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Verärgerung über Openleaks-VorstellungCCC schließt Domscheit-Berg aus

Der CCC erklärt, er fühle sich durch Domscheit-Berg ausgenutzt – und wirft den OpenLeaks-Gründer raus. Hintergrund ist der Streit um WikiLeaks.

Großer Auflauf nicht nur von CCC-Mitgliedern: Zelte auf dem Chaos Communication Camp 2011 in Finowfurt. Bild: dpa
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BERLIN taz/dpa | Der Chaos Computer Club (CCC) hat den WikiLeaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg aus seinen Reihen ausgeschlossen. Der Ausschluss ist nach Angaben von CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhns erst der zweite in der 30-jährigen Geschichte des Vereins. Auslöser sind Unstimmigkeiten bei der Präsentation von Domscheit-Bergs Whistleblower-Plattform OpenLeaks auf dem Sommercamp des CCC in Finowfurt am vergangenen Mittwoch.

In dem Vorstandsbeschluss des CCC heißt es zur Begründung, Domscheit-Berg habe vergangene Woche den Eindruck erweckt, dass der CCC "eine Art Sicherheitsüberprüfung" für das neue Projekt übernommen habe. "Tatsächlich ist OpenLeaks für den CCC intransparent."

Der CCC könne nicht beurteilen, ob potenzielle Informanten, die sich OpenLeaks anvertrauten, nachhaltig geschützt werden könnten, heißt es weiter. "Der Vorstand des Chaos Computer Club e.V. sieht im Vorgehen von Domscheit-Berg ein Ausbeuten des guten Rufes des Vereins."

Beim gut besuchten Vortrag am vergangenen Mittwoch in Finowfurt auf dem Chaos Communication Camp hatte Domscheit-Berg allerdings nicht von einem irgendwie gearteten Sicherheitstest durch den CCC gesprochen. Er hatte vielmeher das Projekt noch einmal vorgestellt und verkündet, dass Hardware- und Software-Architektur nun soweit fertig sind, dass sie getestet werden könnten.

Außerdem hatte er alle Interessierten dazu aufgerufen, die Openleaks-Website leaks.taz.de zu testen und bot diverse Workshops und Informationsveranstaltungen dazu an. Weil Openleaks die Server nicht wie vorgesehen im CCC-Camp anschließen konnte, verzögerte sich das ans Netz gehen allerdings um zwei Tage.

Der Testbetrieb wurde deshalb bis Dienstag verlängert. Die Kritik, dass der Quellcode der OpenLeaks-Plattform bislang nicht öffentlicht ist, wurde wiederholt an den OpenLeaks-Gründer herangetragen. Er hatte dazu erklärt, dass der Code noch nicht komplett fertig sei – und dass er ihn zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen wolle.

Hintergrund ist der Streit um WikiLeaks

CCC-Sprecher Müller-Maguhn sagte: "Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Schon zuvor gab es Streit zwischen den früher befreundeten Computerexperten, weil Müller-Maguhn keinen Erfolg hatte, zwischen Domscheit-Berg und WikiLeaks zu vermitteln. Dabei geht es um vertrauliche Daten, die bei WikiLeaks eingereicht wurden, und die Domscheit-Berg bei seinem Ausstieg im vergangenen Jahr angeblich mitgenommen haben soll.

Der Betroffene reagierte mit Unverständnis auf die Entscheidung. Man habe ihm am späten Samstagabend den Beschluss überreicht, ohne mit ihm darüber geredet zu haben, sagte Domscheit-Berg. Dabei sei er gar nicht Mitglied der allgemeinen Organisation, sondern nur Mitglied beim CCC Berlin. Er verwies auf das positive Feedback während seines OpenLeaks-Workshops. "Ich finde es sehr schade, dass dies nicht gesehen wird."

Eigentlicher Grund für den Ausschluss sei seine Weigerung, auf eine Vermittlung im Streit um die WikiLeaks-Dokumente einzugehen, sagte Domscheit-Berg. "Ich kann da aber nichts tun, was eine Quelle potenziell in Schwierigkeiten bringen würde."

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11 Kommentare

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  • VU
    Vereine und Satzungen

    Die Hälfte(?) der US-Hacker arbeitet als Informanten fürs FBI. Soviel zu Stasi-IM-"Agendas".

     

    Einige oder sogar viele News-Texte woanders schreiben nichts von der Testverlängerung und erwecken den Eindruck, am Sonntag wäre der Test beendet worden.

    Bei Heise heisst es noch, DDB wäre mehrmals aufgefordert worden, Openleaks nicht in CCC-Räumlichkeiten oder so zu bewerben.

    Organisatorische Trennung von Organisationen sollte klar sein und DDB hat es vergessen oder nicht hinbekommen oder Vorwand gegeben den man bei so etwas einplanen muss.

    Der wahre Manager kalkuliert jeden als Verräter oder bezahlten Verhinderer ein und kriegt das Ergebnis trotzdem gebacken.

