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Kommentar Coming-out HitzlspergerOlé, olé, Super Thomas, olé

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich mit seinem Coming-out über alle finsteren Prophezeiungen hinweggesetzt. Respekt!

Entwaffnend offen: Thomas Hitzlsperger Bild: reuters

N un wissen wir es also. Thomas Hitzlsperger ist schwul. Es war eine ganz besondere Meldung, die da am Mittwochvormittag durch die Republik gegangen ist. Denn Hitzlsperger ist Fußballer, bis vor ein paar Monaten war er noch aktiv.

Er kommt aus einer Welt, die gemeinhin als homophob gilt, aus der Machowelt des Männerfußballs. Jetzt ist es raus! Und ein wahrer Lovestorm bricht über den jungen Mann herein. Alle finden toll, dass er sich geoutet hat. Zu Recht!

Und mutig ist der Schritt Hitzlspergers, auch wenn er sich nach seinem Karriereende nicht mehr den Reaktionen des Stadionpublikums oder den Kommentaren von Mitspielern stellen muss. Immer wieder ist der Eindruck erweckt worden, der Fußball sei noch nicht reif für das Outing eines Profis.

Es waren Manager wie Borussia Dortmunds Vorstandschef Hans-Joachim Watzke oder St. Paulis früherer Präsident Corny Littmann, die Spieler regelrecht davor gewarnt haben, öffentlich zu ihrer Homosexualität zu stehen. Ein Spieler könne unmöglich seine Leistung bringen, wenn er als Schwuler im Fokus der ganz großen Öffentlichkeit stehe, hieß es wiederholt.

Die lechzende Medienmeute

Der organisierte Fußball hat sich selbst als archaische Gegenwelt zur bundesrepublikanischen Realität beschrieben, so, als sei er nicht Teil einer aufgeklärten Gesellschaft. Eine bequeme Haltung ist das, die auch in einer Broschüre des Deutschen Fußball-Bunds, die als Ratgeber für den Umgang mit homosexuellen Spielern an alle Fußballvereine des Landes verschickt worden ist, zum Ausdruck kommt. Darin warnt der DFB Spieler, die sich outen wollen, vor einer lechzenden Medienmeute und unkalkulierbaren Reaktionen des Publikums.

Vielleicht markiert das Outing von Thomas Hitzlsperger, dem nun so viel Zuspruch zuteil wird, das Ende all dieser ach so guten Ratschläge, das Ende aller ach so wohlmeinenden Warnungen vor dem miesen Fußballmob. Diese Warnungen wird auch Hitzlsperger über die Jahre vernommen haben. Er selbst hat den Fußballkosmos immer wieder als problematisch beschrieben. Am Ende hat sich der ehemalige Nationalspieler über alle finsteren Prophezeiungen hinweggesetzt. Respekt!

Hitzlsperger wird wissen, dass mit seinem Outing das große Spekulieren, welcher prominente Spieler denn noch schwul sein könnte, einsetzen wird. Beinahe jedem Fußballfan fallen spontan eine Handvoll Spielernamen ein, zu deren Trägern es entsprechende Gerüchte gibt. Philipp Lahm, der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, sah sich deshalb genötigt, den Satz „Ich bin nicht schwul“ an prominenter Stelle in seine Fußballerautobiografie zu schreiben.

Lahm kennt die Gerüchte über ihn nur allzu gut. Ist er nun doch schwul? Hören wir auf zu spekulieren! Früher oder später wird sich der erste aktive Profi in Deutschland outen. Die Zeit ist reif – Thomas Hitzlsperger sei Dank!

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Andreas Rüttenauer
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17 Kommentare

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  • Was für eine Heuchelei!

    Alle tun so, als ob das so genannte Outing von Thomas Hitzlsperger irgend etwas mit Mut zu tun hätte. Dabei muss ihm doch vorher klar gewesen sein, daß alle ihn als Helden feiern würden. Mut hat etwas mit Risiko zu tun. Doch ein solches Risiko hat es nicht gegeben. Im Gegenteil. Jeder Journalist, der etwas anderes als ”super” geschrieben hätte, wäre medial gesteinigt worden.

    Mehr lese unter

    http://www.tornante.pf-control.de/blog1/?p=15041

  • Wieso wird hier immer von "Outing" gesprochen?!

    Es handelt sich bei Herrn Hitzlsperger doch eindeutig um ein 'klassisches' Coming-Out.

  • Meine Güte, ein ehemaliger Fußballprofi besteigt also lieber Männer als Frauen. Und deswegen wird so ein Aufriss gemacht!?

  • CN
    Claudia Nemius

    Ausnahmen bestätigen die Regel...

  • G
    Gast

    Alle Kritik in Ehren, dass er erst nach der aktiven Zeit ein Outing vollzog, aber ich kann es verstehen. Nach einem Stadion Besuch bei UNION gegen den KSC, war es mir als schwulen in der S-Bahn schon etwas mulmig (Rufe wie "warme Liebe zwischen Hertha und dem KSC", "schwules Wetter") und das von Schöneweide bis Ostkreuz und zum Teil tiefer unter der Gürtellinie. Es ist für viele nicht normal und ich muss zugeben, dass ich mich dann nicht mutig dagegen stellte, warum, ich kannte die Rufer nicht.

