piwik no script img

Steuern für „Big Brother“- BewohnerArbeit im Container

„Big Brother“-Bewohner müssen an den Fiskus zahlen. Der Staat betrachtet sie nicht als Kandidaten, sondern als Schauspieler, die sich für das Publikum zum Affen machen.

Big-Brother-Kandidaten der ersten Stunde bei der Arbeit. Bild: reuters

Wer Fernsehen schaut, ist dumm. Das glauben die Managerinnen und Leiter der Sender, weswegen sie immer dümmere Formate erdenken: das „Dschungelcamp“, die Castings und eben das Urformat der Wettbewerbsshow, „Big Brother“. Die Shows verheißen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein bisschen Ruhm, eventuell sogar eine kleine Showkarriere. Die meisten aber werden bald nach der Ausstrahlung vergessen.

So auch Sascha Sirtl, der 2005 eine Million Euro bei „Big Brother“ gewann. Er legte allerdings, so wird berichtet, das Geld gut an. Das gereicht ihm nun zum Vorteil, denn er muss wohl rund die Hälfte an die Steuerbehörde zahlen. Das Finanzamt Köln-Mitte nämlich glaubt, dass die Million nicht mit dem Gewinn in einer Spielshow oder beim Lotto zu vergleichen, sondern eine Prämie, also ein Einkommen sei.

Und Sirtl sei demnach nicht ein freiwillig Gefangener gewesen, sondern habe in einem Beschäftigungsverhältnis gearbeitet. Sein Anwalt Burkhard Binnewies, der den Steuerbescheid angefochten hat und vergeblich durch die Instanzen ging, sieht, nur wenig Hoffnung für seinen Mandanten. Die Hälfte der Million geht also alsbald an den Fiskus.

Was heißt das für all die, die sich in den Shows ein bisschen Geld erspielen? Der Staat betrachtet sie nicht als Kandidatinnen und Kandidaten, sondern als Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich für ein sensationslüsternes Publikum zum Affen machen. Würde dies letztinstanzlich entschieden – eine mündliche Verhandlung steht noch aus –, hieße das, dass die Produktionsfirmen in Zukunft für die Lohnsteuer und voraussichtlich auch für die Sozialabgaben der Kandidatinnen und Kandidaten haften müssten. Das wiederum aber hieße, dass sie ihre Opfer, die zurzeit eher mit Almosen abgespeist werden und nach dem großen Gewinn gieren, künftig besser bezahlen sollten. Wäre das nicht folgerichtig?

Der Gewinn der Entwürdigten

Welchen Unterschied macht es, ob sich eine Unbekannte für Preisgeld vor der Kamera entkleidet oder eine professionelle Stripperin für reguläres Gehalt? Schauspielerinnen und Schauspieler können das besser als Laien, nach Drehbuch wäre das Gezicke zwar nicht authentisch, aber weniger langweilig.

Doch das wird nicht passieren. Denn letztlich geht es ja genau darum, dass sich Leute zu Objekten unseres Hohns machen, uns über das eigene elende Dasein hinwegtrösten. Es geht also weiter. Der Gewinn der Entwürdigten ist zwar nur noch halb so groß. Aber das wird vielen ausreichen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!