Initiator von „FDP Liberté“: „Die Grünen sind totalitär“
Braucht es die FDP? Hasso Mansfeld glaubt das. Und er glaubt an die reine liberale Lehre. Er sagt den Liberalen zum Parteitag, wie sie noch zu retten sind.
taz: Herr Mansfeld, Sie betreiben die Internetseite „FDP Liberté“. Sich selbst bezeichnen Sie als Herzensliberalen. Was, bitte, soll das sein?
Hasso Mansfeld: Also Sie stellen vielleicht Fragen! Einen guten Liberalen zeichnet aus, dass er den Mut hat, liberale Positionen auch dann zu bewahren, wenn Sie nicht die Mehrheitsmeinung darstellen, und dass er den Liberalismus in allen Facetten denkt und lebt. Politik wird ja heute kaum noch nach Überzeugungen betrieben, sondern danach, was gut ankommt. Da sträuben sich bei mir jedes Mal die Nackenhaare, wenn die reine Lehre des Liberalismus der öffentlichen Meinung geopfert wird.
Was ist denn die reine Lehre?
Für mich ist das die Ablehnung von absoluter Wahrheit. Und natürlich die Freiheit zu etwas – nicht von etwas. Das schließt aber nicht aus, dass Freiheit in einen staatlichen Ordnungsrahmen gegossen werden muss. Das ist ja etwas, was unsere Gegner uns gern vorwerfen: dass wir nur unseren Egoismus im Jahr 2013 ausleben möchten.
Am Wochenende wird beim FDP-Parteitag in Berlin Rainer Brüderle zum Spitzenkandidaten gekürt. Aus Werbersicht: Wie cool ist Ihr Frontmann?
Sein Humor ist extrem cool. Er hat sich zum Beispiel tapfer in die „heute-show“ im ZDF gesetzt und den ganzen Hohn und Spott für seine Partei ausgehalten, als alle anderen die Köpfe eingezogen haben. Oder seine Rede beim Programmparteitag letztes Jahr in Karlsruhe, als er den Parteifreunden Selbstbewusstsein gegeben hat – eine coole Rede war das.
,50, ist der Initiator und Kopf der privat betriebenen Internetplattform „FDP Liberté“. Der Kommunikationsberater wurde für seine Kampagnen mehrfach ausgezeichnet, unter anderem dreimal mit dem deutschen PR-Preis.
Interessant. Ich war auch bei diesem Parteitag und erinnere mich daran, dass Brüderle seine Rede eher geschrien hat. Stehen die FDPler auf so was?
Wenn Sie von allen Seiten niedergemacht werden, werden Sie schon mal laut. So was ist Balsam auf die Seele eines jeden FDP-Mitglieds.
Einen Rat an den Spitzenkandidaten, wie er der Partei über die Fünfprozenthürde hilft?
Er sollte seinen Humor behalten und souverän mit Anfeindungen umgehen. Klar, das ist in einem Fall wie – tja, wie sag ich’s – also dem Kasus Hotelbar extrem schwierig. Da war es nicht das Schlechteste, gar nichts zu sagen.
Sie halten es also PR-technisch für klug, zu einem öffentlichen Sexismusvorwurf zu schweigen? War die Botschaft dieses Schweigens nicht: Sexismus gehört einfach zum guten Ton bei den Liberalen?
Dass eine ordentliche Portion Zote in der FDP zum guten Ton gehört, das kann ich nicht bestätigen. Auf jeden Fall hat diese Stern-Geschichte die gesamte Partei zusammengeschweißt. Sogar die Liberalen Frauen haben Brüderle in Schutz genommen.
Also hat Rainer Brüderle alles richtig gemacht?
Sexismus ist doch, wenn jemand seine überlegene Position ausnutzt. Aber wenn ich mir diese Hotelbar-Affäre anschaue, habe ich den Eindruck, als hätten die beim Stern eine große Serie „Ströme der Welt“ angekündigt – und den ersten Teil machen sie über die Wupper.
Die FDP hat nur 23 Prozent weibliche Mitglieder, das ist schon sehr kerlig, oder?
Das ist nicht zu leugnen. Ich bin ja für eine Frauenquote. Nicht aus Gerechtigkeitsgründen, sondern aus der pragmatischen Erwägung heraus, dass so die Attraktivität meiner Partei steigt. Für diese Haltung kriege ich immer wieder Ärger. Aber Frauen haben nun mal komplementäre Eigenschaften zu Männern, die jedes Gremium, jedes Unternehmen, jede Partei braucht.
Gerade liegt die Partei bei 4 Prozent. Müsste sie sich nicht anderen Schichten öffnen als Anwälten und Selbstständigen?