     

    Top-Down-Architektur und Implementierung klingt seriöser als die allgegenwärtige Frickel-Software. Und das hätte man durchaus völlig Public machen können und sollen. Damit die Software-Anbieter mal lernen wie man es richtig macht und Freiwillige funktionierende Software schaffen.

  • J
    Jörn

    Wer die "Guten" und wer die "Bösen" sind lässt sich von aussen schlecht erkennen. Wie wichtig sind Eitelkeiten der Akteure? Wie mediengeil ist DDB, der dies Assange immer vorgeworfen hat? Welche alte Rechnungen werden da zwischen AMM und DDB beglichen?

     

    Angesichts der Auswirkungen einer funktionierenden Platform kann ich mir nicht vorstellen, dass die Geheimdienste da ihre Finger nicht mit im Spiel haben und Intrigen schmieden. Dabei ist natürlich von aussen nicht erkennbar, welcher Akteur hier eine geheime zweite Agenda fährt und eigentlich eine funktionierende Plattform verhindern möchte.

     

    Zumindest fahrlässig war da sicherlich die Hacker ein System zu zeigen, bei dem der Quellcode verteckt wird. Es ist der zentrale Vorwurf an viele Sicherheitsinfrastrukturen, die Sicherheit durch die verborgene Sicherheitsmechanismen erreichen wollen. Den Quellcode zu verbergen verzögert nur aber verhindert nicht das Aufdecken von Sicherheitslücken. Gerade ein Projekt, welches sich "Openleaks" nennt, sollte hier mit offenen Karten spielen. Wenn Openleaks mit offenen Karten spielen würde, hätten Hacker eine Chance nach kurzer Prüfung zu entscheiden, ob ein System mit dieser Architektur sicher sein kann und wo ggf. organisatorische Schwachstellen liegen.

     

    So muss man sagen, dass die Geheimdienste ganze Arbeit leisten. Die Szene streitet sich, Wikileaks ist praktisch tot und Openleaks kommt nicht voran.

  • VU
    Vereine und Satzungen

    Vereine haben Satzungen. Da sollte das vermutlich geregelt sein.

    In diesem Fall sollte diese Recherche dazugehören, auch wenn man z.B. bei Entlassungen usw. nicht groß abwägt, wie die Chancen beim Arbeitsgericht stehen und man bestenfalls die Boni-Zillionen-Abfindung abschätzt.

  • A
    Anon

    Im Spiegel von heute (33/2011 Seite 81) steht, dass der CCC Vorstand Müller-Maguhn als Berater für den Spiegel tätig ist. Das finde ich vor dem Hintergrund, dass Openleaks mit der taz kooperriert eine wichtige Info.

  • T
    Tobias

    "Der Freitag" ist auch eine Partnerschaft mit OpenLeaks eingegangen. Dort wird allerdings der Rauswurf von Domscheit-Berg totgeschwiegen. Nicht gerade "open".

    Da freue ich mich doch ueber die TAZ.

  • FW
    Franz W.

    Man muss die Dinge offen beim Namen nennen: Andy Müller-Maguhn ist ein WikiLeaks-Fanboy, der die Bitte von DDB, während des Camps OpenLeaks mal zu pentesten, bösartigerweise uminterpretiert hat, dass OpenLeaks eine Art von "CCC-Gütesiegel" hätte, um einen Vorwand zu haben, DDB endlich aus dem Club loszuwerden. Die Entscheidung dazu war völlig intransparent, und wird auch dem Vernehmen nach von einem großen Teil nahmhafter CCC-Mitglieder nicht mitgetragen.

     

    Im übrigen ist das die zweite Person, die aus dem CCC geworfen wurde. Auch Burkhard Schröder wurde per Vorstandsbeschluss die Mitgliedschaft entzogen, weil er wiederholt in der Öffentlichkeit die Verschwörungstheorien, die Andy Müller-Maguhn rund um den Tod von "Tron" vertritt, widerlegt hatte.

  • N
    nutzzz

    Was denn nu?"Die Technik von Openleaks wird ab sofort bis zum 13. August auf dem international bekannten Hackertreffen des Chaos Computer Club (ccc) auf ihre Penetrierbarkeit getestet. Nun kommt es darauf an, ob die Hacker eine Lücke in der Sicherheitsarchitektur der Openleaks-Software finden. Ist dies nicht der Fall, kann Openleaks in den Dauerbetrieb gehen." (Taz 10.08.11)

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Release early, release often - erst recht bei einem so kritischen Projekt sollte das ein Mantra sein - und freie Lizensierung ein muss.

  • M
    Mink

    Mich würde mal interessieren wie die TAZ jetzt nach diesen Geschehnissen zu openleaks und Daniel Domscheit-Berg steht. Die TAZ ist ja eine Partnerschaft mit openleaks eingegangen...

  • BG
    Bernd Goldammer

    Eine gute Entscheidung. Was aber macht jetzt die TAZ?

  • KL
    Katrin L.

    Hoffentluch beeinflussen diese Querelen nicht die Weiterentwicklung von OpenLeaks und die Zusammenarbeit der Partner negativ. Bitte zusammenraufen und die Demokratie stärken, danke!