„Sachsensumpf“-Prozess fortgesetzt: Euer Ehren ist sehr amüsiert
Für die wegen übler Nachrede angeklagten Journalisten wird anscheinend alles gut, ein Freispruch scheint nah. Nur des Staatsanwaltschafts Mundwinkel hängen.
DRESDEN taz | Verglichen mit dem verbissenen Prozessauftakt am 13. November, ist die Atmosphäre in der 12. Strafkammer des Dresdner Landgerichts nicht wiederzuerkennen. Der Vorsitzende Richter Martin Schultze-Griebler reagiert mit Bonmots auf Zeugenaussagen und zitiert ironisierend den Westberliner Kommunarden Fritz Teufel mit dem berühmten Satz: „Wenn es der Wahrheitsfindung dient“.
Die beiden angeklagten Journalisten Thomas Datt und Arndt Ginzel stellen selber Fragen, Datts Verteidiger Steffen Soult lächelt ins Publikum. Nur die Mundwinkel von Staatsanwalt Christian Kohle hängen noch tiefer als sonst.
Genügten nur drei Verhandlungstage, den Vorsitzenden von der Unschuld der beiden Leipziger zu überzeugen? Als Zeugen gehört wurden Journalisten, ein Polizist, eine Staatsanwältin, die mit den als „Sachsensumpf“ 2007 bekannt gewordenen Leipziger Korruptionsverdächtigungen befasst war, und ein von diesen Vorwürfen betroffener ehemaliger Vizepräsident des Leipziger Landgerichts.
Bereits am Montag tat sich für einen Strafprozess sehr Ungewöhnliches. Schultze-Griebler, zugleich Vizepräsident des Dresdner Landgerichts, sagte öffentlich während der Hauptverhandlung, er sehe keine Möglichkeit einer Verurteilung. Zuvor war ein Befangenheitsantrag gegen Schultze-Griebler wegen eines früheren Zeitschriftenkommentars abgelehnt worden. In diesem hatte sich der Richter gegen kritische Berichterstattung zum „Sachsensumpf“ positioniert.
Am Dienstagabend erklärte er nun schriftlich seine – so der Fachbegriff – vorläufige Rechtsauffassung: Die beiden verfahrensgegenständlichen Artikel hätten sich „im Bereich der zulässigen Verdachtsberichterstattung“ bewegt.
In erster Instanz hatte das Amtsgericht Dresden im August 2010 die beiden freien Journalisten wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt. Es ging um zwei Artikel im Spiegel und bei Zeit Online, die mögliche Leipziger Korruptionsnetzwerke der neunziger Jahre beleuchteten. Letztlich wertete das Amtsgericht zwei Fragesätze, die ermittelnde Polizisten betrafen, als falsche Tatsachenbehauptung. Gegen das Urteil hatten Staatsanwalt und Verteidigung Berufung eingelegt. Journalistenverbände kritisierten das Verfahren als willkürlichen Eingriff in die Pressefreiheit.
Schultze-Griebler schrieb nunmehr in seiner Erklärung, einer der beiden Fragesätze habe sich auf eine erweislich wahre Tatsache bezogen, der andere sei interpretierbar. Der Richter verzichtete am Dienstag sogar auf die Vernehmung weiterer Zeugen. Auch die Verteidigung setzte ihre Anträge aus, solange das Gericht bei seiner Auffassung bleibt.
Staatsanwalt Christian Kohle sieht in seiner schriftlichen Erwiderung hingegen noch offene Fragen und will zumindest einen Polizisten als Zeugen hören. Kohle hatte bereits mündlich abgelehnt, seine Berufung zurückzunehmen.
Sollte das Gericht die Anträge der Staatsanwaltschaft ablehnen, könnte am Donnerstag plädiert und am kommenden Montag das Urteil gesprochen werden: wahrscheinlich Freispruch.
Im parallel laufenden, ebenfalls mit dem „Sachsensumpf“ zusammenhängenden Prozess gegen zwei ehemalige Zwangsprostituierte eines Leipziger Minderjährigenbordells wurde das Verfahren für vier Wochen ausgesetzt. Die beiden Frauen waren bei der Gegenüberstellung mit ihrem damaligen Bordellbetreiber psychisch zusammengebrochen und wurden für verhandlungsunfähig erklärt. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft Dresden Verleumdung vor, weil sie hochrangige Justizbeamte auf Fotos als ehemalige Freier wiedererkannt haben wollen.
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