Budgetregeln der Eurozone: Niederländischer Sparminister in Not
Eurogruppenchef Jereon Dijsselbloem muss ein wichtiges Treffen des IWF schwänzen. Zu Hause ist er wegen Milliardeneinsparungen in der Defensive.
BRÜSSEL taz | Der Chef der Eurogruppe, der Niederländer Jeroen Dijsselbloem, hat sich in neuen, schärferen Budgetregeln der Eurozone verheddert. Am Donnerstag musste Dijsselbloem seine seit Monaten geplante Reise zur IWF-Tagung in Washington absagen: Zu Hause in Den Haag droht ihm nämlich ein Aufstand des niederländischen Parlaments.
Es sei „ärgerlich, dass ich meinen Trip canceln muss, aber das hat jetzt Vorrang“, sagte er. Zum Verhängnis wurde Dijsselbloem der neu eingeführte „Two Pack“, der eine verschärfte Kontrolle der nationalen Budgets der Eurozone vorsieht.
Ab diesem Herbst müssen alle Euroländer ihre Budgetentwürfe für das neue Jahr der EU-Kommission zur Genehmigung vorlegen, bevor sie von den nationalen Parlamenten diskutiert und beschlossen werden. Für die Verschärfung hatte sich vor allem Deutschland starkgemacht. Sie ist Teil der umstrittenen neuen „Wirtschaftsregierung“, zu der auch Stabilitäts- und Fiskalpakt gehören.
Die Niederlande hatten die Verschärfung von Anfang an unterstützt – jetzt könnten sie ihr erstes Opfer werden. Dijsselbloem hatte nämlich einen strikten Sparetat nach Brüssel gemeldet. 2014 will er nochmals 6 Milliarden Euro einsparen, um das Defizit unter die erlaubte Grenze von 3 Prozent zu drücken.
Die EU-Kommission will den Entwurf zwar erst im November offiziell beurteilen. EU-Währungskommissar Olli Rehn dürfte jedoch mit seinen niederländischen Musterschülern zufrieden sein. Doch in Den Haag stößt der Sparhammer auf Widerstand. Um die Kürzungen im Senat durchzubringen, braucht Dijsselbloem die Stimmen von drei kleinen Oppositionsparteien.
Ohne Mehrheit drohen im schlimmsten Fall sogar Neuwahlen. „Wir müssen das jetzt zu Ende bringen, den IWF kann ich auch ein anderes Mal besuchen“, sagte Dijsselbloem. Premierminister Marc Rutte war erleichtert.
Ende des Sozialstaats eingeläutet
Dijsselbloem sei sehr kreativ, er habe für jedes Problem zwei Lösungen, sagte er. Die niederländische Regierung bereitet ihre Bürger bereits seit Wochen auf ein Ende des Sozialstaats vor – dies könnte nun der entscheidende Einschnitt sein.
Zu dumm nur, dass jetzt die Eurogruppe auf ihren Chef verzichten muss. Bei der IWF-Tagung steht nämlich auch die Zukunft der Eurozone zur Debatte. Dijsselbloem war erst im Frühjahr auf den neuen Posten gekommen, nachdem sein Vorgänger Jean-Claude Juncker frustriert zurückgetreten war. Für Dijsselbloem hatte vor allem Berlin plädiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation