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Rundfunkpiraten lassen sich entwaffnen

MATTSCHEIBE Der Bundestag hat einen eigenen TV-Kanal, der sein Angebot in den vergangenen Jahren stark ausbaute. Dagegen wehrten sich Medienwächter, denn Fernsehen muss staatsfern sein. Sie haben gewonnen

Parlamentspräsident Norbert Lammert und der Bundestag können nicht ganz staatsfern sein

VON STEFFEN GRIMBERG

Das deutsche Parlament betreibt keinen Piratensender mehr. Der Streit über Bundestags-TV ist vorbei, denn die Verantwortlichen haben ihr Programm wieder abgespeckt.

Dem ging eine seltsame Posse voraus: Das Parlamentsfernsehen war in den vergangenen Jahren immer umfangreicher geworden. Wurden anfangs nur Bundestagsdebatten übertragen, kamen nun mit Interviews und Reportagen eigene redaktionelle Beiträge hinzu. Das wiederum alarmierte die Medienwächter, denn sie sahen den reinen Übertragungskanal auf dem Weg zum echten Rundfunkangebot. Und das geht nicht.

„Die derzeitige Rechtslage lässt ein Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages nicht zu“, stellte die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten fest, Rundfunk müsse schließlich staatsfern sein. Und dass der TV-Veranstalter – nämlich Parlamentspräsident Norbert Lammert – und das Verfassungsorgan namens Bundestag nicht ganz staatsfern sein können, ist allen klar. Sein Kanal sei also, nach Ansicht der Kontrolleure, ein Piratensender.

Seit kurz vor Ostern nun verzichtet der Lammert-Kanal darauf, alle eigenen redaktionellen Beiträge per Satellit auszustrahlen. Die werden aber noch produziert und finden sich nun im Internet – in der Mediathek des Bundestages.

Der Fall hatte auch deswegen Aufsehen erregt, weil man gegen den Deutschen Bundestag und seinen Präsidenten nicht einfach ein Bußgeldverfahren eröffnen und den Sender abschalten lassen konnte – Stichwort: parlamentarische Immunität.

Bei der schon länger mit Bundestags-TV befassten Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) war man ebenfalls unglücklich. Hier wurde der Kanal 1999 gewissermaßen angemeldet. Die MABB hat schon vor Jahren eine eigene gesetzliche Regelung für den Parlamentskanal angeregt. Daraus wurde nichts, und die MABB ließ die Sache auf sich beruhen. Auch, weil „wir von unserem Standpunkt nicht zur Kontrolle aufgerufen waren, wie der Bundestag seine Befugnisse ausübt“, sagt MABB-Direktor Hans Hege.

Leider sei vonseiten des Bundestages und seines Präsidenten „hier aber nichts passiert“, so Hege. Doch je „mehr über die bloße Übertragung von Sitzungen hinaus gemacht wurde, je größer die Zahl klassischer redaktioneller Inhalte wurde“, desto größer sei die Notwendigkeit geworden, genaue Regeln und Grenzen, was so ein Parlamentskanal machen dürfe, festzulegen.

Bundestags-TV war 1999 ursprünglich als Service für Abgeordnete, Ministerien und die Presse gestartet worden, um Parlamentssitzungen zu übertragen. Das Signal war verschlüsselt, nur Zugangsberechtigte konnten gucken. Doch im Laufe der Zeit rüstete Bundestags-TV nicht nur wie beschrieben inhaltlich nach, sondern sendete auch noch unverschlüsselt per Satellit und in Berlin per Kabel. Das rief auch ARD und ZDF auf den Plan, die mit Parlamentspräsident Lammert immer mal wieder wegen dessen Kritik am „Ereigniskanal“ Phoenix im Clinch liegen. Lammert findet, der Bundestag komme bei Phoenix nicht genügend vor, und drohte häufiger mit eigenen TV-Aktivitäten.

ARD und ZDF sagten 2008 zwar eine Ausweitung der Bundestagsberichterstattung zu, wurden aber sauer – auch weil Phoenix, wie jüngst bei einer Befragung von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), immer mal wieder nicht übertragen darf. „Wenn Sie Ihr Unverständnis über die Reaktion von ARD und ZDF auf die Ankündigung der unverschlüsselten Verbreitung des Parlamentsfernsehens zum Ausdruck gebracht haben, dann möchten wir daran erinnern, dass auch wir für die Ausweitung der parlamentarischen Fernsehaktivitäten kein Verständnis aufbringen konnten“, schreiben die ARD-Vorsitzende Monika Piel und ZDF-Chef Markus Schächter an den „lieben Professor Lammert“.

Übrigens: Ein eigenes, mittlerweile ebenso unverschlüsseltes Bundesrats-TV gibt es auch schon. Dort findet bislang aber kaum redaktionelle Berichterstattung statt – weshalb die Medienwächter zunächst mal die Füßchen stillhalten.

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