Kolumne Die Kriegsreporterin: Nicht ohne unsere Kantinentesterin!
"Focus" spart mit Sarrazin auf dem Titel, "Geo" spart an eigenen Fotos, "Bild" spart an Auflage, die Uni Leipzig spart Studienplätze und das ZDF spart sowieso.
H allo, taz-Medienredaktion! – Aktionswoche bei Focus! Nur ein Euro! Nur ein Euro! Und endlich wieder Sarrazin auf Titel. Leider, leider muss bei so billig an mancher Stelle gespart werden, und am besten man fängt bei Sprache an.
Wie aber sparen bis kurz vor totsparen am Ende ganz viele Menschen glücklich macht, beweist Gruner+Jahr, die ihren verbliebenen Angestellten demnächst einen tollen Bonus von 80 bis 100 Prozent des Monatsgehalts auszahlen. Dass bei dieser Politik der Leser beziehungsweise Käufer das Nachsehen hat – geschenkt!
Die Januar-Ausgabe von Geo-Saison etwa beinhaltet nur noch zwei Geschichten, für die eigens Fotografen losgeschickt wurden. Der Rest ist Agentur- und PR-Material. Das Ergebnis: Ein seelenloses Heft mit austauschbaren, kalenderblattähnlichen Bildstrecken, die genauso gut in der Apotheken-Umschau stehen könnten. Aber, was soll's, Hauptsache, gespart!
SILKE BURMESTER berichtet für die taz von der Medienfront.
Gespart wird auch bei Springer. Und zwar an der Auflage. Bild verlor im letzten Quartal 4,6 Prozent und verkaufte nur noch 2,9 Millionen Exemplare. Das sind zwar noch 2,9 Millionen zu viel, aber jede nicht gekaufte Bild ist ein Gewinn.
Auch in Leipzig macht man mit bei den Sparwochen und kündigt eine Kürzung der Zahl der Studienplätze des Journalistikstudiengangs von 44 auf 20 an. Natürlich ist das Gejammer groß. Vielleicht aber ist der Schritt gar nicht so dumm, ist es doch eine Art vorausschauenden Sparens. Schließlich erspart man vielen Menschen das Eintreten in ein mehr oder weniger brotloses Handwerk.
Und auch ich muss sparen. An meiner Zeit. Ich muss mich nämlich sputen. Morgen früh reise ich ins Zwergenland, zu den Grimaldis, und muss bis dahin noch eine Menge Kleider bügeln. Also jetzt keine dummen Diskussionen anfangen, ob es gerecht sei, Journalismus als brotloses Handwerk zu bezeichnen, und zack, zack den Blick woanders hingelenkt: Filmproduzent Oliver Berben, dessen Produktionen auch "Nicht ohne meine Mutter" heißen könnten, weil er Iris Berben in allem unterbringt, wofür Veronica Ferres zu blond ist, beschert dem ZDF einen weiteren Image-Krawumm.
In dem wirklich gruseligen Film "Meine Familie bringt mich um", der mit "Dieser Film bringt Sie um" publikumsgerechter betitelt wäre, ist allzu viel VW im Bild. Nun muss mal wieder geklärt werden, wer wie profitiert hat. Und dass wie beim eben erst aufgeflogenen Kosmetiklogo-Stinker im ZDF-Film "Familiengeheimnisse", den ebenfalls Berben produziert hat, kein Verantwortlicher davon wusste, ist jetzt schon klar.
Da lob ich mir doch den Kerner-Johannes, der seinen Image-Film "Der Karl-Theodor, das Afghanistan und ich" zu keinem anderen Zweck drehte, als der Bundeswehr einen Dienst zu erweisen, und auch nicht so tut, als wäre es ein Werbespot für Geflügelwurst. Die Sat.1-Sendung "Kerner spezial" ist entsprechend mit 17.000 Euro von der Bundeswehr "kofinaniziert" worden.
Da ich dieses Modell so ehrlich und aufrichtig finde und ja auch für etwas die Demokratie Erhaltendes kämpfe, nämlich den Journalismus, habe ich gedacht, ich lass mich auch kofinanzieren. Ko finde ich schon immer gut und die Bundeswehr ist ja eine tolle Truppe. Also gehe ich geh dorthin, wo Leib und Seele unserer Kämpfer zusammengehalten werden: "Burmester die Kantinentesterin". Für 15.000 Euro pro Monat.
Bevor ich damit anfange, muss ich aber erst bei Fürstens nach dem Rechten blicken. Leider, leider muss ich das allein tun. Sie müssen eine Woche ohne mich auskommen. Aber keine Angst: Ich liebe Sie alle! Und damit zurück nach Berlin!
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