Unmut über Schavans neuen Posten: Frau Doktor geht nicht so einfach
Als ihr der Doktortitel aberkannt wurde, war sie auch ihren Ministerjob los. Nun ist Annette Schavan Hochschulrätin der Uni München. Wissenschaftler sind entsetzt.
BERLIN taz | Annette Schavan ist keine, die sich einfach degradieren lässt. Obwohl die Universität Düsseldorf der einstigen Bildungsministerin den Doktortitel wegen Plagiats entzogen hat, führt sie ihn weiterhin und erklimmt damit neue Karriereleitern. Im September wurde Dr. phil. Schavan erst als Direktkandidatin in den Bundestag gewählt, am Tag darauf wählte der Senat der Elite-Universität München sie einstimmig zur Hochschulrätin. Doch letztere Wahl stößt bei Wissenschaftlern auf Unverständnis.
Der Hochschulverband sagte süddeutsche.de am Donnerstag, die Berufung von Frau Schavan widerspräche dem akademischen Comment und sei ein Affront gegenüber den Kollegen der Universität Düsseldorf. Die taz hatte zuvor einen anonymen Brief mit dem offiziellen Briefkopf der Uni München erhalten, in dem es heißt: „Diese Entscheidung hat unter den wissenschaftlichen Mitarbeitern zu breitem Entsetzen geführt.“ Der Konvent der Mitarbeiter sei nicht der Absender, sagte der Vorsitzende Bernhard Emmer. Aber die Vorgeschichte der neuen Hochschulrätin sei problematisch, meint Emmer, der auch Senatsmitglied ist. Der Konvent wolle noch im Oktober zu einer Informationsveranstaltung einladen.
Der Münchener Informatikprofessor François Bry bestätigt: „Das allgemeine Unverständnis über die Wahl von Frau Schavan ist sehr verbreitet und teilweise herrscht auch Entsetzen.“
Der Hochschulrat ist eine Art Zentralrat der Uni mit viel Einfluss: Die Mitglieder wählen und kontrollieren die Hochschulleitung und beschließen die Grundordnung. Am 24. Oktober treffen sie sich zu ihrer ersten Sitzung.
Im Oktober will auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf mitteilen, wie es in der Causa Schavan weitergeht. Schavan hatte die Uni Düsseldorf wegen Aberkennung ihres Doktortitels verklagt. „Je nach Ausgang des Verfahrens muss man noch einmal neu über die Ernennung nachdenken“, meint Mitarbeitervertreter Emmer. Hochschulrätin Schavan beantwortete die Frage der taz nach dem Motiv für ihre Kandidatur nicht.
An an einer weiteren Elite-Universität, der Freien Universität Berlin, darf Schavan sich sogar noch Professorin nennen. Das Katholische Seminar bestätigte der taz, dass sie im Wintersemester eine Lehrveranstaltung als Honorarprofessorin gebe. Man warte das Ergebnis des Rechtsstreits ab, teilte der Präsidiumssprecher mit. Aus formaljuristischer Sicht gäbe es derzeit keine Bedenken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind