ERIC BONSE ÜBER DEN KRACH EU – USA IN SACHEN FREIHANDEL: Feigheit vor dem Freund
Es hat etwas Unwürdiges, wie die EU mit der transatlantischen Spionageaffäre umgeht. Erst forderten Merkel, Hollande und andere EU-Granden den sofortigen Stopp der Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA. Dann wurde umfassende Aufklärung versprochen. Jetzt will die EU nicht einmal das abwarten, sondern die umstrittenen Freihandelsgespräche mit den USA starten. Sofort, ohne Vorbedingung.
So verhalten sich keine Verbündeten, so beginnen keine Verhandlungen auf Augenhöhe. So hat man eher das Gefühl, dass die Europäer vor den Amerikanern in die Knie gegangen sind. Unterwürfig halten sie am Beginn von Verhandlungen fest, bei denen es um den weiteren Abbau von Zollschranken, aber auch von Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gehen soll.
Big Business ist wichtiger als Bürgerrechte: Das ist die Botschaft, die dabei vom Kanzleramt ausgeht. Denn dort wurde dieses unwürdige Vorgehen ausgekungelt. Die meisten EU-Staaten wurden dabei ebenso übergangen wie das Europaparlament.
Aber auch die EU-Abgeordneten haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Mehrheit des Parlaments war zu feige, wenigstens einen Aufschub der Freihandelsrunde zu fordern. Damit haben sie den letzten Trumpf aus der Hand gegeben, wenigstens etwas Licht in die Spionageaffäre zu bringen. Alle zusammen haben sie – von Linken und Grünen abgesehen – das Vertrauen der Europäer in Datenschutz und Bürgerrechte verspielt.
Das war doch nicht anders zu erwarten, werden viele sagen. Denn auch bei früheren Überwachungsprogrammen wie Echelon sind die EU-Verantwortlichen eingeknickt. Aber noch nie wurde die Feigheit vor dem Freund so drastisch vorgeführt. Die EU hat die Europäer verraten – vermutlich nicht zum letzten Mal. Die Freihandelsrunde wird es zeigen.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8
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