    Ich möchte nicht wissen, welche Reaktionen ein Spieler nach einem Outing bekommt, wenn er schlecht spielt oder auswärts.

  • F
    Fußballfan

    Die Einheitspresse kann nun wieder ungeniert von den wichtigen Geschehnissen ablenken und hat wieder ein neues Opfer gefunden: Menschen, die mit anderen Menschen Sex haben!!! übrigens:Thema kann länderübergreifend eingesetzt werden, um der Bevölkerung nun endlich die neuen Außenseiter oder Schuldigen für unsere dekadente Gesellschaft zu präsentieren. Bleibt abzuwarten, ob die Fußballfans ihre Männerfreundschaften (nicht selten auch Männerbeziehungen) ihren tatsächlichen Bedürfnissen anpassen.

    Viel Spaß dabei !!!

  • W
    Werner

    @ Runzbart:

     

    Dieser Rummel wird deswegen gemacht, damit Themen, die unbeleuchtet bleiben sollen, in der Masse untergehen.

     

    Außerdem schafft man sich so ein Volk, welches sich mit Massen von unwichtigen Themen überfordert sieht und hin und wieder in die Falle tappt, zu diesem Thema überhaupt eine Meinung haben zu müssen. Man gewöhnt die Menschen an "Soft Topics", ihr wisst schon, die Themen, für die wir alle Bush Junior medial geohrfeigt haben und zu den wir jetzt alle dringend eine Meinung haben müssen.

    • @Werner:

      Richtig! Behalte deine Meinung für dich! Das ist ein guter Rummel! -- Andres R., dein Artikel ist gut!

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Alle Populisten und Gutmenschen dieser Welt- und "Werteordnung" feiert dieses Coming-out, aber das Schwulen-bashing mit Filmen und "Komik" wie von Bully Herwig & Co. spricht doch eine ganz andere Sprache!?

  • L
    Lux

    Ich wünsche mir neben all den positiven Bekundungen zahlreiche Fanchoreografien am Rand der Fußballspiele, die ein schwulenfreundliches Fußballumfeld verkörpern und dem einen oder anderen Spieler Mut machen werden.

    • H
      Hans
      @Lux:

      Warum?

  • RB
    Ralf Becker

    Und was genau ist daran mutig, wenn er *nach* dem Ende seiner Karriere und finanziell bestens abgesichert endlich den Mund aufmacht?

     

    Und was sagt er überhaupt? Dass eine aktive Karriere weiterhin kein "guter Moment" für ein Coming-Out ist. Na toll. Das wird jungen schwulen Fußballern ungemein helfen.

  • G
    gast

    Es können Lesben und Schwule bei uns heiraten, der Bürgermeister von Berlin ist schwul, der letzte Außenmister schwul, Kerkeling, aber wenn ein Fussballer schwul ist macht man ein Tam Tam daraus ? Das ist ja wohl krank, bei dem Fußballer ging es nur darum, das der Verein bzw. der Vorstand Angst hatte Fans und somit zahlende Mitglieder zu verlieren, oder Angst hatte vor den Medien oder Leuten die nur blöde Sprüche reissen könnten.

     

    Na und, isser eben schwul.

    • H
      Hans
      @gast:

      Lesben und Schwule können "bei uns" in Deutschland ebend nicht Hairaten!

  • R
    runzbart

    die fussballwelt und ganz bild-deutschland feiert sich dafür, weil das ja ach so doll progressiv ist, dass thomas hitzlsperger für sein schwul sein nicht geteert und gefedert wird.

    aber warum wird eigentlich nur von homosexuellen erwartet, dass sie irgendwann öffentlich bekannt geben, dass sie schwul/lesbisch sind?

    das hat für mich im kern immer noch etwas von beichten, also seine sünde eingestehen.

    grund zur freude gibt es erst, wenn coming outs nur noch als exzentrische geste angesehen werden, weil sich keiner mehr um die sexuelle orientierung von prominenten schert.

  • A
    Arne

    Widerlich, wie in diesem Kommentar nach Art typisch deutschen Sportjournalismus Fußballspieler nicht nach ihrer Art zu spielen, sondern nach ihrer Neigung, ihre sexuellen Vorlieben in der Öffentlichkeit dirkutieren zu lassen, beurteilt werden.

    Das ist der Anfang eines Schmierenjournalismus, der darin endet, dass mehr über Lothar Matthäos häufigen Partnerinnenwechsel statt über seine trainerischen Leistungen berichtet wird, oder auch mehr über Raffi van der Vaarts Liebesleben statt seiner fußballerischen Leistung.

    Man muss auch ausländische Fußballer vor der deutschen Medienszene warnen.