von Kindern und Jugendlichen. Wenn es einen "Missbrauch" gibt, müsste es den doch wohl auch geben, oder?

    Wenn Flint und Lauterbach mitspielen, kann das ja nichts werden.