Kommentar Peter Handke: Gegen die Wahrheiten der Saison
Die Person Peter Handke ist umstritten, auch wegen der Äußerungen zu Serbien. Als Schrftsteller kann er auch im Alter von 70 noch als Vorbild dienen.
F ür viele ist Peter Handke erledigt, ein für alle Mal. Der Hinweis auf Serbien und die Rosen, die er auf das Grab von Slobodan Milosevic gelegt hat, genügt ihnen schon.
Weiter kann man sich ja auch gar nicht absetzen von dem, was in der Welt der Moral und der Politik als wahr und richtig oder wenigstens als akzeptabel betrachtet wird. Und doch ist es gut, dass wir Handke haben. Dass es einen gibt, der sich nicht so leicht einfügen lässt in die gängigen Diskurse der Saison, sondern auf seinem Empfinden beharrt.
Mag sein, dass es nicht so sinnvoll ist, mit ihm über Serbien zu diskutieren. Ergiebiger wäre es, mit ihm einen Waldspaziergang zu unternehmen. Da, im Wald bei Paris, wo er an der Peripherie lebt, ist er sowieso jeden Tag unterwegs: ein Sammler von Eindrücken, Erlebnissen, Empfindungen in der Natur und in der Zivilisation.
Der „Waldgänger“ ist eine literarische Figur, die Ernst Jünger in den 1950er Jahren entworfen hat, der Typus des „Anarchen“, der sich dem Zeitgeist widersetzen würde, wenn Widerstand nicht bereits eine viel zu politische, direkte Kategorie wäre und immer noch von dem, wogegen sie sich richtet, bestimmt würde. Er ist so sanftmütig wie starrsinnig, so weltoffen wie in sich gekehrt, so einzelgängerisch wie gesprächsbereit.
So ein Waldgänger ist auch Peter Handke. Er zieht es vor, seine eigenen Wege zu gehen, und vielleicht hat es mit der darin auch spürbaren Verachtung des Gängigen, des Ausgetretenen, des Massengeschmacks zu tun, dass er immer wieder die Wut der Menge auf sich zieht.
Peter Handke ist schwer zu ertragen. In seinem Fall ist das eine Qualität. In seiner Konzentration auf das Einfache, Natürliche, Stille könnte er als Vorbild für eine nicht am Konsum, sondern am originären Denken orientierte Existenzweise dienen. Seine Bücher sind Meditationen oder gehen aus ihnen hervor; so auch der aktuelle „Versuch über den stillen Ort“, den Lokus.
Handke ist einer der wenigen wirklichen Individualisten, die wir haben, und nicht bloß einer, der sich originell ausstaffiert. An ihm kann man ablesen, wie anstrengend das ist, wie viel Rücksichtslosigkeit und Beharrlichkeit man dafür braucht – und das in einer Gesellschaft, in der Individualismus täglich gefeiert wird. Seine Sensibilität erzeugt ihre eigenen Sensationen. Das genügt.
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