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Archiv-Artikel

Russischer Journalist tot aufgefunden

KAUKASUS Timur Kuaschew schrieb für unabhängige Medien, engagierte sich für religiösen Dialog und die Opposition – und kam unter ungeklärten Umständen ums Leben. Eine Untersuchung soll es nicht geben

Laut Human Rights Watch soll Kuaschew über soziale Netzwerke häufig Morddrohungen erhalten haben

VON LJUBA NAMINOVA

Wieder wurde in Russland ein Journalist tot aufgefunden: Timur Kuaschew wurde nur 26 Jahre alt. Am Abend des 31. Juli 2014 war Kuaschew noch zu Scherzen aufgelegt. Vom Haus seiner Eltern aus in Naltschik, der Hauptstadt der nordkaukasischen Teilrepublik Kabardino-Balkarien, chattete er mit einem Freund auf Vkontakte, dem russischen Facebook. Gegen 21.20 Uhr rief er seine Mutter an, die den Anruf nicht entgegennahm. Sie trat an jenem Abend im Theater als Schauspielerin bei einer Premiere auf. Beobachter wollen Kuaschew noch vor seinem Haus in Begleitung von Unbekannten gesehen haben. Ab da fehlt von dem jungen Tscherkessen jede Spur.

Nach der Theatervorstellung findet Kuaschews Mutter ihren Sohn nicht wie gewohnt zu Hause vor. Seine Hausschlüssel, sein Handy und sein Pass liegen auf dem Tisch. Als er nachts immer noch nicht zurück ist, ruft die Mutter die Polizei. Am darauf folgenden Morgen wird seine Leiche in einem Waldstück bei Naltschik gefunden. Die Eltern identifizieren den Leichnam ihres Sohnes.

Der 26-jährige Jurist Kuaschew hatte sich in seinem kurzen Leben als Journalist, Blogger und Menschenrechtsaktivist einen Namen gemacht hat. 1987 wurde er in Russlands kaukasischer Republik Karatschai-Tscherkessien geboren und schrieb als freier Journalist für die Onlineportale „Kaukasischer Knoten“, „Kaukasuspolitik“ und das erste unabhängige kaukasische Magazin, Dosch. Er war Aktivist der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial und setzte sich für den Dialog zwischen Muslimen und russisch-orthodoxen Christen ein. Er kämpfte gegen Fremdenfeindlichkeit, Radikalismus und Terrorismus. Gemeinsam mit anderen muslimischen Rechtsanwälten wandte er sich 2012 an das russische Verfassungsgericht, um eine Aufhebung des Kopftuchverbots für Musliminnen im nordkaukasischen Stawropol zu erzwingen.

Im Mai 2014 wurde er wegen der Teilnahme an einer Gedenkzeremonie des Völkermords an den Tscherkessen vor 150 Jahren inhaftiert.

Kuaschew strebte eine politische Karriere an und plante im September 2014 bei den Kommunalwahlen für die Oppositionspartei Jabloko anzutreten.

Es ist zu bezweifeln, dass die genaueren Umstände seines Todes aufgeklärt werden. Rustam Matsew, ein Rechtsanwalt, der Kuaschew persönlich kannte, sagte gegenüber der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass der untersuchende Forensiker unter dem Arm von Kuaschews Leiche einen kleinen Einstich gefunden habe, wie von einer Nadel. Die Untersuchungen auf Spuren von Gift in seinem Blut stünden noch aus. Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete, dass der Untersuchungsausschuss der Republik Kabardino-Balkarien nicht von einem Verbrechen ausgehe. Es gebe keine Indizien für Gewaltanwendung, so ein Sprecher.

Mehrere ungeklärte Tode

Laut Human Rights Watch soll Kuaschew über soziale Netzwerke häufig Morddrohungen erhalten haben, in denen er aufgefordert worden sei, seine Aktivitäten einzustellen, wenn er nicht jung sterben wolle. Kuaschew hatte sich an die Behörden gewandt, Ermittlungen deswegen gab es jedoch nicht.

In der Vergangenheit waren bereits mehrere Journalisten und Aktivisten aus den kaukasischen Republiken Dagestan und Tschetschenien auf ungeklärte Art und Weise ums Leben gekommen. Maksim Schewtschenko, Chefredakteur des Webportals Kaukasuspolitik, für das Kuaschew tätig war, schreibt in seinem Blog: „Es darf und wird keine Vergebung geben.“