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„Was, du bist Zigeunerin?“

UNGARN Wenn Roma in den ungarischen Medien vorkommen, dann nur als angeblich „Kriminelle“. Journalisten werden sie selten. Krisztina Balogh versucht es trotzdem

Krisztina Balogh

■ 21, ist halb Romni, halb Ungarin. Sie studiert in Budapest ungarische Sprache und Literatur und macht derzeit ein Praktikum beim WDR.

INTERVIEW DUNJA RAMADAN

taz: Frau Balogh, die mangelnde Pressefreiheit in Ungarn wird oft kritisiert, Sie wollen Journalistin werden – warum?

Krisztina Balogh: Ich sehe es als meine persönliche Herausforderung an. Es gibt so viele Vorurteile über Roma in Ungarn, und ich würde gerne eine erfolgreiche Roma-Frau sein, die mit diesen Stereotypen aufräumt. Außerdem möchte ich ein gutes Beispiel für eine neue Generation von Roma sein, die ihren Platz in der Gesellschaft gefunden hat.

Gibt es in Ungarn viele Journalisten, die einen Roma-Hintergrund haben?

Es gibt einige, aber sie arbeiten eher im Hintergrund und sind nicht sehr bekannt. Mir fällt im Moment nur Mágó Károly auf. Er arbeitet unter anderem beim Fernsehsender TV2.

Wie wird in Ungarn über Roma berichtet?

Die rechtsextreme Jobbik-Partei spricht nur noch von „Roma-Kriminalität“, und viele Medien greifen diese Bezeichnung auf. Dadurch wird Kriminalität mit einer Gruppe verbunden – und das ist gefährlich.

Wie wollen Sie die negative Berichterstattung verändern?

Ich möchte mein Gesicht zeigen, vielleicht als Moderatorin. Außerdem möchte ich über die Situation der Roma schreiben, vor allem über die positiven Geschichten. Ich würde gerne einen Film über Roma drehen und hoffe, damit die Politik zu beeinflussen.

Was, denken Sie, können Sie als junge Roma im Journalismus anders machen?

Ich sehe die gesamte Roma-Problematik aus einem anderen Blickwinkel. Ich liebe es, in Ungarn zu leben, es ist ein schönes Land. Aber wir müssen uns gemeinsam für eine bessere Zukunft einsetzen. Denn letztendlich ist die Situation der Roma ein soziales Problem. Ich bin beides, halb Romni und halb Ungarin, und kann als positives Beispiel vorangehen.

Roma werden in Ungarn extrem ausgegrenzt. Wie ergeht es Ihnen damit?

Wenn ich auf meine Herkunft angesprochen werde, dann meist abfällig und von oben herab: „Was, du bist Zigeunerin?“ Für viele bin ich nur das Roma-Mädchen. Vor allem in der Schule wurde ich oft unterschätzt. Als wir einmal einen Test zurückbekamen, fragte die Lehrerin mich vor der gesamten Klasse noch einmal nach den korrekten Antworten, nur um zu überprüfen, ob ich das auch wirklich ganz allein geschafft habe.

Trotzdem haben Sie weitergemacht. Was unterscheidet Sie von anderen jungen Roma, die nicht so weit gekommen sind?

Die meisten Roma in Ungarn wachsen in Siedlungen auf, die nur von Roma-Familien bevölkert ist. Ich bin in einem kleinen 700-Seelen-Dorf namens Nagyar aufgewachsen. Ich kann mich nur an ein Mädchen in der Schule erinnern, die auch Romni war. Die meisten Roma-Familien sind arm und gehen deshalb nicht zur Schule oder auf die Uni, weil die Kinder so schnell wie möglich arbeiten und Geld verdienen müssen.

Und bei Ihnen war das anders?

Meine Eltern haben beide nicht studiert und wollten unbedingt, dass es mir besser geht. Vor allem ein Satz klingt heute noch in meinen Ohren: „Du musst studieren. Wenn du studierst, kann aus dir jemand werden.“ Meine Eltern waren nie reich, aber sie haben mich immer unterstützt. Dadurch, dass ich immer unterschätzt wurde, wollte ich mich beweisen. In der Schule gewann ich Wissenswettbewerbe, war immer unter den Klassenbesten, und bald kannte mich jeder in der Schule.

Was muss sich ändern, damit mehr Roma ihrem Weg folgen?

Das Denken der Roma muss sich ändern. Die meisten Mädchen in meinem Alter haben nur einen Grundschulabschluss, werden früh verheiratet, bekommen Kinder und bleiben zu Hause. Andererseits sind sie so arm und haben oft keine Möglichkeit, sich ein besseres Leben überhaupt erst vorzustellen. Auch auf ungarischer Seite müssen die Bedingungen geändert werden. Wir müssen die sozialen Probleme gemeinsam lösen. Es ist schwierig, aber ich habe Hoffnung.

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