piwik no script img

Kommentar Middelhoffs HaftbedingungenFolter ist schwer vorstellbar

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Im Fall von Middelhoffs Schlafentzug ist vieles ungeklärt. Eines aber nicht: Middelhoffs Anwälten kommt „die Folter“ gelegen.

Hat selbstredend das Recht auf körperliche Unversehrtheit: Ex-Manager Thomas Middelhoff. Bild: dpa

W arum hatte Thomas Middelhoff keine Schlafbrille? So was benutzen Menschen, die sofort aufwachen, dringt nur ein klitzekleiner Lichtstrahl in ihr Schlafzimmer. Es ist schwer vorstellbar, dass sich der inhaftierte Ex-Arcandor- und Karstadt-Chef in seiner Zelle damit hätte umbringen können. Der weiche Augenschutz hat zwar einen Gummi, doch der ist ganz klein. Aber wer weiß: Wer sich tatsächlich das Leben nehmen will, schafft das. Irgendwie.

Das fürchtete wohl auch die JVA Essen, wo Middelhoff seit einigen Monaten einsitzt. Der soziale und persönliche Abstieg des einstigen Topmanagers bietet für Suizid zumindest eine Kulisse.

Nun müssen Gefängnisse dafür sorgen, dass den Häftlingen nichts passiert. Dafür dürfen sie zahlreiche Methoden anwenden, auch das Lichtanschalten in kurzen Abständen, um nachzuschauen, ob mit dem Häftling alles in Ordnung ist. Ist das Folter, so wie Middelhoffs Anwälte wettern? Eine Verletzung der Menschenrechte, wie die Grüne Renate Künast es formuliert?

Auf jeden Fall zehren Schlafmangel und ständiges Wachwerden an den Nerven. Wer nicht in den Tiefschlaf fallen kann, erholt sich nicht. Und kann krank werden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit haben selbstredend auch Gefangene. Schlafentzug als systematische Foltermethode in deutschen Gefängnissen? So richtig vorstellen kann man sich das nicht. Aber wer weiß: Wer jemanden demütigen will, schafft das. Irgendwie.

Im Fall von Middelhoffs Schlafentzug ist vieles ungeklärt. Und manches fragwürdig. Eines aber offenbar nicht: Middelhoffs Anwälten scheint „die Folter“ ganz gelegen zu kommen. Schließlich wollen sie ihn aus der Haft holen – mit welchen Mitteln auch immer. Und sie selbst bezweifeln jede Selbstmordabsicht ihres Klienten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Na ja, wenn der Name Middelhoff nicht aufgetaucht wäre, hätte ich garnicht in diesen Kommentar geguckt.

    Und nein der Herr tut mir nicht leid, genausowenig wie 99% der JVA-Insassen, die meiner Meinung nach Recht dort sitzen/schlafen/stehen.

    Eigentlich mag ich Kommentare gerne lesen, aber es sollte schon ein relevantes oder zumindestens interessantes Thema sein.

    Dies ist für mich hier nicht der Fall.

    Trotzdem, "taz zahl ich!"

  • Was soll den der Mist? Folter in deutschen Knästen schwer vorstellbar? Schlafentzug ist eine altbekannte Methode in deutschen Gefängnissen, genauso wie Isolationshaft. Normalerweise juckt das aber niemanden, weil es keine Promis, sondern weniger priviligierte Menschen trifft. Anstatt die Zustände in den Zellen Deutschlands zu beschönigen, oder sich auf naive Vorstellungen von der Vernünftigkeit deutscher Justiz zu verlassen, sollte der Fall von Middelhoff eigentlich ein Anlass sein über Knäste in Deutschland an sich zu berichten.