: Hyperversierte Nerdkultur
NISCHE Gerade ist die sechste Staffel der US-Sitcom „Community“ gestartet – bei Yahoo. Sie beweist, dass das Internet für viele Serien der bessere Platz ist als das lineare Fernsehen
VON MARA BIERBACH
„Community“ lief für fünf Staffeln beim großen US-Sender NBC und war dort alles andere als ein durchschlagender Hit. Etwa vier Millionen Zuschauer hatte eine Folge der Serie. Zum Vergleich: „The Big Bang Theory“ kam zuletzt auf etwa 20 Millionen Zuschauer pro Folge.
„Community“ bietet referenzreichen Humor für ein in Pop- und Nerdkultur hyperversiertes Publikum, statt mit einfachen Gags und Konservenlachern ein Massenpublikum zu unterhalten. Die Prämisse der Serie ist einfach: Sieben ganz unterschiedliche Außenseiter schließen sich als Lerngruppe zusammen in einem Community College, einer Mischung aus Volkshochschule und Fachhochschule für alle, die es nicht an eine normale Uni geschafft haben. Dies wird zum Ausgangspunkt für absurde Gags, Genre-Parodien und komplexe Handlungsstränge inklusive Paralleluniversen.
Community versteht es wie kaum eine andere Serie, das eigene Dasein zu reflektieren, den eigenen Nischenstatus zu zelebrieren und mit Fans zu kommunizieren. In der zweiten Staffel brüllt Abed, popkulturbesessener Supernerd und Identifikationsfigur für Fans der Serie „Six seasons and a movie“ – „Sechs Staffeln und ein Film“ –, als jemand behauptet, seine neue Lieblingsserie würde sowieso bald eingestellt. Für Fans von Community wurde dieser beiläufige Witz zum Schlachtruf. Als NBC 2012 „Community“ vorübergehend unterbrach, starteten Fans im Internet eine Kampagne zur Rettung der Serie unter dem Hashtag #sixseasonsandamovie. Mit Erfolg: Die Serie bekam eine vierte Staffel. Doch nach fünf Staffeln und 97 Folgen setzte NBC im Mai 2014 die Serie endgültig ab. Wieder explodierte auf Twitter #sixseasonsandamovie.
Sony, die Produktionsfirma der Serie, suchte aggressiv nach einem alternativen Abnehmer für eine sechste Staffel. Mit unerwartetem Erfolg: Yahoo kaufte die Ausstrahlungsrechte für die sechste Staffel.
Von dem Internetkonzern ist schon länger bekannt, dass er eine Streaming-Plattform in Konkurrenz zu Netflix und Hulu aufbauen will. Der Kauf von „Community“ ist klug: Deren Fans sind internetaffin und der Serie treu verbunden. Sie folgen ihr auch zu einer nicht etablierten Plattform wie Yahoo Screen und machen nebenbei bei Twitter und Co. kostenlos Werbung für ihre Lieblingsserie – und damit auch für Yahoo.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Streaming-Gigant einer Kult-Sitcom ein zweites Leben schenkt. 2014 veröffentlichte Netflix die vierte Staffel von „Arrested Development“, acht Jahre nachdem der große Fernsehsender Fox die Serie eingestellt hatte. „Arrested Development“ schaffte es bei Fox nie auf hohe Einschaltquoten, zu eigenartig war die Sitcom für ein Massenpublikum. Über Streaming und DVDs baute die Serie allerdings eine treue Fanbase auf.
„Community“ und „Arrested Development“ zeigen: In einer nischenreichen Medienlandschaft können sich kleine Kultserien neben Quotengiganten zunehmend durchsetzen. Während die großen Fernsehsender nach wie vor durch einen massenkompatiblen Medienfluss Quoten machen, finden bei den Streaming-Plattformen die zielgruppenspezifischen Angebote ein Zuhause.
Gerüchteweise arbeitet Sony daran, die Finanzierung eines „Community“-Films sicherzustellen. Die Frage, ob eine treue Fanbase und ein Hashtag-tauglicher Gag nicht nur sechs Staffeln, sondern auch einen Film für eine kleine Kultserie sichern können, ist also noch offen.