Schon wahr, die FDP kommt als kalte Klientelpartei rüber, das würde wohl keiner leugnen. Das liegt daran, dass sie ihre Machtbasis in den Industrie- und Handelskammern hat, also bei den freien Berufen. Das hindert die FDP zugleich aber, sich auch von dieser Wahrnehmung zu lösen, was ich wichtig fände. Was die FDP auch immer noch nicht hinkriegt, ist, die liberale mit der christlichen Botschaft in Einklang zu bringen. Die ist für mich zu allererst: Du kannst etwas. Und nicht a priori: Dir muss geholfen werden. Diese ganzen Hilfsarien sind Versuche, Menschen in eine moralische Knechtschaft zu bringen und diese zu zementieren.
Haben Sie was gegen den Sozialstaat?
Nein. Ich finde, gelebte Solidarität gehört zu den vornehmsten Verhaltensweisen des Menschen. Wenn ich den Leuten aber ständig vor Augen führe, wie schrecklich alles ist, dann ist das die Anleitung zur Unmündigkeit. Ich habe nach der Wende drei Jahre in Sachsen-Anhalt gearbeitet. Ich hab mich da sehr wohl gefühlt und habe dort viele mündige und selbstbewusste Menschen kennengelernt.
Aber der damalige SPD-Ministerpräsident Höppner hat seinen Leuten permanent die eigene Hilflosigkeit gepredigt. Dass damals die Rechten in den Landtag gekommen sind, habe ich als Folge dieser Predigten gesehen. Natürlich ist es die Aufgabe des Staates, für die Armen und Schwachen zu sorgen – aber der Staat muss die Menschen auch durch Bildung ertüchtigen.
Sie haben kürzlich auf „FDP Liberté“ um Meinungen gebeten, warum die FDP wahlweise „nervt“ beziehungsweise „rockt“. Was ist Ihr Fazit?
Die FDP nervt immer dann, wenn sie sich von ihren liberalen Idealen entfernt und sich dem Populismus hingibt. Und die FDP rockt, wenn sie Positionen vertritt, die Herzensliberale erfreuen.
Könnte es sein, dass die Leute gern liberale Politik wählen möchten – aber eben nicht mehr die FDP?
Die Frage ist müßig. Die einzige liberale Partei in Deutschland ist die FDP.
Vielleicht stimmt aber das Angebot nicht?
Es gibt viele Menschen, die sich nach liberaler Politik sehnen. Genau deshalb sind die Grünen so erfolgreich. Die haben es geschafft, den Anschein von Liberalität zu vermitteln. Für mich aber sind die eine totalitäre Partei. Tolerant sind sie nur so lange, wie man ihrer Meinung ist. Wenn’s um das Thema Atomkraft geht, nehmen die die absolute Wahrheit für sich in Anspruch. Die stellen andere gleich in die Ecke, sie seien für Störfälle! So ein Unsinn. So was nervt.
Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Warum wählen immer weniger Leute die FDP?
Eine Partei besteht aus ihren Mitgliedern, aus einer Ideologie – im Falle der Liberalen heißt die Weltbild –, und dann besteht sie aus Führungspersonal. Ob da jeder so gut rüberkommt, das verneine ich. Besonders sympathisch sind einige nicht. Aber Rainer Brüderle zum Beispiel hat sich als Bundespolitiker doch beachtlich profiliert. Und auch Philipp Rösler hat an Statur gewonnen.
Entschuldigung, das sagen Sie jetzt, nachdem die FDP in Niedersachsen überraschend 10 Prozent geholt hat. Meinen Sie vielleicht, zu Röslers 40. Geburtstag wären auch nach einer Niederlage tausend Gäste gekommen?
Der Politikbetrieb ist gnadenlos, nicht nur bei den Liberalen. Wenn Rösler verloren hätte, ist die Frage, ob er überhaupt gefeiert hätte.
Haben Sie manchmal Angst um Ihre Partei? Sie schrammt ja mitunter an der Wahrnehmbarkeitsgrenze entlang.
Ob die FDP stirbt oder nicht – mein Leben geht weiter. Es gibt genug Leute, die sagen: Lass das mit der FDP! Kümmer dich um deinen Job! Es ist ja nicht so, dass mein Engagement von jedem in der Partei wertgeschätzt wird. Fakt ist aber, „Liberté“ ist die erfolgreichste politische Facebook-Kampagne der letzten Jahre, wir sind im sozialen Netz aktiver als die Bundespartei.
Warum funktioniert das eigentlich so gut?
Wir nehmen uns selber nicht so ernst. Das hat aber eher was mit mir als mit der Partei zu tun. Ich habe keine Lust, mich selber zu betrügen. Wenn Sie im Web ehrlich kommunizieren, setzen Sie Signale an ähnlich Denkende. Die machen dann mit. Die Leute gieren nach Authentizität. Für den Bundestagswahlkampf ist jetzt wichtig, dass das auch die Offiziellen unserer Partei erkennen.
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