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Teures Bauernopfer

THEATEREKLAT Das einzige Kinder- und Jugendtheater in Sachsen-Anhalt soll geschlossen werden. Gegen die Sparpläne wird heftig protestiert

Theatersprecherin Susanne Springer betont, es gehe nicht primär um die Schließung, sondern um die Durchsetzung eines Haustarifs

Rund 8.500 Unterstützer fand bis Dienstag eine Petition im Internet gegen die drohende Schließung des „Thalia“-Kinder- und Jugendtheaters in Halle. Prominenteste Unterzeichnerin ist seit Wochenbeginn diejenige, an die der offene Brief eigentlich adressiert ist: Sachsen-Anhalts Kultusministerin Birgitta Wolff (CDU). Die Vorwürfe einer Verschleppung der Lösung absehbarer Finanzierungsprobleme sollten geprüft und die Besucherauslastung analysiert werden, sagte sie der taz. „Natürlich erwarten wir nach wie vor, dass in Halle ein anspruchsvolles und breitenwirksames künstlerisches Angebot vorgehalten wird, besonders für Kinder und Jugendliche“, fügte sie hinzu.

Am 8. Oktober hatte der Aufsichtsrat der Theater, Oper und Orchester GmbH der Saalestadt handstreichartig die Schließung des einzigen Kinder- und Jugendtheaters in Sachsen-Anhalt beschlossen. Spielangebote für diese Zielgruppe sollen nach Ansicht von Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) künftig von den anderen Sparten übernommen werden.

In der GmbH unter der Geschäftsführung des früheren Chemnitzer Intendanten Rolf Stiska sind seit 2009 Oper, Ballett, die Staatskapelle, das Neue Theater, die Puppenbühne und das Thalia-Jugendtheater zusammengeschlossen. Am Gesamtetat von knapp 38 Millionen Euro ist die Thalia-Bühne nur mit etwa 3 Millionen beteiligt. Von einer Schließung wären 24 Künstler und 25 Angestellte aus dem nichtkünstlerischen Bereich betroffen. Das Land Sachsen-Anhalt ist nicht im Aufsichtsrat vertreten, schießt der kommunalen GmbH aber jährlich knapp 12 Millionen Euro zu.

Die mit der GmbH-Gründung erhofften Synergieeffekte reichten offensichtlich nicht aus, um jüngste Tarifsteigerungen, etwa für die 120 Musiker in den beiden Orchestern von Oper und Staatskapelle, aufzufangen. Die Geschäftsführung habe mittelfristige Auflagen zum verträglichen Personalabbau ignoriert und die vereinbarte Teilzeitoffensive nicht umgesetzt, lautet ein Vorwurf der Petition. Das Jugendtheater zu schließen, scheint nun ein Bauernopfer, das schwächste Glied der GmbH muss weichen.

Möglicherweise steckt dahinter eine andere Strategie: Theatersprecherin Susanne Springer betont ebenso wie die Oberbürgermeisterin, es ginge nicht primär um die Schließung des Jugendtheaters, sondern um die Durchsetzung eines Haustarifs. Was sie so nicht sagen will: Der Schließungsbeschluss lässt sich auch als Erpressungsversuch interpretieren. Seltsamerweise beginnen die Haustarif-Verhandlungen erst am 2. November, eigentlich zu spät, weil Kündigungen für die nächste Spielzeit im Oktober des Vorjahres ausgesprochen sein sollten.

Überregionale Aufmerksamkeit hatte das „Thalia“ erst im Vorjahr mit Dirk Lauckes Fußball-Stück „Ultras“ erzielt. Intendantin Annegret Hahn zog nun das verbitterte Fazit, dass „diese Arbeit nicht gebraucht wird und unsere Angebote austauschbar sind“. Angesichts der Debatte über bessere Kinder- und Jugendarbeit sei der Schließungsbeschluss eine „Katastrophe“, kommentierte Meike Fechner, Geschäftsführerin der Internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung Assitej.

Die Linksfraktion im Magdeburger Landtag machte die Landesregierung für die prekären Kommunalfinanzen und damit für den Theatereklat verantwortlich. Bei einer Demonstration vor der Leipziger Oper am Montag forderten Gewerkschafter und Betriebsräte zahlreicher gefährdeter Bühnen im mitteldeutschen Raum einen Rettungsschirm auch für Theater, um weiteren Kulturabbau zu verhindern. MICHAEL BARTSCH

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