: Generalanwalt sieht kein Recht auf Hartz IV
SOZIALRECHT Arbeitssuche allein gibt EU-Bürgern noch kein Anrecht auf Sozialleistungen
FREIBURG taz | Arbeitssuchende EU-Bürger haben in Deutschland grundsätzlich keinen Anspruch auf Hartz IV. Zu diesem Schluss kam jetzt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH). EU-Bürger sollen aber Hartz IV bekommen, wenn sie bereits zeitweise in Deutschland gearbeitet haben und dann arbeitslos wurden.
Konkret ging es um eine in Bosnien geborene Frau, die heute die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt und damit EU-Bürgerin ist. Nazifa Alimanovic lebt mit ihren drei Kindern in Berlin. Die Frau und ihre älteste Tochter fanden immer wieder kürzere Beschäftigungen, sie war meist jedoch arbeitslos.
Seit 2007 enthält das Sozialgesetzbuch II eine Ausschlussklausel, wonach Hartz IV nicht gewährt wird, wenn sich Ausländer nur zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Damit wollte der Bundestag Anreize verhindern, dass schlecht qualifizierte Menschen nach Deutschland kommen und hier vor allem von Sozialleistungen leben.
Schon seit Jahren wird diskutiert, ob diese Ausschlussklausel mit EU-Recht vereinbar ist, weil sie EU-Bürger diskriminiert. Immer wieder haben Sozialgerichte klagenden EU-Bürgern im Eilverfahren Hartz IV gewährt. Das Bundessozialgericht legte die Frage Ende 2013 dem EuGH vor. Generalanwalt Melchior Wathelet hat nun seinen Schlussantrag in diesem Grundsatzverfahren vorgelegt. Der Schlussantrag ist ein Gutachten, dem die Richter häufig folgen.
Danach unterscheidet Wathelet drei Konstellationen. Wenn EU-Bürger nach Deutschland kommen, ohne Arbeit zu suchen, haben sie keinen Anspruch auf Hartz IV. Das hat der EuGH im Fall der in Leipzig lebenden Rumänin Elisabeta Dano bereits im November 2014 entschieden. Zweitens haben auch EU-Bürger, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, keinen Anspruch auf Hartz IV, so Wathelet. Denn das EU-Recht erlaubt ausdrücklich Ungleichbehandlungen bei der Sozialhilfe – und Hartz IV sei wie eine Art Sozialhilfe einzustufen.
Im Fall von Nazifa Alimanovic sieht Wathelet aber eine dritte Fallgruppe. Wer nur kurze Zeit in Deutschland gearbeitet hat und dann länger als sechs Monate arbeitslos war, gilt zwar nicht mehr als Arbeitnehmer, könne aber durch intensive Arbeitssuche seine Verbindung zum Arbeitsmarkt nachweisen. Wenn der Nachweis gelingt, bestehe Anspruch auf Hartz IV. Das EuGH-Urteil wird in einigen Monaten verkündet. (Az.: C-67/14)
CHRISTIAN RATH
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