EinsPlus setzt auf Jugend statt Service: Das Gegenteil vom Garagenfernsehen
Die ARD baut EinsPlus um und bemüht sich um Authentizität. Authentisch – das ist Sarah Kuttner. Und „Waschen. Schneiden. Reden“ - garantiert ohne Udo Walz.
Für Philip Walulis ist es ein bisschen mehr als nur Homecoming: Sein gerade frisch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnetes Bildungsfernsehen „Walulis sieht fern“, bislang von der Programmkritik im Privatsender Tele 5 übersehen, läuft fortan in der ARD.
Natürlich nicht in der großen, aber immerhin auf EinsPlus. Für den ist innerhalb der ARD der Südwestrundfunk (SWR) zuständig, bei dessen Jugendradio und -TV „Das Ding“ Walulis ebenfalls schon mittat.
EinsPlus ist nun einer dieser Digitalkanäle, mit dem sich die ARD notwendigerweise schwertut, weil sie gleich drei davon zu füllen hat, und sich über das Wie, Wo und Was auch noch innerhalb des Senderverbunds einig werden muss. Bislang dümpelt EinsPlus mit Servicethemen und Dokuwiederholungen dahin.
Damit soll nun Ende April Schluss sein: Am 30. 4. wird in Deutschland der analoge Satellit abgeschaltet, die Digitalkanäle wittern nun den großen Durchbruch. Das ist zwar etwas übertrieben, weil schon heute die große Mehrheit der Zuschauer via Satellit ihr TV-Signal digital empfängt, aber ein bisschen Symbolik braucht’s halt.
Berufswechsel im Zeitraffer
Nach dem analogen „Switch off“ wird also programmlich bei EinsPlus noch mal neu auf die Starttaste gedrückt, „der Abend wird jung“, verspricht EinsPlus-Chef Alexander von Harling. Und zwar gleich nach der unvermeidlichen und auch von EinsPlus übernommenen 20-Uhr-„Tagesschau“.
Nicht nur mit Walulis, sondern mit jeder Menge im SWR-eigenen, an „Das Ding“ angeflanschten TV-Labor ausgedachten und ausprobierten Formate: Da reist dann Thomas Niemietz per Couch-Surfing „Auf 3 Sofas durch …“ große Städte mit interessanten Menschen, die ihm für eine Nacht ihre Sitzmöbel zum Schlafen überlassen. Ursprünglich waren es übrigens sogar fünf Sofas, aber das wurde für die 30-Minuten-Strecke, der fast alle neuen Formate gehorchen müssen, zu hektisch.
In „Mission Mittendrin“ geht es um Berufswechsel im Zeitraffer: SWR-Reporter Steffen König muss sich binnen drei Tagen zum Altenpfleger, Model oder Bundeswehrfallschirmspringer weiterbilden. Presenterreportage nennt sich das und scheidet verlässlich die zuschauenden Geister, weil es oft arg aufgesetzt wirkt. Doch König wirkt in der Pilotfolge angenehm echt, „wir wollen ja auch authentisch sein und gerade keine aufgesetzten Formate“, sagt „Das Ding“-Leiter Wolfgang Gushurst.
Krömer, Kuttner und kein Walz, nirgends
Dazu kommen noch Experimente wie die Einfach-mal-Frisöre-quatschen-lassen-Show „Waschen. Schneiden. Reden“, garantiert ohne Udo Walz. Und weil Stars natürlich irgendwie sein müssen, begibt sich Sarah Kuttner bei „Ausflug mit Kuttner“ mit Gestalten von Til Schweiger bis Stefan Mross auf Tour. Das Musikformat „Beatzz“ und Konzertmitschnitte kommen hinzu.
Stemmen und bezahlen tut all das der SWR, dessen Intendant Peter Boudgoust ja auch lieber einen klar positionierten ARD-eigenen Jugendkanal gesehen hätte, sich damit bislang aber im Intendantenstadl nicht durchsetzen konnte. Immerhin: Der RBB liefert seinen „Krömer“ zu, und vom Bayerischen Rundfunk kommr „on3-Südwild“, so viel mehr „junges Fernsehen“ sei ja in der ARD auch gar nicht zu finden, lästern die SWR-Macher. Gearbeitet wird beim Sender, der für drei Jahre rund 4,5 Millionen Euro für die jungen Formate in die Hand nimmt, längst trimedial: Online wird immer mitgedacht, zum Teil gibt es auch eine Radio-Umsetzung für „Das Ding“.
Aber, um Missverständnissen vorzubeugen: „Wir machen hier kein Garagenfernsehen“, sagt von Harling, also keine süßen Wackelkätzchen à la YouTube, sondern High-End-TV. Wobei: „Walulis“ hat es auch nicht gerade über Tele 5 ins Bewusstsein der Zuschauer geschafft, sondern eben über – ähem: YouTube.
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