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Chef der "Hürriyet" über Thilo Sarrazin"Sarrazin ist nicht interessant"

Ahmet Külahci, Chef der "Hürriyet" in Berlin, erklärt, warum sein Blatt den umstrittenen Bestsellerautor Thilo Sarrazin kaum beachtet hat.

Hürriyet-Berichterstattung: "Wir haben uns bei diesem Thema bewusst zurückgehalten und trocken berichtet." Bild: dpa
Cigdem Akyol
Interview von Cigdem Akyol

taz: Herr Külahci, vor ein paar Tagen jährte sich das Erscheinen von Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab". Haben Sie mit dem Erfolg dieses Buchs gerechnet?

Ahmet Külahci: Absolut, es war klar, dass er so erfolgreich sein würde. Er wollte provozieren und hat es geschafft. Gemessen an den Verkaufszahlen hat Sarrazin seine Sache sehr gut gemacht.

Wie haben Sie seine Thesen wahrgenommen? Fühlten Sie sich angegriffen? Verletzt?

In seinem Buch gibt es ja kaum etwas Neues, das Meiste ist ja schon bekannt gewesen, und vieles hat er bewusst falsch dargestellt. Nur ein Beispiel: Seine Behauptung, Einwanderer aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten seien etwa dümmer als andere Menschen, ist natürlich absurd. Außerdem muss doch gerade Sarrazin mit solchen Thesen vorsichtig sein: Er ist doch gar kein reinrassiger Deutscher. Deswegen habe ich Herrn Sarrazin auch persönlich gefragt, wie weit er zur Verdummung Deutschlands beigetragen hat.

Wie lautete seine Antwort?

Er hat gar nicht reagiert. Was soll er darauf auch sagen?

Ahmet Külahci

61, wurde 1950 in der Türkei geboren. Vor 38 Jahren kam er nach Deutschland und studierte in Bochum Publizistik, Politische Wissenschaften und Allgemeine Sprachwissenschaften. Seit den 80er Jahren arbeitet er als Journalist, seit 2000 leitet er die Hürriyet-Redaktion in Berlin.

Und was denken Sie?

Er sagt sehr viel Dummes, aber er ist nicht blöd - sonst wäre er nicht so erfolgreich. Dennoch hat er der Integration in diesem Land sehr geschadet. Natürlich wissen wir, dass es Probleme im Miteinander gibt, die Bildungssituation von Türken noch stark hinterherhinkt, dass es eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. Doch Sarrazin hat all diese Schwierigkeiten pauschalisiert und keine positiven Aspekte der Integration genannt. Er hat lediglich die Migranten für all diese Schwierigkeiten verantwortlich gemacht.

Die Hürriyet hat verhältnismäßig wenig und sehr nüchtern über Sarrazin berichtet. Dabei ist Ihr Blatt für seinen zupackenden Boulevardstil bekannt …

Wir haben uns bei diesem Thema bewusst zurückgehalten und trocken berichtet. Wir wollten nicht auch noch provozieren, um das Zusammenleben in Deutschland nicht weiter zu schaden. Wenn es nach mir ginge, sollte fortan niemand mehr über Sarrazin berichten.

Sonst ist die Hürriyet aber weit weniger zimperlich. Wenn es um die Belange türkischstämmiger Migranten in Deutschland geht, überzeichnet Ihre Zeitung öfter mal.

Manchmal sind wir emotional, und auch wir haben schon Fehler in der Vergangenheit gemacht.

Die Sarrazin-Debatte war hierzulande ein großes Thema. Haben Ihre Leser nicht ein Recht darauf, dass sich das auch in Ihrer Zeitung widerspiegelt?

Ach, er ist doch überhaupt nicht interessant. Ich habe ihn nicht ernstgenommen, und in der Türkei interessiert sich niemand für ihn. Es ist eine innerdeutsche Debatte, die wir deswegen auch kaum auf unseren Türkeiseiten gemeldet haben. Wir legen keinen Wert auf ihn und seine dummen Thesen.

Sie glauben, auch in der Türkei interessiert sich niemand für Sarrazin? Warum?

Die Menschen kümmern sich dort nicht um sein Geschwätz. Er kann der deutsch-türkischen Beziehung nicht schaden, dass können nur die Regierungen. Sarrazin entscheidet hier nicht.

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6 Kommentare

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  • H
    Hans

    Sarazin ist und bleibt dumm wenn nicht der dümmste, denn nur so kann er das dumme volk steuern

  • R
    Rosa

    Ich finde es lustig, dass die Sarrazin-Anhänger immer auf die Masse verweisen, die das Sarrazin-Buch gelesen hat, um dann zu behaupten, dass die Masse nicht irren kann.

    Das paßt überhaupt nicht zu Sarrazins Elitengewäsch, der bekanntermaßten die Masse verachtet.

     

    Wie sollten seine Fanboys/girls auch merken, dass sie selber gemeint sind, wenn sie immer nur Sarrazins Ressentiment gegen die jeweils anderen toll finden.

     

    Wie heißt es so schön:

    Nur die dummen Kälber wählen ihren Schlachter selber.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Antwort von Herrn Külahci:

     

    "Ach, er ist doch überhaupt nicht interessant. Ich habe ihn nicht ernstgenommen, und in der Türkei interessiert sich niemand für ihn. Es ist eine innerdeutsche Debatte, die wir deswegen auch kaum auf unseren Türkeiseiten gemeldet haben. Wir legen keinen Wert auf ihn und seine dummen Thesen."

     

    Nee, ist schon klar: als Leitmedium für Millionen in Deutschland lebende Türken muss man auf ein Buch, das in Deutschland mittlerweile eine Auflage von mehr als 1,5 Millionen binnen zwölf Monaten erreicht hat, inhaltlich (und reflektierend-selbstkritisch zumal) nicht eingehen.

     

    Schon klar, Herr Külahci, Sie bestätigen damit die Sarrazinsche Grundthese auf das Perfekteste: es gibt Einwanderer, die ankommen wollen; und es gibt "Migranten", die ihr ethnisch-nationales-türkisches Ding durchziehen, auch in Deutschland. Verstehe schon, "Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (Erdogan).

     

    Und deswegen steht auch auf jeder Ihrer tagesaktuellen Zeitungsausgabe auf der Kopfzeile: "Türkyie türklerindir" (übersetzt: "Die Türkei den Türken!").

     

    Meinen Widerstand haben Sie jetzt schon. Ich mache nicht mehr einen auf pc.

     

    Und taz: ne türkische BILD (Hürriyet)ist was feines, oder?

  • HD
    Hans Dieter

    Die "Hürriyet" und ihr Chef sind noch viel weniger interessant. Und wer Sarrazin Dummheit nachsagt hat selbst genügend davon.

  • Y
    yberg

    dafür hat doch der hürriyet miteigentümer axel springer verlag genug geklappert.naheliegen könnte auch eine absprache in bezug auf die berichterstattung

    beider presseerzeugnisse über des exsenators bestseller,is doch die drückertruppe moralfrei jedoch hochgradig ängstlich.personenschutzkosten im jahr achtstellig.

     

    setzt die"taz"bild ooch in anführungszeichen??...

    mir scheint dieser umstand fremd

  • MK
    Merve K.

    Im Großen und Ganzen stimme ich Herrn Külahci zu, mich stört lediglich, dass Herr Külahci nicht eine gewählte Wortwahl benutzt. Aber wir hoffen ja alle, dass sich das noch legt mit der fortschreitenden Integration.